Angriff auf Dresden

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Dieser Artikel sollte dringend inhaltlich überarbeitet werden: Vermutlich Duplikat zu Zeitzeugenberichte zum 13. Februar 1945 (2021 ausgelagert aus Luftangriffe 13. Februar 1945); Inhalt prüfen; ggf. löschen
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Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Der Luftangriff am 13. Februar 1945 - Erlebnisberichte aus Dresden-Altstriesen

und aus der näheren Umgebung, gesammelt und bearbeitet von Heinz Bergmann

[Bearbeiten] Vorwort

Die nachfolgenden Berichte über den Luftangriffe 13. Februar 1945 auf Dresden soll nachfolgenden Generationen einen kleinen Einblick über die damalige Situation im Dresdner Stadtteil Altstriesen (Angriffsnacht, Tage vor und nach dem Angriff) aus der Sicht von Zeitzeugen im damaligen Jugend- und Kindesalter geben. Die Berichterstatter sind heute im hohen Lebensalter oder gar nicht mehr unter uns. Die Berichte enthalten auch Angaben über einige damaligen Verhältnisse, wie sie sich den Jugendlichen darboten.

Einleitung

Der 13. Februar 1945 war ein Faschingsdienstag und ein milder Wintertag. Die kleineren Kinder von Altstriesen feierten den Fasching, wie es eben Kinder in diesem Alter tun, relativ unbeschwert. Es gab sogar kleine Faschings- und Scherzartikel in den Geschäften auf dem Platz. Die Bäckerei Troschütz (Altstriesen 23) hatte Pfannkuchen gebacken. Der Laden war an diesem Tage wie ausgekehrt. Die Semmeln und gebackenen Pfannkuchen waren alle geworden. Die Einwohner gingen an diesem Tage ihrem täglichen, kriegsbedingten Leben nach.

Viele Städte in Deutschland waren durch Bombenangriffe stark beschädigt und fast zerstört worden. Dresden hatte zwar auch Luftangriffe erdulden müssen, war aber vergleichsweise relativ gut davon gekommen. Es gab die unterschiedlichsten Gerüchte. Dennoch machte sich bei vielen Menschen unbewusst Unruhe und unheilvolle Vorahnung breit. Man brauchte nur das Fortschreiten der Bombardierungen in Richtung Osten verfolgen. Es war lediglich eine Frage der Zeit, wann das relativ verschonte Dresden an der Reihe war. Und am 13. Februar 1945 war es an der Reihe.

Im Jahre 1943 wurde der Platz Altstriesen (ehemals Markgraf-Heinrich-Platz) vollkommen umgestaltet. Der östliche Teil des Platzes erhielt einen einfachen Bunker (Splitterschutzgraben), um die Bevölkerung speziell der kleinen, über 100 Jahre alten Häuser, die keinen Keller besaßen, im Falle eines Luftangriffs aufzunehmen. Auf dem westlichen Teil des Platzes wurde ein Wasserbecken errichtet, das Wasser für Löschzwecke bereitstellen sollte. Der Beckenrand zur Wasserentnahme war aber nur über steile Stufen zu erreichen, und für das Löschen musste eine Eimerkette gebildet werden. Zwischen beiden Bauwerken befand sich das Wettin-Denkmal.

Im Splitterschutzgraben hatten sich bereits beim ersten Luftangriff, der etwa nach 22.00 Uhr Striesen erreichte, viele Leute aus der näheren Umgebung eingefunden. Durch die Tage vorher statt gefundene Schneeschmelze stand im Keller das Wasser etwa 10 cm hoch. Jemand hatte sogar seine Ziege mitgebracht, die mitten im Gang stand, der durch eine ständig flackernde Lampe spärlich erhellt wurde. Die Ziege stammte, wie sich später herausstellte, aus dem Gut Müller/Karger, Altstriesen 18. Die Leute aus dem Grundstück waren auch mit im Splitterschutzgraben. Die Bewohner aus den Häusern Altstriesen 4, 8, 10, 12, 14, 16 und weitere hatten ebenfalls Schutz im Splitterschutzgraben gesucht.

Der Graben war voll, einige wurden auch abgewiesen. Im Splitterschutzgraben haben die Altstriesner die ganze Nacht verbracht, auch den zweiten Luftangriff nach Mitternacht, der gegen 1.30 Uhr auf Striesen niederging. Das Grundstück Altstriesen 30 (Petermannsches Gut) verfügte über einen Keller mit Gewölbe, in dem die Bewohner den Angriff überlebten. Auch Altstriesen 4 hatte einen Keller, in dem die Familie Müller den ersten Angriff erlebte.

Die viergeschossigen Stadthäuser (Wettin-Häuser) der geschlossenen Bauweise in Altstriesen hatten als Luftschutzräume ausgewiesene Keller, ohne dass alle die notwendige Stabilität aufwiesen. Ausgesprochene Betonbunker für die Bevölkerung waren nicht vorhanden. In den Stadthäusern waren Durchbrüche von Keller zu Keller und Dachboden zu Dachboden vorbereitet, damit beim Verschütten einzelner Kellerausgänge eine Flucht in die Nachbarkeller und ein Entrinnen aus den Kellern ermöglicht wurde. Vielerorts bildeten der Rauch und Sauerstoffmangel die Ursache dafür, dass die Keller verlassen werden mussten. Auch waren einige Häuser nach dem ersten Angriff noch verschont geblieben, oder das Ausbreiten des Feuers konnte verhindert werden.

Die Bewohner versuchten, auf den Böden oder in den Etagen zu löschen. Aber Funkenflug durch die Fenster, brennende Stofffetzen, Holzteile und der sich entwickelnde Feuersturm in den dichteren Bebauungen verbreiteten die Brände mehr und mehr. An manchen Stellen war die Dichte der abgeworfenen Brandbomben so hoch, dass sich schnell ausbreitende Feuernester entwickelten, die niemand löschen konnte. Bomben mit Brandgel, eine Vorstufe des späteren Napalms, taten das Ihrige. Das Holzlager der Firma Spalteholz zwischen Schandauer Straße und Prinzengäßchen sorgte für die Brandausbreitung und für fliegende und brennende Holzstücke in der Umgebung.

Während es ersten Angriff fielen vor allem Brandbomben. Dabei kam es vor, dass die Flammen des einen Hauses auf das Nachbarhaus übergriffen. Ein Löschen im Flammenmeer war nicht möglich. Die Feuerwehren kamen nicht bis zum Brandherd bzw. die Hitze hielt sie ab. Oftmals blieb von einem Haus, das von einer Sprengbombe getroffen wurde, nur ein Bombentrichter übrig. So erging es dem Haus und den Bewohnern von Altstriesen 19, das neben den Wettinhäusern stand, und einen Volltreffer erhielt. Vom Haus blieb nichts übrig. Eine Hausbewohnerin, die zum Zeitpunkt des Angriffs nicht in Dresden war und deshalb am Leben blieb, fand nur eine Tür, ihre Kleiderschranktür, in nächster Nähe.

Als die Altstriesner am Morgen des 14. Februars aus dem Splitterschutzgraben auf dem Platz krochen, waren ihre kleinen Dorfhäuser niedergebrannt. Im Gut Müller/Karger (Altstriesen 18) waren die Tiere umgekommen. Nach den Angriffen und auch viel später verfasste Erlebnisberichte schildern das durchlebte Grauen an diesen Tagen. Die Grenze des Bombenabwurfs bildete in Striesen die Bergmannstraße im Osten. Von Häusern entlang der Borsberg- und Schandauer Straße, Haydn- und Krenkel-, Tischer-, Laube-, Müller-Berset- und Tittmannstraße blieben nur die Ruinen stehen. Schwere Schäden erlitt die Erlöserkirche, die später weggerissen wurde. Vergleichbar geringe Schäden erlitt die Versöhnungskirche. Bedeutsame Lokalitäten fielen auch den Bomben zum Opfer, so das Hammersche Hotel (Augsburger Straße), die Gloria-Palast-Lichtspiele, die Gaststätte Erdkugel in Altstriesen, die allesamt kulturelle und politische Höhepunkte in den vergangenen Jahren erlebten. Die großen Industriebetriebe im Osten Striesens waren weniger bis gar nicht betroffen.

Vom alten Dorf blieben nach dem Luftangriff auf Dresden nur drei Häusleranwesen (Rosa-Menzer-Straße 3 und 7) und ein Fachwerkhaus (Merseburger Straße 17) erhalten, die später alle Neubauten weichen mussten und 1980 nicht mehr vorhanden waren. Auch das Haus Geisingstraße 5 blieb erhalten, nunmehr als Ruine weggerissen. Heute ist von Altstriesen nichts mehr vorhanden, nur im Grundstück Altstriesen 6 (ehemals Stellmacher Richter) befindet sich in den Mauern des Erdegeschosses die Karosseriewerkstatt Thiele Nachfolger Deiche. Dort, wo einst die Dorfhäuser standen und eine ländliche Idylle darstellten, befinden sich Garagen. Durch den Bombenangriff vom Februar 1945 wurden der alte Ortskern von Striesen (Altstriesen) und weite Flächen an der Borsberg- und Schandauer Straße zerstört. Fast 800 Häuser mit rund 7000 Wohnungen, Fabriken und Werkstätten fielen in Schutt und Asche.

Seltsamerweise sind inmitten der Trümmer einige einzelne Häuser, wie zum Beispiel Laubestraße 13, erhalten geblieben. Hier war es dem Einsatz beherzter Bewohner und von Frontsoldaten auf Urlaub zu verdanken, dass trotz Bombenabwurfs Löscharbeiten vorgenommen wurde. Brandbomben wurden am nicht brennenden Ende erfasst und zum Fenster hinaus oder vom Dachboden geworden und der durch Funkenflug durch die geborstenen Scheiben entfachte Brand gelöscht. Das waren aber nur Einzelfälle, nicht jeder hatte dabei Erfolg. Auch wurde das Löschen durch die zweite herankommende Bomberwelle im zweiten Angriff unterbrochen. Neues Feuer breitete sich aus.

Bereits nach dem ersten Angriff und verstärkt nach dem zweiten Angriff verließen viele Striesner das Gebiet von Striesen und liefen um ihr Leben, manche auch mit etwas geretteten Gut, in Richtung Großer Garten, Blasewitz oder Osten, um möglichst schnell dem Rauch und dem Feuer zu entkommen. Niemand wusste, ob erneut ein Angriff folgte, wo es überall brannte und wo man sich rettend verbergen konnte. In den nächsten Tagen erhielten die nicht zerstörten Häuser zum Teil Einquartierungen von Ausgebombten. Verwandte, Freunde und Bekannte, aber auch völlig Fremde wurden aufgenommen. Die Ortsverwaltung vergab Schlüssel an Wohnungen, die Bewohner vor dem Angriff verlassen hatten. Sie waren vor dem drohenden Einmarsch der Roten Armee und sicherlich nicht ohne Grund in Richtung Westen verschwunden. Aber nicht alle nahmen Ausgebombte auf. Selbst in der Angriffsnacht wurden Schutzsuchende selbst von Bekannten abgewiesen.

Im Folgenden werden einige Erlebnisberichte vom Luftangriff am 13./14. Februar 1945 auf Dresden wiedergegeben. Sie stammen von zum großen Teil von damals jungen Striesnern, die im alten Dorfkern Altstriesen oder in der unmittelbaren Umgebung von Altstriesen den Angriff erlebten. Die Namen sind originale Namen, die Anschriften stammen vom Zeitpunkt des Angriffs. In manchen Berichten wird nicht nur vom unmittelbaren Angriffstag erzählt, sondern auch das tägliche Leben in dieser Zeit skizziert.


[Bearbeiten] Erlebnisbericht zum 13. Februar 1945

[Bearbeiten] von Frau Elisabeth Troschütz (Jahrgang 1885), Altstriesen 23, Bäckerei Troschütz

Frau Elisabeth Troschütz lebte von 25. September 1885 bis 27. Oktober 1965. Ihr Gatte, der Bäckermeister Arthur Troschütz, war am 6. Juni 1943 verstorben. Ihr Sohn Johannes war am 17. Januar 1945 im Alter von 19 Jahren im Krieg gefallen. Ihre Tochter Marianne Troschütz befand sich zum Zeitpunkt des Angriffs im Arbeitsjahr außerhalb Dresdens in der Gegend von Delitzsch-Bitterfeld, wo sie als Gesundheitshelferin bei der Flak eingesetzt war. Die Bäckerei wurde von Frau Troschütz nach dem Tode ihres Gatten mit Hilfe des Werkmeisters Härtel und des französischen Kriegsgefangenen Robert bis zum 13. Februar 1945 weitergeführt. Wohnung und Laden befanden sich im Erdgeschoss des Grundstücks Altstriesen 23, Backhaus und Backstube im Kellergeschoss bzw. im Anbau (Hof). Der Erlebnisbericht wurde von Frau Troschütz unmittelbar nach dem Angriff in Hirschsprung/Erzgebirge handschriftlich in deutscher Schrift aufgezeichnet.

Und nun der Erlebnisbericht

Da wir immer glaubten, vor den Russen fort zu müssen, die immer näher kamen, beglich ich alle meine Geschäftsrechnungen gänzlich und holte mir am 12. und 13. Februar 1945 je noch Eintausend Mark vom Girokonto und Eintausend Mark vom meinem Sparkassenbuch, um für alle Fälle Geld zu haben. Am 13. war Fastnacht und mildes, etwas feucht-trübes Wetter. Tante Marga (Marga Schwarick, die Schwester von Frau Elisabeth Troschütz, die den Haushalt führte) hatte noch in der Küche allerhand gewaschen: Hemden, Schürzen, Korsetts und zum Teil auf den Stern gehangen, das übrige in der Kinder-Zinkbadewanne eingewässert, am Küchenfenster stehen gelassen.

Wir hatten auch schlesische Flüchtlinge, ein Dentisten-Ehepaar Mehnecke aus Breslau, im hinteren Zimmer wohnen. Der Laden war an diesem Tage wie ausgekehrt. Die Semmeln und gebackenen Pfannkuchen waren alle, nur zwei bis drei Deckel waren noch da im Schragen. Am 14. Februar wollte ich mit dem ersten Zuge nach Hirschsprung (zu ihrer Schwester) fahren, um einen voll bepackten Rucksack mit Mehl und Zucker und noch einen Karton in das Haus nach Hirschsprung zu schaffen - für alle Fälle, weil man nicht wusste, wie es kommen würde. Annemarie und Marie rieten es uns auch sehr. Wir waren am 11. Februar noch mal in Dölzschen, und am gleichen Abend schrieb ich an Johannes (Sohn) den letzten Brief, an Marianne (Tochter), glaube ich, am 9. oder 10. Februar.

Doch es kam ganz anders. Ich hatte gerade den fertig gepackten Rucksack in der Stube auf den alten Tisch am Sofa gestellt. Es war ein halb zehn Uhr abends, als Albert (Albert Schwarick, der Ehemann von Marga. Beide wohnten im Nebenhaus, Altstriesen 21, 3. Etage) gestürzt kam und sagte: „Sofort alle mit allem Luftschutzgepäck in die Keller. Es ist Großangriff auf Dresden geplant“. (So meldete es soeben der Londoner Rundfunk).

In Eile stürzten wir in die Keller, auch unsere Flüchtlinge. Alle Hausbewohner waren noch sehr gesprächig. Marga war dabei, das Kellerfenster in der Mehlkammer mit Ziegelsteinen zuzusetzen, als sie rief: „Kommt bloß einmal her, es ist taghell draußen.“ Frau Willmann sagte, sie haben Christbäume gesetzt, und los ging der furchtbare Schrecken. Die Bomben wurden abgeworfen mit ihrer Last und Schwere. Ein Volltreffer hatte ins übernächste Haus, Altstriesen 19 (kleines altes Haus neben den vierstöckigen Wettinhäusern), getroffen. Unser Haus fing dabei ordentlich an zu wanken. Es war, als wenn im Keller die Decke herunter käme und wieder zurückginge. Durch das Backstubendach war eine Stabbrandbombe gefallen, die auf dem Backofen, ohne zu schaden, abbrannte. Ununterbrochen dröhnten die Bomben über uns und um uns. Eine halbe bis dreiviertel Stunde lang dauerte es, ehe die Tod und Verderben bringenden Fliegerverbände abflogen.

Ganz Altstriesen und die umliegenden Häuser brannten lichterloh. Unsere Häuserfront (vierstöckige Wettinhäuser an der Nordseite von Altstriesen) brannte noch nicht, aber im Nachbarhaus das Dach. Nun hieß es löschen. In unserer Wohnung auf der Straßenseite lagen Fenster und Türen hinein geworfen in den Stuben. Man trat nur auf Glas. Meinen gepackten Rucksack habe ich nie wieder gesehen. Wer weiß, wo es ihn hingeschleudert hat. Die Erschütterung war zu groß. Überall war das Licht weg, und es lief kein Wasser mehr in der Leitung. Es herrschte Finsternis in den Räumen, auf der Straße brauste der Feuersturm.

Frau Wüstrich, Frau Frenzel und ich holten Wasser in Eimern aus dem Wasserbecken (gebaut 1944) auf dem Platze. Ich schwemmte damit das Backstubendach, weil dauernd feurige Holzstücken von oben herunterfielen. Dann schafften wir Wasser in die vierte Etage, die brannte. Wir hatten das Feuer durch das Löschen sehr zurückgedrängt. Auch Käthe Lützner beteiligte sich. Da kam gegen ein halb ein Uhr ein neuer starker Angriff (der zweite Nachtangriff) feindlicher Flieger. Wir mussten wieder eiligst in die Keller, und schon ging das furchtbare Dröhnen und Krachen der schweren Bomben wieder los.

Frau Müller (Preisens Lotte) sagte zu mir: „Frau Troschütz, wollen wir lieber ins Freie wegen der Einsturzgefahr?“ So hielt ich es auch für besser. Wir rannten hinter auf den Wäschetrockenplatz und legten uns lang auf die Erde. Hinter Schillings (Schlosserei Schilling, im zweiten Hinterhaus) Schuppen. Zwei bis drei Meter von uns fiel eine Stabbrandbombe und brannte ab. Dort war eine Wanne, die ich über den Kopf nahm. Ich habe dort nur an Johannes, Marianne und den eigenen Tod gedacht.

Nach ein halb zwei Uhr flogen die Bomberwellen wieder ab. Als wir aufstehen konnten, brannte unser Haus schon bis in die dritte Etage herunter. Frau Müller sah ich nicht wieder. Ich ging schnell in unsere Backstube und räumte mit Hutmacher Tümmel von der Geisingstraße unsere Backstube aus in das Backhaus. Die Bleche, die Kuchendeckel, die angesetzten Hefestücke, die Robert gemacht hatte, im Glauben, dort bliebe es erhalten. Dann wollte ich meine Auflegematratze und mein Federbett aus der Mehlkammer holen, wo ich sie hingeschafft hatte. Aber oh weh, dort war eine Stockfinsternis, und die Einwohner des Nebenhauses hatten dorthin durch den Kellerdurchbruch Betten und Koffer geschafft. Es war nichts mehr zu finden. Auch mein Luftschutzgepäck und Rucksack waren weg, meine Handtasche auch, wo Geld und Wertpapiere drin waren. Im Kellergang lagen Haufen von Betten von den Einwohnern. Ich fand niemand mehr im Hause. Ich eilte nun in unsere Wohnung und dachte, was nun machen?

Überall ringsum brannte es lichterloh. Ich nahm mir einen Tragkorb hinter dem Vorhang im Korridor hervor, legte Mäntel und Kleider von mir hinein, ein Nähkörbchen, Kamm und ein Geldkästchen voll mit 50-Pfennigen, ein braunes Emailletöpfchen mit Butter, einen Marmeladeneimer und zwei Brote. Das stellte ich alles vor die Korridortür, um alles mitzunehmen. Da erschien auf einmal Albert, der Marga gesucht hatte, aber nicht fand. Wir gingen in seine Wohnung in Eile, nahmen einen Korb und legten Betten und seinen Wecker hinein. Die Fenster und Türen lagen hereingeworfen herum. Die Uhr in der Stube schlug das letzte Mal zwei Uhr. Die Schlafstube war noch ganz unversehrt. Alberts Wohnung gegenüber brannte schon tüchtig.

Ich ging dann noch einmal schnell in unsere Wohnung und wollte in Johannes seiner Aktentasche Wein mitnehmen oben von unserem Wäscheschrank, aber Albert rief von draußen: „Komm! Du verbrennst“. In unserem Hausflur brannte es. Wie ich hörte, wäre es Holzwolle aus Kühns Keller gewesen durch den Luftschacht, oder hat der Feuersturm etwas herein gefegt, was da abbrannte? Nun hatten wir zwei Tragkörbe voll geladen draußen auf dem Platz stehen. Ich wollte gerne damit in unseren Garten.

In der Laube hatten wir verschiedene Sachen, eine Matratze und einen Koffer für die erste Unterkunft. Albert wollte nicht, aber er ging mit. Als ich den Korb aufnehmen wollte, rissen die angesengten Bänder und ich musste ihn eben stehen lassen. Albert wollte ihn nachholen. Nun steuerten wir mit Alberts Korb dem Garten zu durch die eingestürzten brennenden Häuser über den Platz. Im Prinzengäßchen sahen wir noch Petermanns Gretel (Margarete Petermann) und Herrn Pfeiffer. Aber jeder hatte mit sich zu tun.

Als wir in die Haenel-Clauß-Straße hinein wollten, mussten wir über Steinberge von zusammen gestürzten Häusern klettern. Die Flammen schlugen uns von links und rechts entgegen, um ein Haar war es, und der Tod erwischte uns dort. In unserem Garten gelangten wir nicht, wir fanden ihn einfach nicht in der Verwüstung. Wir landeten - am Tage dann gesehen - in einem Hinterhausgarten der Glashütter Straße. In einer ganz kleinen Holzbude, wo höchstens zwei Personen Platz hatten, verbrachten wir die restliche Nacht, so ab drei Uhr. Eine Frau, die sehr jammerte, war mit dort. Albert hatte immer das Feuer gelöscht, wenn es anfangen wollte zu brennen. Es wurde erst gegen neun bis zehn Uhr bisschen hell. Der Feuerqualm verdunkelte die Natur ganz und gar. Ich war furchtbar müde und teilnahmslos geworden. Die Augen brannten wie Feuer von dem Qualm. Ich bat Albert, den Korb zu holen. Er hatte sich in der Pohlandschule (Lazarett) die Augen auswaschen lassen.

Mein Korb war auf dem Platz verbrannt. Albert brachte die zwei angekohlten Brote mit, worüber wir uns trotzdem freuten. Er hatte verschiedenen Bekannte auf dem Platze getroffen, sowie auch Herrn Lehmann. Unsere Häuserfront hatte tüchtig gebrannt. Wir hatten großen Durst. Albert wollte in den Großen Garten, weil es sonst nirgends Wasser gab. Wir machten uns auf und sahen nun erst, wo wir waren. Unsere Gartenkolonie war rechts von uns, aber alle Lauben und Bäume waren verbrannt. Auf dem Wege nach dem Großen Garten und dort selbst waren weiter nichts wie Verwüstungen, Löcher, Bombentrichter, leere Phosphorkanister, entwurzelte und zersplitterte Bäume, Ruß geschwärzte Menschen, die mit ihrem letzten Bündel, Hab und Gut auswanderten aus der lieben Stadt hinaus nach allen Richtungen.

Am Brunnen (im Großen Garten) waren viele Menschen, die sich am Wasser labten. Alle waren still, verzerrt, rußig im Gesicht, am Körper und Händen von dem Erlebten der Nacht. Als wir zurückgingen, wollte ich so gern auf unseren Platz, doch es war unmöglich vor Trümmern, über die Schandauer Straße zu kommen. Wir gingen zurück, wo wir den Korb stehen hatten. Da kam gegen 14 Uhr am 14. Februar schon wieder ein neuer starker Angriff, dem sämtliche Hinterhäuser in Altstriesen 21, 23, 25 und 27 zum Opfer fielen. Auch Blasewitz und Gruna brannte. Ich war so gleichgültig geworden, dass ich den Angriff im Freien entgegen nahm. Albert ging in einen Bunker.

Müllers (Altstriesen 16) Kühe haben den Tod an der Kette im Stall erleiden müssen. Sie konnten nicht mehr losgebunden werden. Gegen zwei Uhr machten wir uns auf, nach Zschachwitz zu wandern, um auch Marga zu finden, denn Albert hatte es auf dem Platze hinterlassen, dass wir nach Zschachwitz zur Käthe Riesen (Bölkestr. 13) wollten. Unterwegs wieder Fliegeralarm. Es ging keine Straßenbahn in der ganzen Stadt, man musste (wochenlang) alles erlaufen. Gegen 16 Uhr waren wir in Donaths Neuer Welt. Dort war eine Menschheit. Albert kaufte je einen Topf Kaffee für die durstigen Kehlen. Unterweges mussten wir dauernd in die Keller. Gegen 19.30 Uhr fanden wir Riesens Haus unversehrt. Denn so ganz genau wusste ich die Adresse nicht. Gott sei Dank, war Marga dort. Das war uns das größte Geschenk. Ich war so kaputt, dass ich mich gleich mit den Sachen legen musste. Es roch alles nach Rauch und Ruß. Gewaschen habe ich mich erst am nächsten Tag. Albert wurde gleich schwer krank: Rauchvergiftung und Lungenentzündung. Mit den Augen wurde es auch besser, aber am 14. Februar konnte man kein Auge auftun.

Käthe nahm uns freundlich auf, sie hatte nur keine Feuerung. Wir holten Laub. Es waren noch zwei Familien dort untergebracht. Ein Paar Tage später fuhren wir mit Jütes Handwagen nach Altstriesen. Wir holten Kohlen aus unserem erhalten gebliebenen Keller und Kartoffeln im Garten, die wir dort in einer Feime vergraben hatten. Am 12. Februar hatten wir für die Bäckerei noch 40 Zentnern Kohlen bekommen von Kohlen-Zimmermann, der auch mit umgekommen ist. Alberts Korb nahmen wir auch mit, mit den Betten, den wir in dem Holzbudel stehen hatten. Er war zum Glück noch da, was wir ein Wunder nannten.

Nachmittags und in den Nächten immer Fliegeralarm (am 17. April 1944 erfolgte der achte und letzte Luftangriff auf Dresden). Alle waren kaputt davon. Jeder Ausgebombte Familienvorstand bekam Fünfzig Mark als vorläufiges Darlehn fürs Nötigste. Man war ja mittellos, da auch alle Wertpapiere verbrannt waren. In der Auffangstelle konnten wir uns Mittagessen und abends Suppe holen. Wir sind öfters an unsere Brandstätte gefahren und fanden unsere Zinkwanne mit der Wäsche. Zum Teil waren Brandflecken darin, aber sonst unversehrt. Marga hat sie bei Käthe noch einmal gewaschen.

Wir hatten es dann so satt mit den dauernden Angriffen, dass wir uns am 1. März aufmachten und nach Hirschsprung fuhren. Wir hatten allerhand aus unseren Trümmern geholt, was wir mitnahmen. Wie wir es fortgebracht haben, weiß ich nicht mehr. Wahrscheinlich nur in Hucken, denn wir hatten ja nichts mehr, als was wir auf dem Leib hatten, außer dem alten Korb, in dem Albert seine Betten hatte. Die Züge gingen nur von Heidenau aus. Die Strecke bis zum Hauptbahnhof war kaputt, die Wagen zum Teil ohne Fenster und Licht. Albert brachte uns zur Bahn. Er musste mit Käthes Handwagen zurück und kam mit einem Nachtzug an. Nach Hirschsprung hatten wir wenigstens Wäsche, Betten und so verschiedenes gerettet. Hier begann nun gleich der Aufbau, denn wir hatten weder Kamm noch Portemonnaie. Zuerst wurde Rucksack und eine Tasche aus Sack angefertigt und grün gefärbt. So hatten wir das Nötigste, wenn wir an unsere Trümmerstätte fuhren, um so allerhand Nützliches zu finden. Sogar aus unserem Küchenschrank verschiedenes.

Wir hatten auch viele Wege zu erledigen und mussten alles laufen. Oh wie sah es in unserem lieben Dresden aus! Es ist nicht zu beschreiben. Wenn wir Bekannte aus unserer Kundschaft trafen, so freuten wir uns gegenseitig, und was hatten sie alles erlebt und wie waren wir alle verstreut.

Nun schrieb ich erst einmal an meine liebe Tochter Marianne. Mitte April erfuhr ich, dass unser lieber guter Sohn Johannes mit 19 Jahren gefallen ist, bereits am 17.01.1945. Es kam mein letzter Brief zurück mit dem Vermerk „Fürs Vaterland gefallen“. Das war erschütternd, dazu die ganze Vaterlandslüge. Am 8. Mai 1945 kam der völlige Zusammenbruch. Die Russen kamen in Scharen in den Hof. Nun die Sorge um die liebe Tochter Marianne, die dann Ende Mai glücklich ankam. Mit dem Betten-Lehmann aus Jüterbock bei Berlin, der dann nach 14 Tagen wieder abfuhr mit dem Rade. Nun war ich froh, dass ich Gewissheit hatte über die liebe Tochter, die dann bei uns war, bis sie nach Altenberg ins Krankenhaus ging.

Herr Härtel, unser Werkmeister, ist mit seiner Familie im Großen Garten umgekommen. Und Herr Goll ist auf der Bürgerwiese und Frau Heine mit Wolfgang und Gisela sind im Luftschutzkeller durch Phosphorkanister umgekommen. Der Kriegsgefangene Robert war mit seinen Kameraden auf der Wormser Straße ausgebombt. Er kam bei Weißig nach Bühlau zu einem Bäckermeister, wo ich ihn gern besuchen wollte, aber durch die Verkehrsschwierigkeiten kam ich nicht dazu. Am 8. Mai war der Zusammenbruch, wo alle Gefangenen fort sind, auch Robert. Er ist in seiner Heimat durch die Entbehrungen auf der Heimreise im August oder September gestorben, danach auch seine Frau, die krank war. Seine Tochter Gisela, die schneidern lernte, ist von ihrer Großmutter großgezogen wurden.

[Bearbeiten] Erlebnisbericht zum 13. Februar 1945 von Heinz Bergmann (Jg. 1938), Altstriesen 12

Zum Zeitpunkt des Angriffs auf Dresden war ich im Alter von knapp sieben Jahren, also noch ein Kind, und als solches habe ich die Schreckensnacht erlebt, wobei sich Erinnerungen von denen Erwachsener unterscheiden. Zu einem anderen Teil ist der Erlebnisbericht durchsetzt von Erzählungen meiner Eltern oder deren Freunde und Bekannte über die Angriffsnacht im Gebiet von Altstriesen.

In den Wochen vor dem Angriff auf Dresden hörte ich aus den Gesprächen der Erwachsenen und natürlich besonders meiner Eltern heraus, dass die Front und die Russen immer näher kamen. Was Front bedeutet, wusste ich damals nicht so recht, natürlich hatte es etwas mit dem Krieg zu tun. Und Kriegspielen hatte man ja selbst als Kind gelernt. Ich besaß kleine Spielzeugsoldaten, ein Flakgeschütz aus Holz und allerlei Militärfahrzeuge, mit denen ich auf dem Fußboden in unserem Wohnzimmer, in der Stube, spielte. Ein weiteres Inhaltsmoment, das ich den mitgehörten Gesprächen entnehmen konnte, waren Flüchtlinge. In unserem Haus selbst waren keine Flüchtlinge untergekommen. Das Haus (Altstriesen 12) war ein kleines Haus, das nach der Zerstörung von Striesen 1813 im Napoleonischen Krieg wieder aufgebaut worden war und nur kleine Wohnungen aufwies. Unsere Wohnung war mit zwei Zimmern und einer kleinen Küche für eine aus drei Personen bestehende Familie viel zu klein. Bei den anderen Mitbewohnern war es ähnlich, so dass wir im Hause keine Flüchtlinge aufzunehmen hatten.

Im Zusammenhang mit den Flüchtlingen und der Flucht stand die inhaltliche Verbindung, man muss sein Zuhause verlassen. Obwohl für uns ein solcher Notfall nicht unmittelbar bevorstand, hatte er doch meinen kindlichen Gedankengang dahingehend beeinflusst, dass ich mir Sorge um mein geliebtes Spielzeug machte. Ich fand erst wieder Ruhe, als mir meine Eltern einen kleinen Rucksack gaben, in dem ich meine Lieblingsspielsachen unterbringen konnte. Dazu gehörte vor allen Dingen mein Teddy, der oben auf der Verschlussklappe befestigt wurde. Im Rucksack befanden sich unter anderem auch die Spielzeugsoldaten und das Flakgeschütz. Jedes Mal, wenn ich mein Spiel beendet hatte, wurde das Spielzeug nicht etwa wie üblich in eine Kiste weggepackt, sondern in den Rucksack gesteckt, der griffbereit in einer Ecke im Wohnzimmer stand. Damit fühlte ich mich fluchtbereit.

Seit Ostern 1944 ging ich in die erste Klasse in die Junghansschule (Hans-Schemm-Schule). Meine Mutter stand stets höchste Ängste aus, wenn am Tage Fliegeralarm gegeben wurde. Der Weg zur Schule war genau vorgegeben, und auch die in Frage kommenden Luftschutzkeller auf dem Schulweg ihr bekannt, so dass sie mich suchen konnte. Aus den Rundfunknachrichten, die mein Vater noch vor meinem Zubettgehen hörte - welcher Sender das nun war, vermag ich nicht zu sagen - ist mir die Formulierung in den Nachrichten „... starke Bomberverbände im Anflug auf Magdeburg/Braunschweig ...“ noch unheildrohend in Erinnerung. Erst einige Zeit nach dieser Meldung ließ es sich den Nachrichten entnehmen, wo das Ziel der Bomber zu vermuten war.

Vor einem Luftangriff hatte ich eigentlich keine Angst, weil ich aus den Gesprächen meiner Eltern und anderer Erwachsener auch entnehmen konnte, dass die alten Altstriesener Häuser wohl kein lohnenswertes Ziel für einen Angriff sein würden und wir zu weit von der Innenstadt entfernt wohnten. Es muss wohl im Herbst 1944 (Oktober 1944) gewesen sein, als ich mit meiner Mutter in der Stadtmitte und in der Neustadt war, um mit ihr zum ersten Male in meinem Leben Ruinen und Bomben geschädigte Häuser anzusehen, die das Opfer erster Angriffe auf Dresden gewesen waren. In den Trümmern und halb zerstörten Häusern kletterten Menschen umher, holten Möbel und Sachen heraus oder räumten Schutt weg. Für mich war es ungeheuer interessant, dies alles zu beobachten, und ich konnte mir gar nicht vorstellen, dass man Häuser derart zerstören kann. Wir blieben dort nicht lange, meine Mutter machte ein sorgenvolles Gesicht.

Der 13. Februar 1945 war ein Faschingsdienstag. Wir Kinder von Altstriesen feierten den Fasching, wie eben Kinder dies in diesem Alter tun, unbeschwert, denn vom Krieg war für uns wenig zu spüren. Es gab sogar kleine Faschings- und Scherzartikel, und meine Mutter hatte mir in einem Geschäft in den Wettinhäusern, die den alten Altstriesener Häusern gegenüber auf der Nordseite des Platzes lagen, eine Halbmaske gekauft. Sie war grün und verdeckte Augen und Nase, nach unten hingen einige Fransen. Ich kann mich noch gut erinnern, dass ich neben meiner Mutter stand, als sie sich mit einer Frau unterhielt, die einen Kinderwagen bei sich hatte. Ich beobachtete das Treiben der Kinder, das ich zuvor auch mitmachte und später noch mitmachen wollte. Das Gespräch der beiden interessierte mich wenig, ich vernahm nur einige Wortfetzen, die ich eigentlich schon kannte: Die Russen kommen näher, immer mehr Flüchtlinge aus Schlesien.

Im Zweiten Weltkrieg wurde der bis dahin mit Kleingärten und dem Wettin-Denkmal bebaute Platz Altstriesen, an dessen Südseite sich noch die alten Häuschen und Bauernhöfe befanden und dessen Nordseite bereits moderne vierstöckige Häuser (Wettinhäuser) aufwies, vollkommen umgestaltet. Der östliche Teil des Platzes erhielt einen Bunker (Splitterschutzgraben), um die Bevölkerung speziell der kleinen Häuser, die keinen Keller besaßen, im Falle eines Luftangriffs aufzunehmen. Der Bunker war nicht sehr tief und konnte bestenfalls vor Brandbomben und Splittern schützen, einen Volltreffer hätte er nicht ausgehalten. Auf dem westlichen Teil des Platzes wurde ein Wasserbecken errichtet, das Wasser für Löschzwecke bereitstellen sollte. Der Beckenrand zur Wasserentnahme war aber nur über steile Stufen zu erreichen, und für das Löschen musste eine Eimerkette gebildet werden. Beim Angriff auf Dresden erwies sich das Wasserbecken als wenig nützlich.

Meine Mutter war dienstverpflichtet und musste Luftschutztaschen nähen, anfangs in einer Fabrik, dann aber konnte sie ihre Arbeit zu Hause in Heimarbeit an ihrer Nähmaschine verrichten. Es waren einfache Taschen aus irgendeinem Stoff zum Umhängen, in die man allerlei verstauen konnte. Durch ihre Heimarbeit hatte sie den Vorteil, abgesehen vom Holen und Hinbringen der Arbeitsaufträge, immer zu Hause zu sein. Mein Vater arbeitete als Autoelektriker bei der Firma Kreß, ganz in der Nähe unserer Wohnung auf der Borsbergstraße 39. Er war nicht in den Krieg eingezogen, weil er vom Ersten Weltkrieg her Invalide war. Damit hatte ich das Glück, dass meine Eltern und ich beisammen waren.

Mein Vater kam wie üblich nach der Arbeit am 13. Februar nach Hause, und wir haben gemeinsam Kaffee getrunken und sicherlich auch Pfannkuchen gegessen, die aus der Bäckerei Troschütz (Altstriesen 23) stammten. Jedenfalls landete das Kaffeegeschirr in der Küche in unserem eisernen Küchenherd, der eine kleine Backröhre für das Kuchenbacken hatte. Klappe auf, Geschirr hinein, und Klappe wieder zu. Das Geschirr war weg, und in der Küche war Ordnung. So ging es auch mit dem Geschirr, das wir zum Abendbrot benutzten, und da wir nur eine Suppe aßen, waren es tiefe drei Teller nebst drei Löffel.

An und für sich hatten meine Eltern vor, an diesem Abend mit einem befreundeten Ehepaar in die Stadt (FüLi, Striesener Straße?) ins Kino zu fahren. In welches Kino weiß ich heute nicht mehr, aber immerhin wären sie weit weg gewesen und ich allein bzw. in Obhut von Tante Liesel, die Altstriesen 8 wohnte und mich oftmals tagsüber betreute. Aber aus dem Kinobesuch wurde - glücklicherweise - nichts, weil im Rundfunk der Kommentator Hans Fritzsche sprach, den die Freunde meiner Eltern unbedingt hören wollten. Diesem Umstand ist zumindest die Tatsache zu verdanken, dass meine Familie in der Angriffsnacht nicht getrennt war. Meine Eltern hätten es während der Angriffe sicherlich nicht geschafft, nach Hause zu mir zu kommen.

Meine Mutter hatte mich dann zu gegebener Zeit ins Bett gebracht, und ich schlief auch schon fest, als sie mich plötzlich aus dem Bett nahm und in der Stube auf einen Stuhl stellte. Schlaftrunken wurde ich angezogen, denn mein eigenes Zutun zum Anziehen war sicherlich viel zu langsam. Über dem Stuhl hing unsere Wanduhr in Form eines Regulators, auf der ich die Zeit von etwa 21.30 Uhr ablesen konnte. Noch ehe ich richtig erfasst hatte, dass es sich um einen Fliegeralarm handelte, war ich schon angezogen. Ich nahm den gepackten Rucksack mit meinem sich darin befindlichen Lieblingsspielzeug, und ab ging es aus der Wohnung heraus, aus dem Haus heraus in den Hof und von dort nach hinten in das Grundstück Prinzengäßchen 3 in das Haus und in die Wohnung der Familie Breiholz, wo Johanna Breiholz und ihre Tochter Renate, mit der ich oft spielte, anwesend waren.

Unser Haus hatte keinen Keller, deshalb suchten wir den Keller der Familie Breiholz auf, der von deren Küche aus durch eine große Klapptür zu betreten war. Eine Treppe führte in den Keller, der sich unter der Küche befand. Dort angekommen, vernahmen wir auch schon, dass es diesmal ernst wurde: Es fielen Bomben, spürbar an Explosionen und Erschütterungen, und nicht nur ein paar, sondern fortwährend über einen längeren Zeitraum. Ob ich Angst hatte, kann ich heute nicht mehr sagen, aber frohen Mutes war ich sicherlich nicht. Im Keller habe ich meinen Rucksack, den ich auf den Rücken getragen hatte, abgelegt, und zwar so ungünstig, dass ich ihn später wohl vergessen haben musste.

Der Keller war meinen Eltern wohl zu unsicher, denn - wie wir später rekonstruierten - nach dem ersten Angriff verließen wir ihn und gingen in Richtung des Platzes in Altstriesen, um im so genannten Splitterschutzgraben auf dem Platz Schutz zu suchen. Im Keller wären wir - wie es sich später herausstellte - umgekommen, da beim Abrennen des Hauses auch die Kellertür Feuer fing, nachgab und Feuerglut in den Keller fiel. Selbst am nächsten Tag war die Glut noch vorhanden, wie der Bruder von Johanna Breiholz feststellte und zunächst vermuten musste, dass seine Verwandten umgekommen sind.

Vor dem Eingang der Breiholzschen Wohnung befand sich ein hölzerner Vorbau, den der Luftdruck einer Bombenexplosion weggerissen hatte. Überall brannte es, und auch unser Haus hatte Feuer gefangen. Das Gesicht musste man beim Laufen vor dem immer währenden Funkenflug schützen, und durch das Feuer war eine sturmartige Luftbewegung entstanden, die Gegenstände, meist brennend, mit sich fort trug. Das brennende Holz vom Lagerplatz Spalteholz trug wesentlich zur Feuerausbreitung bei.

Auf dem Weg in den Splitterschutzgraben kamen wir durch unseren Hof am Schuppen vorbei, in den mein Vater schnell hineinging, um unsere Kaninchen freizusetzen. Ob sie rechtzeitig das Weite suchten, ließ sich nicht mehr feststellen. Im Schuppen standen auch zwei Motorräder meines Vaters, eine NSU und eine Zündapp. Im Schuppen stand auch mein Kinder-Tretauto, das mir mein Vater gebaut hatte. Es war mit einem Akku ausgestattet, der eine fachmännisch aufgebaute elektrische Anlage mit Beleuchtung und kleinen Scheinwerfern versorgte. Das Auto erregte unter den Kindern große Aufmerksamkeit, wenn ich auf dem Platz damit fuhr. Ich brauchte oftmals gar nicht zu treten, denn es fanden sich immer ein paar Kinder, die das Auto mit mir darin gar zu gern schoben, vielleicht auch in der Hoffnung, selbst auch einmal fahren zu dürfen.

Der Splitterschutzgraben auf dem Platz war ein einfacher Bunker mit nur wenigen Metern Erde über der Decke. Er sollte den Bewohnern von Altstriesen Schutz bei einem Fliegerangriff bieten, denn viele der alten kleinen Häuser hatten keinen eigenen Keller, und wenn einer vorhanden war, so entsprach er nicht den Sicherheitsanforderungen. Einer Sprengbombe hätte der Keller nicht standgehalten, aber für die zahllos fallenden Brandbomben und die Druckwellen, die bei den Explosionen der Sprengbomben entstanden, bot er ausreichend Schutz.

Den Splitterschutzgraben haben wir auch ohne große Mühe erreicht, auch die Familie Breiholz war mit dabei. Wir saßen längs eines Ganges auf Holzbänken, und als die Männer zum Löschen den Bunker verlassen wollten, wurden sie daran gehindert, weil bereits der zweite Angriff einsetzte, der sich durch einen stärkeren Bombenabwurf, vermischt mit Sprengbomben, bemerkbar machten. Eine solche Sprengbombe schlug in den hinteren Teil unseres Nachbargrundstücks, Altstriesen 14, und in das Haus meiner Tante (Elfriede Moor), Altstriesen 19, ein. Dieses Haus befand sich links neben dem ersten Grundstück der vierstöckigen Wettinhäuser. Meine Tante befand sich zu dieser Zeit gerade bei meiner anderen Tante, ihrer Schwester, in Bischofswerda, sonst wäre sie mit den Hausbewohnern umgekommen. Vom Haus ist nichts übrig geblieben, nur ein großer Trichter war später vorzufinden.

Im Splitterschutzgraben hatten sich viele Leute aus der näheren Umgebung eingefunden. Durch die Tage vorher statt gefundene Schneeschmelze stand im Keller das Wasser etwa 10 cm hoch. Jemand hatte sogar seine Ziege mitgebracht, die mitten im Gang stand, der durch eine ständig flackernde Lampe spärlich erhellt wurde. Die Ziege stammte, wie sich später herausstellte, aus dem Gut Müller/Karger, Altstriesen 18, die Leute aus dem Grundstück waren auch mit im Splitterschutzgraben. Das Ehepaar Karger verließ den Graben in der Zeit zwischen den Angriffen, um in Altgruna bei Verwandten einen Handwagen zu holen, den sie mit geretteten Koffern beladen wollten. Auch Frau Lose mit Karlheinz und Erika aus dem Striesener Ratskeller (Altstriesen 10) waren mit dabei. Im Splitterschutzgraben haben wir die ganze Nacht verbracht, und von den Männern, die in der Nähe der Eingänge standen, erfuhren wir einiges über das Geschehen von draußen. Als wir gegen Morgen den Splitterschutzgraben verließen, war unser Haus abgebrannt. Das lähmende Entsetzen darüber ließ meine Eltern und mich verstummen.

Zum Glück war meine Familie unverletzt und beisammen. Wir liefen über Trümmerteile, stolpernd und brennende Gegenstände umgehend über die jetzige Rosa-Menzer-Straße, den Barbarossaplatz, die Hüblerstraße zum Schillerplatz, dann über die Loschwitzer Brücke, den Körnerplatz und die Pillnitzer Landstraße zu einer befreundeten Familie meiner Eltern, die uns freundlich aufgenommen haben. Je weiter wir uns von Striesen entfernten, umso geringer wurden die Angriffsschäden. Auch die Familie Breiholz, das heißt Tante Hannel und Renate, sind mit uns gegangen, später in den nächsten Tagen aber weiter in Richtung Weißig weiter gezogen.

Als wir bei unseren Freunden in der Pillnitzer Straße 47 ankamen, bemerkte ich voller Schrecken, dass mein Rucksack weg war. Ich hatte ihn im Breiholz-Keller liegen lassen oder auf dem Weg in den Splitterschutzgraben verloren. Mein Schmerz war groß, besonders weil mein geliebter Teddy abhanden gekommen war. Auch das andere Spielzeug fehlte. Auf der Pillnitzer Landstraße erlebten wir den Mittagsangriff am 14. Februar, bei dem Bomben auf den Schillerplatz und die Loschwitzer Brücke fielen. Zu unserer Sicherheit hatten wir den Luftschutzkeller im Künstlerhaus aufgesucht.

In den folgenden Tagen kehrte mein Vater einige Male zu Fuß zu unserem nun nicht mehr existierenden Haus zurück, um nach noch verwendbaren Dingen zu suchen. So fand er zur Überraschung und Freunde meiner Mutter das Geschirr, das sie am Dienstag anstatt aufzuwaschen kurzerhand in die Röhre des eisernen Ofens in die Küche gestellt hatte. Der Ofen hatte das Feuer überstanden, auch die auf den Ofen fallenden Trümmerteile. Da unser Haus nur einstöckig gebaut war, befanden sich am Boden nicht allzu hohe Trümmerschichten. So fand er am Ort, an der sich die Wohnungseingangstür befand, unser Namensschild, und an der Stelle meines Schrankes eine Uhr, die ich später mal erhalten sollte. Sie war aber zusammengeschmolzen, ebenso wie einige Hindenburg-Silbermünzen, die sich im selben Schrank befunden hatten.

Unser Garten befand sich im hinteren Teil unseres Grundstückes und hatte eine Gartenlaube, in der mein Vater für mich an der Wand ein Lenkrad, Hebel und einige Schalter installiert hatte, so dass ich „Auto“ spielen konnte. Das tat ich auch sehr gern, und es war für mich und meine Spielkameraden eine große Attraktion, denn sie besaßen so etwas nicht. Der 13. Februar war ein sehr milder Wintertag mit etwas Sonnenschein und ohne Schnee. Meine Mutter hatte Socken gewaschen und sie in der Laube aufgehängt. Diese Socken, versetzt mit Brandflecken durch den Funkenflug, und einige schmutzige Wäsche, die sich in einer Kiste in der Laube befand, brachte mein Vater auch nach dem Angriff eines tags auf die Pillnitzer Landstraße zur großen Überraschung meiner Mutter mit. Dieses wenige Geschirr und einige Wäschestücken, die wir von unseren Freunden erhielten, bei denen wir in der Pillnitzer Landstraße Quartier bezogen hatten, war der Beginn für unseren neuen Haushalt, den meine Eltern in mühevoller und jahrelanger Kleinarbeit erneut aufbauen mussten.

Die Familie Käppler, die vorn in unserem Haus wohnte, hatte sich in ihrem Garten, der vor unserem lag, einen Mini-Bunker gebaut. Es war ein einfacher Erdaushub im vorwiegend sandigen Boden, ausgeschlagen mit einigen Brettern und Balken und einer Holzdecke, über der sich ungefähr ein Meter Sand befand. Meine Eltern hatten Herrn Käppler gebeten, einen Koffer von uns mit einigen Kleidungsstücken und Erinnerungsstücken mit in den Keller zu nehmen. Aber leider hielt er sich nicht an seine Zusage. Der Koffer blieb wegen „Platzmangels“ vor dem Bunker stehen und soll mit verbrannt sein. Meine Eltern glaubten dieser Aussage wenig.

Weiter folgende Angriffe und die Angst vor ihrer Fortsetzung führten dazu, dass viele Ausgebombte unter dem Motto „Raus aus dem Hexenkessel“ Dresden verließen. Bis zum 17. April, an dem der letzte Angriff auf Dresden geflogen wurde, musste Dresden insgesamt acht Angriffe erleiden, die auch in mehreren Wellen angeflogen wurden. Auch wir haben alsbald Dresden verlassen, um in Bischofswerda im Haus meiner Tante und meines Onkels unterzukommen und dann weitere kriegsbedingte Strapazen erleben zu müssen. Neben dem Verlust unserer Habe, unseres Heims und meiner Spielsachen bedeutete für mich die Folgen des Angriffs auch den Verlust meiner Schulkameraden, Freunde und Spielkameraden. Denn, obwohl sie vielleicht nicht umgekommen waren, für mich waren sie nicht mehr vorhanden. Meine bisher gewohnte Umwelt mit den vertrauten Menschen und Dingen gab es nicht mehr.

Besonders betroffen machte mich die Tatsache, dass wir nicht wussten, was aus meiner Tante Liesel (Elisabeth und Kurt Thalheim sowie Wolfgang Weise) und ihrer Familie aus Altstriesen 8 geworden war. Wir hatten sie im Graben nicht gesehen, und auch am nächsten Tag fanden wir kein Anzeichen von ihr. Erst viel später haben wir erfahren, dass sie sich alle retten konnten. Die drei waren während des ersten Angriffs im Splitterschutzgraben gewesen und hatten ihn danach verlassen, um das Rasierzeug für Onkel Kurt aus der Wohnung (Altstriesen 8, 1. Etage) zu holen. Wolfgang beschaffte sich dazu eine Leiter aus der Nr. 6 vom Stellmacher Richter und stieg vorn an der Giebelseite zum Fenster in der ersten Etage. Aber noch bevor er oben ankam, zerbarst die Scheibe des Fensters in der Hitze der Flammen, die bereits die erste Etage erreicht hatten. Wolfgang musste umkehren. Damit stand auch fest, dass schon nach dem ersten Angriff die Brandbomben für die Ausbreitung des Feuers in vielen Häusern gesorgt hatten. Die drei erlebten dann den zweiten Angriff in einer Gaststätte auf der Tittmannstraße, wo Tante Liesel unter einen Billardtisch gekrochen war.

Von meinen Schulkameraden habe ich nie wieder etwas erfahren. Auch einige Spielkameraden, wie zum Beispiel Harald und Manfred, die beiden Jungs der Familie Wünsche vom Prinzengäßchen 1, obwohl sie den Angriff überstanden haben, habe ich nie wieder gesehen. Im Herbst 1945 sind wir nach Dresden zurückgekehrt und wohnten für wenige Tage auf der Ermelstraße bei einem Freund meiner Eltern, ehe wir auf der Borsbergstraße 3 ein Zimmer zugewiesen bekamen.

[Bearbeiten] Erlebnisbericht zum 13. Februar 1945 von Johannes Müller (Jg.1933), Altstriesen 4

Johannes Müller hatte am 13. Februar vormittags die Schule besucht. Eingeschult in die 25. Pohlandschule, die später Lazarett wurde, ging er in die Junghansschule, und als diese auch zum Lazarett wurde, in die Schule auf der Hoffmann-/Ludwig-Hartmann-Straße. In der Schule wurde ein wenig Fasching begangen. Hans war ein begeisterter Modellbauer und hatte in der Küche Flugzeugmodelle aus Pappe aufgehängt, die von den Jungen aus der Nachbarschaft bewundert wurden. Die kleineren Jungen durften sie jedoch nur bestaunen und nicht anfassen. Hans sammelte auch Abzeichen des Winterhilfswerks und sprach dazu Leute an, die aus dem Filmtheater Gloria-Palast auf der Schandauer Straße nach der Vorstellung nach außen traten und offenbar solche Abzeichen erworben hatten.

Im Haus wohnte oben die Familie Meier und mit zwei Söhnen. In dem Grundstück ganz hinten befand sich die Kohlenhandlung Steglich. In dieser Kohlenhandlung hat Herr Schröder aus der Geisingstraße 4 bis zu seiner Einberufung als Kraftfahrer gearbeitet. Steglichs hatten auch eine Tochter Gisela und wohnten gleich am Markgraf-Heinrich-Platz links im ersten Hauseingang im Erdgeschoss.

Während des ersten Angriffs befanden sich die Müllers im Keller des Hauses Altstriesen 4, und zwar die Mutter, Hans und der zweijährige Bruder Werber. Der Vater war als Soldat eingezogen. Auch die anderen Hausbewohner, die Frau Lehmann mir ihrer etwa 14jährigen Tochter und die Frau Meier mit ihren beiden Söhnen, hatten im Keller Schutz gesucht. Nach dem Angriff mussten sie (Mutter, Hans, zweijähriger Bruder) den Keller verlassen, da sich Rauch und Brände entwickelt hatten. Auf der Kellertreppe löschten sie mit einem Sandsack eine Stabbrandbombe. Als sie den Keller verlassen hatten, branden bereits die kleinen Dorfhäuser, auf der Straße lagen Brandbomben. Die zwei großen Töchter der Familie Schröder aus den benachbarten kleinen Häuser von Altstriesen veranlassten, dass Familie Müller mit in den Splitterschutzgraben auf dem Platz Altstriesen gingen, wo sie den zweiten Angriff erlebten. In den Graben drang Wasser ein, das offenbar aus dem Löschwasserbecken stammte. Am Morgen liefen die Müllers zusammen mit Schröders in Richtung Strehlen und erlebten den Mittagsangriff am 14. Februar gegenüber der Palucca-Tanzschule auf der Karcherallee. Müllers machten dann nach Radebeul.

Johannes Müller lernte kurz nach dem Krieg Werkzeugmacher bei Zeiss Ikon, qualifizierte sich weiter und war bis zum Altersübergang in den Jahren 1991/92 ununterbrochen bei Pentacon beschäftigt. In seiner Lehre lernte er auch Gertraude Streubel aus Altstriesen 27 kennen, von der auch ein Bericht zum Angriff (s.u.) vorliegt.


[Bearbeiten] Erlebnisbericht zum 13. Februar 1945

[Bearbeiten] von Brigitte Niederschuh (verh. Kaden, Jg. 1938), Altstriesen 24

Wir wohnten in Dresden, Altstriesen 24, und mein Vater Willi Niederschuh (1897 bis 1992) betrieb als Handwerksmeister die dortige Schmiedewerkstatt. Mein Vater hatte als Geselle vom Vorgänger die Schmiede nach dessen Freitod übernehmen können. Mein Vater wurde nicht eingezogen, da er an den Füßen erkrankt war. Im Ersten Weltkrieg hatte er sich als ein Experte im Beschlagen von Pferden erwiesen, eine Tätigkeit, die ihn sein Leben lang begleitete. Ich selbst wurde im Jahre 1944 eingeschult, besuchte aber die Schule krankheitshalber selten. Im Hause Altstriesen bewohnten wir die erste Etage und hatten sogar ein Bad, ein nicht alltäglicher Komfort in den alten kleinen Dorfhäusern. Der Mitbewohner Schuhmacher Glaser war zum Zeitpunkt des Angriffs bereits ausgezogen.

Am Nachmittag des 12. Februar 1945 bekamen wir einen Anruf vom Hoffmanns Kinderheim aus Kipsdorf (Erzgebirge), dass nach langem Warten Kurplätze frei geworden sind und ich mit meinen sechs Jahren sofort zur Erholung kommen könne. Da ich mich nicht gern vom Fastnachtstrubel am nächsten Tag trennen wollte, flossen Tränen, als mich meine Mutter Sidonie (1903 bis 1980) noch am selben Abend mit der Kleinbahn nach Kipsdorf brachte. Sie konnte im Heim übernachten und musste von Kipsdorf mit ansehen, wie Dresden, wo sie Ehemann und Sohn Kurt (1933 bis 1965) zurückgelassen hatte, bombardiert wurde. Mit dem ersten Zug in der fünften Morgenstunde fuhr sie bis Hainsberg und lief dann durch die brennende Stadt nach Altstriesen. Dort fand sie Ehemann und Sohn wieder, aber ein völlig ausgebranntes Wohnhaus sowie die ausgebrannte Schmiedewerkstatt.

Im Garten des Grundstücks war eine Sprengbombe eingeschlagen und hatte auch die frisch gefüllten Gas- und Sauerstoffflaschen der Schmiedewerkstatt zur Explosion gebracht. Mein Vater und mein Bruder hatten im Keller des Wohnhauses Unterschlupf (beide Angriffe) gefunden, aber die Falltür im Flur war durch herab stürzenden Schutt verschüttet und konnte nicht mehr geöffnet werden. Meinem Bruder Kurt gelang es, durch ein schmales Kellerfenster zu kriechen, von oben den Schutt abzutragen und seinen Vater aus dem Keller zu befreien. Nun versuchten sie aus dem brennenden Haus noch Sachen auf den Hof zu werfen, aber auch dort ist alles verbannt. Mit einem Köfferchen, ansonsten nichts, haben sie sich nach Radeberg und später nach Wünschendorf bei Pirna zu Verwandten durchgeschlagen. Sieben Wochen hat mein Aufenthalt in Hoffmanns Kinderheim gedauert, und als ich dann auf dem Wege „nach Hause” durch Dresden fuhr, ist mir mein Entsetzen über die Schuttberge und Ruinen noch heute erinnerlich. Gut kann ich mich auch noch an Frau Petermann (Altstriesen 30), die am Prinzengäßchen wohnte, erinnern. Sie überlebte den Angriff, und wir hatten bis zu ihrem Tode Verbindung. Es handelte sich um die Maria Petermann, die zweite Frau von Ernst Otto Petermann. Erinnerungsfotos sind alle verbrannt, und die wenigen Familienbilder bekamen wir von Verwandten.

Mein Vater wollte seine Tätigkeit als Schmied für den Lebensunterhalt fortsetzen und konnte dazu eine Schmiede in Schmiedeberg erst zur Pacht und dann als Eigentum übernehmen. Dort bin ich auch aufgewachsen. Meine Eltern haben mich im September 1945 in Schmiedeberg nochmals eingeschult, da ich in Dresden das erste Schuljahr so gut wie nie besucht habe. Mein Vater hatte auch ein Angebot aus Bayern, wollte aber nicht dahin übersiedeln. In der Schmiede fanden der Amboss aus der Schmiede in Altstriesen 24 und ein Elektroofen nach seiner Reparatur ihren Platz. Im Ofen hat meine Mutter noch viel Kuchen gebacken. Unser Grundstück in Altstriesen 24 wurde nach dem Krieg noch als Garten benutzt und später an die Stadt verkauft. Frau Kaden lebt heute in Ulbersdorf (Dippoldiswalde) und hat vier Kinder.

[Bearbeiten] Erlebnisbericht zum 13. Februar 1945 von Günther Möller (Jg. 1937), Altstriesen 5

Das einstöckige Haus Altstriesen 5 stand links neben einer Einfahrt in den Hof des Grundstücks, dahinter befand sich ein Schuppen mit dem Pkw der Fleischerei und ein querstehendes Gebäude, als Marstall (Papierrollen-Lager) bezeichnet, mit einer runden Uhr. Gleich rechts vom Grundstück stand das Haus Nr. 7, etwas zurückgesetzt, da sich vor dem Haus ein flacher Geschäftsanbau anschloss. Hinter dem Geschäftsanbau (Fleischerei Möller) befand sich im Erdgeschoss des Hauses eine Küche mit Ausgang in Richtung des Hauses Nr. 5. Die Nummer 5 musste sich etwas ducken, denn links neben ihr stand ein vierstöckiges Haus, sozusagen als Vorbote, wie Altstriesen nach Bauplänen einmal umgebaut werden sollte. Eigentümer der Grundstücke und Häuser von Nr. 1 bis 19 war die Stadt Dresden, die damit ihre Baupläne relativ einfach durchsetzen konnte.

In Nr. 5 wohnte Hans Möller mit Frau Antonie und den Söhnen Günther und Siegfried im Erdgeschoss, in der ersten Etage Agnes Unruh mit ihrer Tochter Elisabeth und weitere Bewohner. Mein Vater, Hans Möller, ist im Einwohner-Verzeichnis 1935 und 1940 als Fleischer eingetragen und war als Soldat eingezogen. In Nr. 7 wohnte neben anderen Bewohner ein Schuhmacher Henze mit Frau und Schwester. Der Schuhmacher soll beim Angriff an Rauchvergiftung gestorben sein. Am 13. Februar 1945 wohnten in Altstriesen Nr. 5 nach meiner Erinnerung Möller, Antonie (geb. 22. September 1905, verstorben 12. November 1984), Möller, Günther (geb. 9. Juni 1937), Möller, Siegfried (geb. 1. März 1939), Möller, Hans (geb. 29. Juni 1907, damals Soldat gest. 28. März 1945 in russischer Gefangenschaft), Frau Unruh und Tochter Elisabeth (Obergeschoss).

Die Erinnerungen zum 13. Februar 1945 sind trotz der vielen Jahre kaum verblasst, weil ich oft daran gedacht habe. Radio London, der Sender der BBC, soll damals den Spruch „Ihr Dresdner, ihr kleinen Zwerge, kommt zuletzt in die Särge“ veröffentlicht haben. Der 13. Februar war Fachschingsdienstag und einige Kinder aus der Nachbarschaft liefen am Tage noch mit ihren Kostümen herum. Einige Tage vor dem 13. Februar hatte ich noch eine Frau und ihre kleine Tochter mit einem Judenstern in Altstriesen gesehen, die vielleicht in Haus Nr. 3 gewohnt hatten. Vielleicht hat denen der Angriff das Leben gerettet?

Jedenfalls hatte unsere Mutter den Fliegeralarm am 13. Februar 1945 offenbar sehr ernst genommen. Wir mussten uns sehr schnell reisefertig anziehen und mit dem Notgepäck gingen wir in den kleinen Keller schräg gegenüber auf der anderen Hofseite von Haus Nr. 5. Wir waren dort ca. zehn Personen. Der keinesfalls bombensichere Keller hatte auch einen Notausstieg. Die Klappe war aus nur dünnem Blech und vibrierte mehrmals! Meine schrecklichste Erinnerung an diesen Ort besteht aus einem lauten Einschlag - wahrscheinlich von einer Sprengbombe - in der nächsten Nähe. Ich selbst hatte eins, zwei gezählt und die Luft angehalten. - Die dritte Bombe infolge fiel nicht! Als wir den Keller verließen, sahen wir die Christbäume. Es war fast taghell. Ich weiß nicht, was alles ringsum brannte. Nach dem zweiten Angriff, also nach 24 Uhr, flüchteten wir mit kleinem Gepäck vorbei am Marstall, in den Papierrollen eingelagert waren, durch die Häuser an der Wormser Straße in Richtung Waldpark, wo wir in einer Villa zusammen mit anderen Opfern kurze Zeit ausruhten. Weiter liefen wir über Zschieren bis Pirna, wo Militär-Lkws bereitstanden und Luftschutzhelfer sich um die Flüchtlinge bemühten.

In Bad Gottleuba wurden wir zunächst in der Turnhalle der Schule untergebracht. Das war die erste Etappe nach Verlust von fast allem Hab und Gut. Einige Tage danach fuhren wir mit der Bahn in das zerstörte Dresden. Von Haus Altstriesen Nr. 5 war nur eine kleine Ruine übrig geblieben. Brauchbare Gegenstände waren nicht auffindbar. Ich erinnere mich an ein geschmolzenes, also durch Hitze verformtes Einweckglas! Ich weiß nicht, wie unsere Mutter diese unumkehrbare Tatsache verkraftet hat. Wie groß all dieser Verlust für unsere Familie war, haben wir Kinder damals nicht in vollem Umfang begriffen.


[Bearbeiten] Bericht über die Erlebnisse des Ehepaars Alfred Mehnert, Geisingstraße 2

Im Haus auf dem Grundstück Geisingstraße 2 wohnte bis zum Luftangriff auf Dresden am 13. Februar 1945 das ältere Ehepaar Alfred Mehnert. Herr Mehnert war vom Beruf Elektrotechniker und bei der AEG beschäftigt. Das Haus war alt, stammte aus der Zeit des Wiederaufbaus von Altstriesen nach dem Brand von 1813 (Napoleon) und war dringend sanierungsbedürftig. Das Erdgeschoss war schon nass und nicht mehr bewohnbar, weswegen auch der Sohn mit Familie im Jahre 1936 in die Wittenberger Straße 86 ausgezogen war.

Das Haus selbst hatte keinen richtigen Keller, sondern nur einen kleinen Keller für Esswaren. Weiter waren zwei Trockenklos vorhanden. Das Waschhaus wurde über einen separaten Eingang vom Hof aus erreicht. Im Waschhaus konnte man baden. Das Wasser wurde im Waschkessel erwärmt und in eine Zinkbadewanne umgeschöpft. Die Badewanne hatte, vom Großvater gebaut, einen Hahn zum Ablassen des Badewassers.

Den Luftangriff auf Dresden erlebten die Großeltern Mehnert in einem Gartenhäuschen aus festen Steinen, das einem Nachbar gehörte, denn ihr Keller bot keinen richtigen Schutz. Der Großvater musste die Türe aufbrechen. Zum Zeitpunkt des Angriffs war die Großmutter auch noch krank. Da es nach der Angriffsnacht noch lange überall brannte, verbrachten die Mehnerts drei Tage im Gartenhaus, wo sie ausreichend zu essen hatten. Erst dann wagten sie sich, das Grundstück zu verlassen und auf die Wittenberger Straße 86 zu ihrem Sohn zu machen. Dort blieben sie auch bis zu ihrem Tode wohnen. Der Großvater starb im Jahre 1947, die Großmutter im Jahre 1951. Die mündlichen Aussagen zum Berocht stammen von Ingeborg Maiwald (verh. Böhmer, geb. 1925), der Tochter von Charlotte Mehnert und Martin Maiwald, der 1945 nach Angriff an Tbc gestorben ist.

Das Grundstück Geisingstraße Nr. 2 musste um 1948 an die Stadt verkauft werden. Auf dem Grundstück wurde ein großes Haus für Maschinenhandel in 50er Jahren gebaut. Vom Kaufpreis für das Grundstück wurde noch der Aufwand für die Entrümmerung abgezogen, der Großvater hat ungefähr 600 M erhalten. Den Garten hat er noch nach 1945 genutzt.


[Bearbeiten] Erlebnisbericht zum 13. Februar 1945 von Dietmar Schröder (Jg. 1934), Geisingstraße 4

Ich bin am 6. Juni 1934 in Kleinzschachwitz auf der Meußlitzer Straße geboren. Wann meine Eltern mit mir nach Altstriesen auf die Geisingstraße 4 gezogen sind, kann ich nicht sagen. Meine Kindheitserinnerungen beginnen ungefähr im Alter von vier Jahren. Mit sechs Jahren bin ich in die Schule gekommen und zwar in die Pohlandschule (25. Volksschule). Das war im Jahr 1940, und wenn ich mich recht entsinne, war es zu Ostern.

Die ersten zwei Schuljahre hatten wir Herrn Lindner als Klassenlehrer und anschließend Herrn Hermann. 1944 wurde es dann immer schlimmer mit dem Luftschutzalarm usw. und aus welchen Gründen auch immer, wir mussten dann einige Zeit in die Schule auf die Wägnerstraße gehen. Anschließend gingen wir dann in die 31. Volksschule Junghansstraße. Und zwar bis zum Angriff. Oft sind wir bloß zwei bis drei Stunden in der Schule gewesen. Dann kam Alarm und wir konnten nach Hause gehen. Mein Klassenzimmer in der 31. Schule lag in Richtung Schandauer Straße. Ich saß in der Fensterreihe und so konnte ich immer den Ernemannturm sehen. Man hatte nämlich auf den Ernemannturm mit einem spitzen Dach versehen und somit sah dieser wie ein Kirchturm aus. Und immer, wenn dort oben ein Türchen aufging und die Luftschutzwarte aufgeregt hin- und hergingen, haben wir gewusst, dass bald die Sirenen heulen werden und die Schule aus war. Das hat auch immer geklappt.

Wir wohnten auf der Geisingstraße 4 im Erdgeschoss links. Das Grundstück war ein alter Bauernhof. Über uns wohnte die Familie Furchbrich und in der 2. Etage eine Hutmacherin Timmel. Weiterhin eine Frau Menzel und noch eine weitere Frau, deren Namen ich aber nicht kenne. Im Seitengebäude auf der rechten Seite wohnten die Familie Bernhard und die Familie Klauschenz. Im Grundstück war auch ein Fuhrunternehmen und Aschegrubenräumer mit Pferdestall mit Namen Bergt zu finden.

Im Nachbarhaus Geisingstraße 6 wohnte die Familie Lieder. Mit Brigitte Lieder, der Tochter, habe ich oft zusammen gespielt. Gegenüber von uns in der Geisingstraße 1 wohnte eine Familie Schlechte. Sie hatte einen Sauerkirschbaum und, wenn geerntet wurde, bekamen wir Kinder immer eine Handvoll ab. Viel haben wir uns auch in Altstriesen 4 aufgehalten. Dort wohnte oben die Familie Meier und mit dem Sohn Gerhard war ich auch viel zusammen, ebenso mit dem Fritz und Hans Müller, die im Erdgeschoss wohnten. In dem Grundstück befand sich auch eine Kohlenhandlung Steglich. In dieser Kohlenhandlung hat mein Vater bis zu seiner Einberufung als Kraftfahrer gearbeitet. Steglichs hatten auch eine Tochter mit Namen Gisela. Steglichs wohnten gleich am Markgraf-Heinrich-Platz links im ersten Hauseingang im Erdgeschoss.

Dann gab es noch die Stellmacherei Richter, wo wir manchmal die Hobelspäne mit in die Säcke gestopft haben. Das hat natürlich großen Spaß gemacht. Richters hatten gegenüber ein Grundstück mit großen Birnbäumen und, wenn Erntezeit war, haben wir als Kinder das Fallobst aufgehoben und bekamen dann eine Tasche voll guter Birnen mit nach Hause. Auf diesem Grundstück hatten sich die Richters auch einen kleinen Luftschutzbunker gebaut.

Gut erinnern kann ich mich noch an den Bau des Löschwasserteichs und des Luftschutzbunkers auf dem Markgraf-Heinrich-Platz (Altstriesen) und an die Bäckerei Troschütz, wo wir uns immer Kuchenränder geholt haben, wo die Mutter den Kuchen zum Abbacken hingeschafft hat und wo man noch das Mehl lose kaufen konnte. Dann gab es das Molkereigeschäft Jarzumbek, das noch die Milch ins Haus brachte. An den Papierwarenladen und den Fleischer kann man sich deshalb gut erinnern, weil es immer etwas gab, wenn man mit der Mutter dort zum einkaufen kam.

Ich war 10 1/2 Jahre alt und mein Bruder 2 1/2, als am 13. Februar 1945 gegen 21.30 Uhr der Luftangriff auf Dresden begann. Mein Vater war als Soldat eingezogen, und meine Mutter auf sich allein gestellt mit zwei Kindern. Wir wohnten auf der Geisingstraße 4 in einem ehemaligen Bauernhof. Mich hatte die Mutter noch nicht ins Bett geschickt. Irgendwas lag in der Luft. Plötzlich holte meine Mutter meinen Bruder aus dem Bett, zog ihn an und dann ging es in den Luftschutzkeller. Ein tiefes Brummen lag in der Luft, und überall waren so genannte Christbäume am Himmel zu sehen. Der Luftschutzkeller war genau unter der Scheune, und dann ging es schon los.

Wir saßen zusammen mit anderen Hausbewohnern auf alten Holzbänken, und ich hörte nur Dröhnen und Krachen und die Erde bebte. Plötzlich hieß es: Wir müssen hier raus. Die Scheune und die Kellertür aus Holz brannten lichterloh. Meine Mutter hatte meinen Bruder auf dem Arm und nahm mich an die Hand und so gingen wir aus dem Keller hinaus. Unsere Richtung war der Platz von Altstriesen, wo sich ein Löschwasserteich und ein Bunker befanden. Auf dem Weg dorthin waren auf der Straße und überall Glutnester von Brandbomben und vom Phosphor (Brandgel) zu sehen. Dazu eine unheimliche Hitze, denn überall brannte es und es herrschte ein riesiger Feuersturm.

Als wir am Bunker ankamen, was dieser schon voll von Menschen und gleichzeitig knöcheltief voller Wasser. Da in den Bunker kein Hereinkommen mehr war, hat mir meine Mutter ein nasses Tuch vor die Augen gebunden, denn ich konnte vor lauter Rauch und Hitze nichts mehr sehen. So hat sie mich hinter sich hergezogen und immer meinen Bruder auf dem Arm gehabt. Ich weiß noch, dass alle an die Elbe wollten, und meine Mutter hatte das auch vor. Wir sind erst einmal bis zur Markgraf-Heinrich-Straße gekommen. Dort sind wir in einem Hausflur (Betten-Scholz) gewesen und haben uns ausgeruht und unsere Tücher wieder nass gemacht. Anschließend ging es weiter, und wir kamen bis zur Schule auf der Markgraf-Heinrich-Straße. In der Schule war ein Lazarett untergebracht. Dort haben wir dann in der Turnhalle zu ebener Erde den zweiten Angriff erlebt. Nach Aussagen meiner Mutter weiß ich, dass die verwundeten Soldaten immer wieder gelöscht haben, um die Schule und die Turnhalle vor dem Feuer zu retten. Dass wir nicht von Bomben getroffen wurden, war ein großes Glück für uns.

Am nächsten Tag ist meine Mutter mit Hilfe eines Soldaten zurück zu unserer Wohnung gegangen. Der Abstellraum im Erdgeschoss war noch nicht ganz ausgebrannt und so konnte sie den Kinderwagen und den Wäschekorb mit der schmutzigen Wäsche retten. Mit diesen unseren einzigen Habseligkeiten sind wir dann bis nach Kleinzschachwitz zu unserer Oma gelaufen.


[Bearbeiten] Erlebnisbericht zum 13. Februar von Frau Irene Hascher (Jg. 1931), Schandauer Str. 2

Zur Einleitung. In die Vergangenheit blickt man nicht zurück, sondern hinab wie in einen See. Mal kommt dies an die Oberfläche, mal das. Manchmal aber auch gar nichts.

Von Kaufleuten auf unserer Straße und anderen Bekannten

Ich, damals 14-jährig, wohnte mit meinen Eltern und meinem Großvater in Dresden-Striesen auf der Schandauer Straße Nr. 2. Im Haus Schandauer Str. 2 befand sich das Porzellan- und Glasgeschäft Gäbler im Erdgeschoss. Das Haus war ein Eckhaus, was das Anbieten von Waren in einem Geschäft durch Schaufenster begünstigte. Die großen Schaufenster waren Blickfänger für die Kunden. In Richtung Geisingstraße lag die Niederlassung der Firma Creutz, in unserem Haus auf der Schandauer Straße das kleine Gemüsegeschäft Hölzel und die Drogerie Ullrich. In der Nr. 4 waren ein Papierwarengeschäft (Herr Horn) und ein Fleischer zu finden. Das Schokoladengeschäft von Fräulein Gaitsch befand sich in Nr. 6. Dort musste ich auch, als ich so fünf oder sechs Jahre alt war, die Wohnungsmiete abliefern. Sie betrug monatlich 59,50 RM. Das war viel für eine 4-Zimmer-Wohnung im 4. Stockwerk (Küche, Bad, Toilette, Balkon, Wohnzimmer, Balkonzimmer, Schlafzimmer, Opa-Zimmer, Keller und Boden). Fräulein Gaitsch reichte mir, nachdem sie den Erhalt der Miete im Buch quittiert hatte, stets gönnerhaft ein Schokoladenplätzchen über den Ladentisch. Im Papierwarenladen von Herrn Horn wurden Radiergummis, Hefte, Zeichenblocks, Tinte, Schreibfedern, Buntstifte und mehr gekauft und von Herrn Horn sorgfältig und sehr langsam in einem alten Zeitungsbogen verpackt und übergeben.

Frau Hölzel betrieb einen kleinen Gemüse- und Obstladen in unserem Haus unten. In der Schandauer Str. 4 gab es einen Fleischerladen. Die Geräusche, die beim Zersägen von Knochen entstanden, hörten wir bei offenem Fenstern bis zum 4. Stock. In den Nr. 6 hatte auch der Optiker Bobe sein Geschäft. Dort bekam ich meine erste Brille im Alter von sechs Jahren. Wenig gesehen habe ich wahrscheinlich von Geburt an. Das wurde aber erst entdeckt, nachdem sich die Nachbarsfrauen bei meiner Mutter beschwerten. Ich sei ein unhöfliches Kind, da ich keinen Gruß böte. Meine Antwort: „Ich habe sie nicht gesehen“, hielt meine Mutter zunächst für eine plumpe Ausrede.

Als ich dann aber in der Schule auf der Lehrertafel vorn von meinem Platz hinten alles verschwommen sah und in mein Heft oder auf die Schiefertafel Phantasiegebilde anstelle der zu lernenden Zahlen und Buchstaben malte, wurde meine Umgebung stutzig. Nun war der Besuch beim Augenarzt nötig. Er hatte seine Praxis gegenüber in der Schandauer Straße 1, wo sich auch die Wettin-Apotheke befand. Von unserer Wohnung konnten wir in die Praxisräume sehen. Beim Augenarzt muss man sich nicht ausziehen, also war es nicht sittenwidrig. Aber insgesamt war es schon aufregend, alles auf unserer Straße und anderswo mit der Brille viel deutlicher zu sehen.

Im Haus Nr. 8 befand sich ein Lebensmittelladen Reichard. Der Sohn Arndt ist im Krieg gefallen. Ich weiß noch, dass ich sehr berührt war. Es war wohl der erste Kriegstote, den ich persönlich kannte. Es sollten noch mehr folgen. Und gegenüber in Richtung Borsbergstraße konnten wir das Treiben an der Tankstelle beobachteten, und zur Geisingstraße in Richtung Altstriesen befand sich die Autowerkstatt Kreß. Anschließend kamen die Vier- oder Dreiseitenhöfe der Bauern von Altstriesen. Auf der rechten Seite befanden sich die Lagerhallen von Spalteholz, einer Holzhandlung. Sperrholz zum Basteln war immer begehrt, deshalb kannte ich mich dort aus. Renate Breiholz, eine Schulkameradin von mir, erzählte später: „In der Bombennacht bewegten sich die Stützbalken und Pfeiler aus der Holzhandlung wie Feuerpfeile durch die Luft und schlugen mit Wucht in die Wettinhäuser in Altstriesen ein.“ Das hat der Feuersturm fertig gebracht.

Beim Entlanglaufen auf der Schandauer Straße von der Nr. 1 aus (Straßenbahnhaltestelle Geisingstraße) kam ich am Kino Gloria-Palast vorbei. Ich erinnere mich auch an einen Bäckerladen, wo wir manchmal Kuchenränder für 5 oder 10 Pfennig kauften. Ecke Bergmannstraße war das Schuhgeschäft „Schuh-Schmidt“. Mein Weg führte dann an den heute noch existierenden Schrebergärten vorbei zum Pohlandplatz und zur Pohlandschule (25. Volksschule). Dort wurde ich am 9. April 1937 eingeschult.

Auf dem Schulappell zur Einschulung: „Jetzt müssen wir marschieren, ich und mein Kamerad, in langen Reihen zu Vieren, denn ich bin Soldat. Wissen wir auch nicht wohin es geht, wenn nur die Fahne vor uns weht!“

Als wir am 9. April 1937, meinem ersten Schultag, auf dem Schulhof am Pohlandplatz standen, wussten wir wirklich noch nicht, wohin es geht. Aber etwas unbehaglich war mir schon morgens der Gedanke an bestimmte Einzelheiten in der Schule. Manchmal so unbehaglich, dass ich trotz Ermahnung meiner Mutter kein Stück Semmel schlucken konnte. Vielleicht war ich ein „Sensibelchen“. Da waren die großen Männer in ihren braunen Uniformen und schwarzen Stiefeln, unsere Lehrer, die in meiner reinen Mädchenklasse schon oft einen harschen Ton anschlugen. Und der morgendliche Gesang von sechs bis siebenjährigen Mädchen, die stramm in der Bank stehend „Jetzt müssen wir marschieren“ singen musste, machte mir Angst.

Von Lehrern und Schulen

Später kamen die Luftschutzübungen hinzu, die mir Angstträume bereiteten. Ich war eben - auch immer wieder im Zeugnis und in der Beurteilung schriftlich bestätigt - noch zu weich. Wie wollte mich denn unser Klassenlehrer, Herr Sch., „Hart wie Kruppstahl - zäh wie Leder“ als Mädchen und spätere Frauen machen? Aber ich fügte mich, hatte Freude an den Pausenspielen und beim Sport, speziell Leichtathletik, an den Fächern Biologie, Deutsch, weniger an Geschichte. Kopfrechnen wurde gedrillt und ging mir etwas zu schnell, umso lieber trug ich Gedichte vor, aber nicht die traurigen und auch nicht die kriegerischen.

Die Schulgebäude, in denen wir Unterricht hatten, wechselten. Lazarette, Umsiedlerunterkünfte und anderes - dazu wurden mit zunehmenden Kriegsereignissen die Schulen gebraucht. Wir wanderten im sehr kalten Winter 1941/42 nach Gruna in die Hans-Schemm-Schule (Junghansschule), von der ich die schöne Aula (Löns-Liederabend) und den Schulhof mit hohen Bäumen in Erinnerung habe. Auch die Gustav-Freytag-Schule (Hauptschule) ist mir im Gedächtnis geblieben. Dort hatten wir einen schönen Sportplatz an der Elbe, den wir im Sommer nutzten. In die Haydnschule (24. Volksschule) sind wir mehrmals eine längere Zeit gegangen.

Ich möchte bewusst keine Namen von Lehrern und Lehrerinnen nennen, obwohl ich sie noch weiß. Sie sind mir als besonders faschistisch in Erinnerung geblieben. Alle werden nicht mehr leben. Besonders achtungsvoll kann ich an niemand denken. Immer wieder mussten wir Lieder singen, die uns auf unsere zukünftigen Aufgaben vorbereiten sollten. Dazu gehörten zum Beispiel:

„Uns're Fahne flattert uns voran, in die Zukunft ziehen wir Mann für Mann, wir marschieren für Hitler durch Nacht und Not, mit der Fahne der Jugend für Freiheit und Brot“ - oder auch „Es zittern die morschen Knochen der Welt vor dem großen Krieg, wir haben den Schrecken gebrochen, für uns wär's ein großer Sieg. Wir werden weiter marschieren, wenn alles in Scherben fällt, denn heute hört (später gehört) uns Deutschland und morgen die ganze Welt.“

Diese Beispiele sollen als Mahnung dienen, wie man die Jugend auch mit Liedern verführen kann. Ich möchte versuchen, aus dem Gefühl und der Erinnerung heraus darauf hin zu weisen, welche Anzeichen es bereits in den Jahren 1937 bis 1939 gab, die auf den Krieg hindeuteten und die letztlich zu den dramatischen Ereignissen der Bombennächte und des Vernichtungskrieges bis zum „Letzten“ führten. Beim Überfall der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 sagte mein Vater nur einen Satz: „Das ist der Anfang vom Ende.“

Geschichten aus den Kindertagen: Erst der Teddy, der ging, dann die Katze, die blieb

Eines Tages verschwand mein Teddybär. Er hatte mich, seit ich denken konnte, begleitet, getröstet, zustimmend gebrummt, wenn ich mit ihm redete, oder geschwiegen, wenn ich ihn im Arm hielt. Damals in meiner Kindheit gab es in meinen Kreisen nur wenig Spielsachen für jedes Kind, von jedem Spielzeug nur ein Stück: also eine Puppe, ein Plüschtier, ein Teddy, ein Puppenbett, ein Puppenwagen, ein Baukasten, einige Kinderbücher, sicher einige Spiele. Also mein geliebter Teddy, gelb-braun, mit einem Stroh- oder Sägespäne gefüllten harten Bauch war weg.

Meine Mutter hatte ihn mit einigen Sachen zum Anziehen von mir und meinem kleinen Rodelschlitten, eine so genannte Käsehitsche, an die Wollin-Deutschen verschenkt. Es waren Deutsche, die bei Schitomir wohnten, schon über 200 Jahre, und 1939 als Volksdeutsche heim „ins Reich“ geholt wurden. Die Leute waren in der Pohlandschule untergebracht. Ich war sehr traurig, besonders über den Verlust des Teddys. Aber nur bis zu dem Tag, als ich auf der Prager Straße bei Spielwaren Müller im Schaufenster nur Augen für eine angezogene Katze hatte. Es war ein Katzenmädchen mit Kleidchen, hübschen Plüschgesicht und vier weißen, weichen Pfötchen und sehr, sehr schön. Meine Eltern versuchten mir beizubringen, so etwas bekommen nur kleine Kinder zu Weihnachten, und ich ginge schon zur Schule und bekäme vielleicht ein Buch zum Fest. Naja, dachte ich, es ist eben Krieg und da musst du (ich sprach manchmal selbst zu mir) wieder einmal vernünftig sein.

Weihnachten kam, mit den üblichen Zeremonien, eine Kleinigkeit und wenige Süßigkeiten auf meiner Seite des Gabentisches und Basteleien von mir für meine Eltern und meinen Großvater (mein Opale). Also doch nicht - und über die Mieze freute sich sicherlich ein anderes Kind. Da aber, was sah dort aus Opales Jackentasche heraus: eine Katze, meine Katze, meine liebe Katze, meine Mieze. Kinderglück. Diese Mieze habe ich noch immer, sie hat in verschiedenen Behältnissen alle Umzüge und Umräumungen überstanden.

Als der Krieg immer näher an unsere Heimatstadt Dresden herankam und sich die Luftalarme häuften, wurde das Luftschutzgepäck zusammen gestellt und gepackt. In eine Tasche oder in einen Koffer kamen Wechselsachen, Bettwäsche, Handtuch, Waschzeug, usw., aber nur das Nötigste davon, denn man musste es ja tragen können. In einen kleinen Lederkoffer kamen die „Wertsachen“, wie Sparbuch, Zeugnisse, ein Fotoalbum, kleine Andenken, Poesiealbum, Liederbuch meines Großvaters, ein Löns-Buch und Rechnungen der Möbel, da Entschädigungen bei einem Verlust durch Bombenangriff versprochen, aber nie gehalten wurden. Und ich bestand ausdrücklich auf die Miez!

Beim Luftangriff am 13. Februar 1945 mussten wir nach dem zweiten Angriff das brennende, halb zerstörte Haus verlassen, das 14 Jahre mein und unser Zuhause war und ich nie mehr betreten konnte. Wir, meine Mutter und ich, trugen nur das Allernötigste. Der kleine Koffer fiel wiederholt auf die Straße, weil der Sturm, der beim großen Feuer entstanden war, so stark war. Auch wir wurden vom Sturm umgestoßen. Der kleine Koffer hielt der Belastung nicht stand, Nähte platzten auf der einen Seite auf. Doch der Inhalt blieb im Koffer, da meine Mieze vor der sich öffnenden Naht klemmte. Sie wurde sehr schmutzig und nur mit großer Mühe konnte ich sie später mit Seife reinigen. An ein Baden war wegen der Strohfüllung im Bauch nicht zu denken. Heute nach vielen Jahren erinnert sie mich auf ihre Weise an diese Tage.

Eine Hundefreundschaft

Als ich noch klein war, so etwa 2,5-jährig, so berichteten mir meine Eltern, wurde ich auf der Borsbergstraße beim Gemüsehändler Horbank von einem Foxterrier, der noch jung und sehr verspielt war, umgeworfen. Es war dabei nichts passiert, was erwähnenswert gewesen wäre, ich war jedoch sehr erschrocken und ging seitdem mit Hunden sehr vorsichtig um. Kurzum, ich machte um jeden Hund einen Bogen. Katzen dagegen mochte ich schon damals sehr. Mir tat es gut, weiches Fell zu streicheln. Das ging sogar so weit, dass ich - natürlich nur bis ich größer und vernünftiger war - Frauen in Pelzmänteln über das Fell an der Nähe der Hinterpartie strich. Pure Entrüstung bei den Erwachsenen auf beiden Seiten, es hagelte Tadel und ich sah unschuldig drein.

Und dann gab es noch Rolf, einen Boxerrüden vom Elektromeister, den ich mit Renate ausführen durfte. Wir freundeten uns an und ich konnte mein Streichelverlangen am ihm stillen, denn es gefiel ihm auch. Schöner für ihn waren die weiten Spaziergänge im Großen Garten. Dort standen zwar Schilder mit der Aufschrift: Hunde an der Leine führen. Es war aber nicht vermerkt, wie lang die Leine sein durfte. Rolfs Leinen waren sehr lang. Was ist mit ihm am Angriffstag geworden? Hat er die Qualen überstanden?

Auf der Borsbergstraße steht heute noch hinter der Tankstelle ein Haus, bei dem der erste Stock und das ursprüngliche Dach fehlen. Es war damals ein freistehendes Haus mit hohen Bäumen und einem Garten, heute ist die Firma Bremsen-Köhler darin untergebracht. Dann schloss sich in Richtung zur Carlowitzstraße ein Grundstück an, das zur Zeit meiner frühen Kindheit eine Baulücke bildete, ein unbebautes Grundstück mit einem dunklen und verwitterten Bretterzaun umgeben. In den Herbsttagen bis zum Advent breitete sich im Schutze dieses Zaunes ein kleines Gewerbe aus.

Ein älterer Mann mit einem winzigen Öfchen und mit einem richtigen Ofenrohr, einem Schutz gegen den Wind und einer Kiste mit Utensilien waren dort anzutreffen. Aber das Wichtigste waren die Früchte, die er geröstet zum Kauf anbot, wie Erdnüsse und Esskastanien (Maronen). Der Duft lockte viele Menschen an, die in der Dämmerung vorbei eilten, um das wärmende Zuhause zu erreichen. Manch einer ging nochmals nach draußen, um sich ein Spitztütchen mit diesen warmen Köstlichkeiten nach Hause zu holen. Auch ich durfte das öfters tun, um in einer Dunkelstunde mit Opa beim Erzählen von Geschichten die Maronen mit Wonne zu genießen.

Das besagte Grundstück wurde später zu einem Bauplatz, der Zaun und der alte Mann waren verschwunden. Es wurde ein großes Haus gebaut, mit festen Fundament und dicken Mauern und einem für unsere Begriffe sehr sicheren Keller. Im Erdgeschoss des neuen Hauses fand eine Sparkasse ihren Platz. Darüber befanden sich Wohnungen. Auch Luftschutzräume waren vorhanden, die mich später beim Angriff auf Dresden einmal aufnehmen sollten. Als am 13. Februar die Christbäume am Himmel als leuchtende Zielmarkierungen die folgenden Bombenabwürfe ankündigten und die ersten Bomben auch fielen, musste meine Freundin Ulla Köbel und ich diesen Luftschutzkeller aufsuchen. Wir waren auf dem Heimweg schon nahe bei unserem Zuhause, doch ein Luftschutzhelfer trieb uns von der Straße in die Keller. In diesem Keller erlebten und durchlitten wir den ersten Angriff, der so gegen 22.00 Uhr begann. Wir jammerten beide nicht, hockten und nahe beieinander. Ich weiß, dass ich ein Taschentuch in der Hand hielt. Es war später nicht mehr zu gebrauchen, sondern von mir zerbissen und zerfranst, weil ich es aus Angst mit den Zähnen bearbeitet hatte. Nach dem zweiten Angriff am 14. Februar gegen 1.30 Uhr war vom Sparkassenhaus nur noch ein tiefes Loch vorhanden, eine Sprengbombe oder eine Luftmine hatte ganze Arbeit geleistet. Am Rande des Loches lagen viele Steine. Wo waren aber die Menschen, die mit uns zusammen während des ersten Angriffs im Keller waren? Es gab kein Entkommen!

Bahnhofsdienst

Es war im Januar 1945, der Krieg kam ins eigene Land. Immer mehr Menschen aus den Frontgebieten gelangten mit der Eisenbahn und mit eigenen Fuhrwerken (Trecks) in die Gebiete Deutschlands, in denen es scheinbar noch friedlich und ruhig zuging. Dazu schien auch Dresden zu gehören. Der Dresdner Hauptbahnhof lag so zentral, dass er als Umschlagplatz für Flüchtlinge und Material diente. Besonders die Züge, die aus dem Osten und aus dem Süden kamen, machten hier Station. Verwundete, Flüchtlinge, Ausgewiesene, Soldaten, die wieder an die Front mussten, und Reisende, die aus den unterschiedlichsten Gründen unterwegs waren, trafen im Hauptbahnhof zusammen, teils hilflos, teils zielstrebig.

Besonders schwer war es für die Menschen, die nach oft tagelanger Bahnfahrt in Dresden aussteigen mussten und ziel- und schutzlos mit Kindern, auch mit ganz Kleinen, mit gebrechlichen und alten Leuten und mit unterschiedlich viel Gepäck auf den Bahnsteigen oder in der großen Wartehalle warteten. Mit dem Betreuen dieser Menschen waren die Helfer vom Roten Kreuz und sonstigen Einrichtungen hoffnungslos überfordert. Da sollten nun wir Mädchen der Hitlerjugend und der Jugendorganisation der NSDAP helfen. Wir Jungmädchen bis 14 Jahre wurden per Befehl (es gab so genannte Dienstbefehle) zu bestimmten Zeiten, meistens abends, zum Hauptbahnhof befohlen. Die Jungen in unserem Alter wurden auf den Dienst an Scheinwerfern und Flugabwehrkanonen und mit Waffen vorbereitet. Wir sollten die Menschengruppen, die uns durch ihr Aussehen und auch ihren zwar deutschen, aber für uns schwer verständlichen Dialekt zunächst fremd erschienen, in ihre vorläufigen Quartiere geleiten.

Oft fuhren wir mit der Straßenbahn mit ihnen zum Ausstellungsgelände am Stübelplatz, wo sie sich auf dem Boden lagernd ausruhen durften. Wir haben dabei richtig zugepackt, getragen, getröstet, Wege gewiesen. Wenn wir sie in anderer Obhut wussten, sind wir wieder zum Hauptbahnhof gefahren, um die Nächsten abzuholen. Auf diesem Rückweg überkam uns die Sorge, denn die Luftalarme häuften sich. Was wird sein, wenn diese Menschen bei einem Luftangriff hilflos auf dem Bahnhof oder im Gelände herum irrten? Dass diese unheimliche Vision wenig später zur Gewissheit werden sollte, wussten wir damals noch nicht. Der Hauptbahnhof wurde beim Angriff auf Dresden am 13./14. Februar 1945 schwer getroffen. Noch viele Jahre später konnte man die ausgeglühten Sandsteine an verschiedenen Stellen sehen. Auch war der Brandgeruch noch lange zu spüren, auch noch beim neuerlichen Umbau des Bahnhofs.

Ein befreundeter Junge erzählte mir später, er wurde als Junge mit 13 Jahren zum Flakdienst auf den Dresdner Brücken befohlen und nach dem dritten Angriff mit gleichaltrigen Kameraden gezwungen, die Überreste der Menschen, die in den Kellern und Gängen des Hauptbahnhofs lagen, mit Flammenwerfern zu verbrennen. Dabei wurde er von einem Tag auf den anderen erwachsen.

Der Angriff und die Tage vom 13. bis 15. Februar 1945

Die deutsche Sprache hat keine Worte für das Grauen, das uns widerfahren ist. Wie soll ich beschreiben, wie brennende Menschen und Tiere riechen, wie heulende, krachende Bomben klingen, wie der Sturm, der entsteht, wenn große Feuer Sauerstoff brauchen, faucht, wie Qualmwolken über Ruinen stehen, wie die stinkende, brodelnde schwarze brennende Masse spritzt, tropft und sich über alles ergießt, was im Wege steht? Ich kann es nicht und will es nicht. Jedes Wort gibt etwas preis von der Erinnerung, von dem, was unsere Generation mit 14 Jahren erwachsen werden ließ, was uns aufwühlt, erschüttert, erschauern lässt, uns nichts vergessen lässt - auch heute nicht. Also erfolgt die Aussage über die Geschehnisse um den 13. Febr. 1945 sachlich, chronologisch und sicher etwas ungenau nach fast 60 Jahren, was Orte und Zeiten anbetrifft, aber mit klaren Gedanken und der Bitte an die jetzt lebenden und noch kommenden Generationen, die immer währende Vermeidung solcher Geschehnisse anzustreben.

Am 12. Februar 1945, ein Rosenmontag, war Zeugnisausgabe. Mein Zeugnis trägt den Stempel der Junghansschule. Es sollten anschließend Winterferien sein. Am 13. Februar folgte der Fastnachtstag. Uns war aber nicht nach Verkleiden zu Mute. Die Front rückte von Osten näher. Es wurde daran gedacht, sich auf eine Flucht vorzubereiten – aber wohin? Von der Organisation der HJ-Jungmädchen wurde angesichts der Lage eine Versammlung mit Fahnenappell auf der Teplitzer Straße in einem Universitätsgebäude veranstaltet. Auf den Besuch der Veranstaltung musste ich mich am Abend vorbereiten: weiße Bluse bügeln, schwarze Schuhe putzen, blaue Jacke und blauen Rock bürsten.

Es war ein milder Tag, der zu Regen neigte. Gegen 18.00 Uhr machte ich mich per Straßenbahn mit meinen Kameradinnen auf den Weg. Die Veranstaltung war gut besucht. Auf Befehl mussten alle kommen. Ich erinnere mich noch, dass über die Flucht vor den feindlichen Truppen ins Erzgebirge nach Altenberg gesprochen wurde. Kampf bis zum Letzten! Die männliche Hitlerjugend als Verteidiger mit Waffen. Lieder wurden gesungen, auch „Deutschland, Deutschland über alles und „Die Fahne hoch, die Reihen fest geschlossen“.

Als wir gegen 21.00 gingen, waren die Straßenbahnen so überfüllt, dass wir beschlossen, zu Fuß nach Hause zu laufen, vielleicht auch zu rennen. In der Nähe der Villa des Gauleiters Mutschmann an der Stübelallee hörten wir die Sirenen, es war gleich Vollalarm. Soldaten verluden Gepäck, Kisten und Kasten in Autos, die vor der Villa parkten und alsbald abfuhren. Uns wurde sehr mulmig zumute. Wir beeilten uns, liefen, rannten, hetzten nach Hause. Einige Kameradinnen wohnten in der Nähe des Großen Gartens. Carlowitzplatz, Walderseeplatz, eine nach der anderen kam zu Hause an.

Die ersten Christbäume leuchteten hell auf die Herz-Jesu-Kirche an der Borsbergstraße. Ulla und ich waren die letzten, wir nahmen und an den Händen und rannten die Borsbergstraße stadtauswärts in Richtung unseres Zuhauses. Luftschutzwarte befahlen uns, die Straße zu verlassen und in einen Keller zu gehen. Kaum warten wir drin, es war sehr unheimlich, waren wir auch schon wieder draußen. Uns konnte keiner halten, wie wollten nach Hause. Als wir die Müller-Berset-Straße überquerten fielen die ersten Bomben. Es war fast taghell.

Nun konnten wir nicht weiter die wenigen Meter bis nach Hause laufen. Ulla musste noch bis zu Haenel-Claus-Straße, ich in die Schandauer Str. 2. Wir wurden von der Straße in die Keller des Sparkassenhauses Carlowitzstraße/Ecke Borsbergstraße getrieben. Dort in den Kellerräumen, die uns sicher erschienen, waren sehr viele Menschen, manche ergeben, viele hysterisch, aufgeregt, Kinder und alte Leute und ein befehlender Luftschutzwart. So erlebten wir den ersten Angriff gegen 21.45 Uhr. Wir waren still, hockten beieinander. Ein Taschentuch in meinen Händen war danach ein zerbissener Fetzen. Es wurde stiller, und wir waren wohl die ersten, so erinnere ich mich, die den Keller über die Treppen verließen.

Draußen brannte an der Haltestelle stadteinwärts eine Straßenbahn. In der Autowerkstatt Kreß war es sehr hell. Es loderten die Flammen, die an den Autos reichlich Nahrung fanden. Die Tankstelle Ecke Geisingstraße war nicht getroffen. Wir kamen an mein Zuhause. An unserem Hause sagte ich zu Ulla „Auf Wiedersehen“, wir fühlten nichts Kindliches mehr, wir waren erwachsen geworden - mit 14 Jahren. Meine Mutter war sehr erleichtert, mich wohl behalten zu sehen. In den nächsten Stunden bis zum zweiten Angriff, von dem wir ja noch nichts ahnten, taten wir mechanisch das, was uns auf den Luftschutzschulungen für einen solchen Fall beigebracht worden war: Brandwache auf dem Hausboden, Glutnester mit Wasser und Sand bekämpfen, auf Funkenflug achten!

Wir stiegen auf den Dachboden. Dachziegel waren keine mehr vorhanden. Wir steckten die Köpfe durch die Zwischenräume zwischen Balken und Latten und sahen in die Runde, wo war es dunkel, welche Häuser brannten schon hell. In unserer Wohnung im 4. Stock kamen uns vom Sturm bewegt die Gardinen von den Fenstern entgegen, überall Scherben, Trümmerteile, zum Teil kaputte Möbelstücke. Ach, dachte ich, das geht alles zu reparieren. Schnell packte ich noch meinen Wecker vom Küchenschrank, als jemand rief: „Es gibt keine Sirene, sofort wieder in den Keller, es geht wieder los.“

Was dann geschah, ist nicht zu beschreiben. Das Haus hob und senkte sich, knirschte, bebte, wankte, aber blieb stehen. Es wurde stiller, nur Putz und Stücke von Decke fielen, dann Brandgeruch. Wir versuchten noch, aus unserem Keller einige Sachen über den Arm zu nehmen, ergriffen die Tasche, den kleinen Koffer und den Rucksack und verließen langsam tastend, wie die anderen Hausbewohner auch, den Keller über die Kellertreppe zum Hausflur. Dort klatschten die blauen Fliesen auf den Fußboden. Aus der Drogerie tauchten rote, grüne und gelbe Flammen auf, die Chemikalien hatten Feuer gefangen. Auf dem Gehweg und zu den Kellerfenstern herein tropfte eine schwarze, zähe und brennende Masse, die uns den Atem nahm. Es war Phosphor. Wir versuchten, auf der Kreuzung Geisingstraße, Schandauer Straße, Borsbergstraße stehend, uns den dunkelsten Weg mitten im Feuersturm zu suchen, also dorthin, wo es nicht brannte. Als wir das Haus verließen, brannte es vom 2. Stock aufwärts. Einige Zeit danach, so erzählte man uns später, explodierte eine Zeitzünder-Sprengbombe und riss eine große Lücke in die Hausmauern.

Meine Mutter fiel hin. Der Sturm hatte sie umgeworfen. Ihr Mantel brannte auf dem Rücken. Wir rissen uns die nasse Mullmaske vom Gesicht, wir bekamen keine Luft mehr. Wir stürzten die Geisingstraße entlang in Richtung Süden. An der Gärtnerei Hoffmann und bei den anderen Gärtnereien kamen uns brennende Strohmatten entgegen geflogen. Dunkle Haufen lagen auf der Straße, teils stumm, teils wimmernd. Ich nahm nichts mehr wahr und war nur bestrebt, auf meine Mutter aufzupassen, so gut es ging.

Wir hatten die Adresse eines Freundes meines verstorbenen Vaters. Dort war es dunkel, nichts brannte, wir konnten durchatmen und klingelten. Aber wir wurden nicht eingelassen, sondern abgewiesen. Es war wohl doch kein richtiger Freund. Es war ein ganz unversehrtes Haus, aber es gab für uns keinen Platz darin. Inzwischen waren wir in Richtung Winterbergstraße vorangekommen. Dort hockten wir uns in einen Garten. Es war zu viel. Ich musste mich erbrechen und suchte eine Toilette. Auch aus dem Garten wurden wir bald wieder von Luftschutzleuten weggeschickt. Zeitzünderbomben liegen im Garten, hieß es. Dann wurde es langsam hell.

Mein Großvater arbeitete damals in Gohrisch bei Königstein und wohnte auch dort. Dort lag unser nächstes Ziel. Also gingen wir mühsam zum Bahnhof Reick, doch es fuhr kein Zug. Meiner Mutter fiel das Gehen immer schwerer. Uns kam ein Mann mit einem Handwagen aus der Stadt entgegen. Er erlaubte uns, unsere wenigen Sachen auf den Wagen zu legen. Auf diese Weise kamen wir nach Niedersedlitz. Inzwischen war es Mittag geworden und der dritte Angriff auf Dresden begann.

Wieder saßen wir in einem Keller, wieder die nicht zu beschreibende Szenerie, Gestank, Sturm, Krachen. Doch hier kamen wir unversehrt heraus. In Niedersedlitz fuhr auch kein Zug. In der Nähe des Bahnhofs wurden wir aufgesammelt und in einen Gasthof gebracht. Aus helfenden Händen erhielten wir eine Schüssel Suppe. Ich konnte nicht essen, mir war nur schlecht. Kurz danach kletterten wir auf einen Traktorenanhänger und fuhren damit ein Stück in den Lockwitzgrund. Dort ließ man uns stehen, der Traktor sei kaputt. Also absteigen.

Dann überraschten uns Tiefflieger. Maschinengewehre ratterten - wir krochen ins Gebüsch. Wir wurden beschossen, eine Tatsache, die von Historikern oftmals bestritten wird, aber der Wahrheit entspricht. Ich borgte mir von einem lieben, älteren Mann einen kleinen Handwagen. Es ist mir heute noch ein Rätsel, dass ich so schwarz und zerzaust wie ich nun war, überhaupt den Wagen bekommen hatte. Meine Mutter konnte nicht mehr laufen. Wir kamen bis Kreischa, es wurde Abend und dunkel. Aus der Schule wurden wir später von einer Frau abgeholt, versorgt und in weiß bezogenen Betten untergebracht. Trotz einer gründlichen Waschung unsererseits waren wir schwarz geblieben, so dass auch die Bettwäsche zu unserem Schreck schmutzig wurde.

Bis zum 28. Februar hielten wir uns in Kreischa auf. Meine Mutter musste sich erst etwas erholen. Ich wurde stumm und sagte bis Ende Februar kaum ein Wort. Mein Großvater fuhr mit dem Fahrrad nach Dresden und suchte uns, auch auf Friedhöfen. Er hat nie über seine damaligen Erlebnisse in Dresden gesprochen. Wir schrieben eine Karte an Großvater und teilten ihm mit, wo wir sind. Die Karte war zehn Tage unterwegs und erreichte ihn erst am 27. Februar.

Am nächsten Tag holte uns mein Opa nach Gohrisch. Meine Mutter hatte zerschundene Beine und Thrombosen in den Unterschenkeln. Ich musste einen Arzt aufsuchen, meine Augen waren so vereitert, dass ich nichts sehen konnte. Nach einer schmerzhaften Tropfenkur ging es mir besser. So vergingen die Monate März und April 1945. Meine Freundin Ulla wurde auch ausgebombt, ich habe sie erst nach vielen Jahren wieder getroffen. Im Jahre 1946 bin ich das erste Mal wieder in Dresden gewesen und habe die Ruinen meines Hauses in der Umgebung gesehen.


[Bearbeiten] Erlebnisbericht zum 13. Februar 1945 von Annelies Meyer (Jg. 1928, verh. Bail), Schandauer Straße 19

Ich, Annelies Meyer, wurde am 21. Januar 1928 als Zwillingsschwester in Dresden, Schandauer Straße 19, geboren. Unser Haus war ein vierstöckiges Haus mit zwei Geschäften, dem Friseur Schuster und dem Delikatessengeschäft Hettenhausen. Unsere Wohnung lag im vierten Stockwerk und wies eine Wohnküche mit Oberlicht, Wohnzimmer, Schlafzimmer und Außen-WC auf. In der Wohnung wohnten neben mir meine Mutter, meine Schwester Marianne und mein Vater Otto Bail, der bereits Rentner war.

Mit sechs Jahren kam ich 1934 zu Ostern in die 25. Volksschule am Pohlandplatz (Pohlandschule). Im Schulgelände in einem Seitengebäude wohnte die Familie Leo, die zwölf Kinder hatten. Die Leo-Kinder hatten einen äußerst kurzen Schulweg, sie brauchten nur aus dem Haus zu gehen, und schon waren sie an der Schule. Bei den Kindern wusste man nie richtig, wen man vor sich hatte, denn die kleineren Kinder zogen die Sachen der größeren an. Die Schule wurde in den Jahren 1930/40 mit Wollin-Deutschen, das heißt Flüchtlingen aus dem polnischen Osten, belegt und später als Lazarett benutzt. Zu dieser Zeit setzte sich mein Schulbesuch in der Hans-Schemm-Schule (Junghansschule) auf der Junghansstraße bis 1942 fort. Von 1942 bis 1943 besuchte ich die Haushalt-Vollschule auf der Haydnstraße. Diese Schule hatte im vierten Stockwerk der Haydnschule ihre Räume.

Mein Vater ging sonnabends in die Gaststätte „Erdkugel“ in Altstriesen Skat spielen. Zuvor besuchte er mit uns Kinder den Fleischer Dietrich, später Kunze, in Altstriesen 33 und kaufte uns ein Paar Wiener Würstchen, damals noch ohne Markenabgabe. Vor der Lehre musste ich mein Pflichtjahr im Haushalt des Fliesenhändlers Schlesinger im Erdgeschoss des Grundstückes Winterbergstraße 19, Ecke Zwinglistraße ableisten. Die Wohnung umfasste 15 Räume. Ich hatte das Essen frei und erhielt 20 Mark pro Monat. Da ich aber die Haushaltschule absolviert hatte, brauchte ich hier nur ein halbes Jahr arbeiten. In dieser Tätigkeit habe ich sehr viel gelernt. Beim Fliesenhändler herrschte keine Not, es gab ausreichend zu essen. Zu Weihnachten waren sogar mehrere Gänse in der Küche. Eines Tages rutschten mir Kristallgläser von einem Tablett, die ich in den Keller bringen sollte, wo sie zum Schutz vor einem Angriff in Kisten verpackt wurden. Die Gläser gingen entzwei. Frau Schlesinger schimpfte mit mir, Herr Schlesinger erwähnte den Vorfall nur beiläufig bei der Weihnachtsfeier.

Nachmittags besuchte ich die Rackow-Handelsschule am Altmarkt und lernte dort Steno und Schreibmaschine. Im August 1944 begann ich eine Lehre als Apothekenhelferin in der Storch-Apotheke Pillnitzer/Ecke Mathildenstraße. Die Berufsschule, die ich besuchte, befand sich neben dem Schauspielhaus, es war die spätere Prof.-Zeigner-Schule.

Am 16. Januar 1945 verstarb meine Mutter. Zur gleichen Zeit, gegen 14.00 Uhr, fielen Bomben auf Dresden in der Friedrichstadt. Am 20. Januar, am Tage meines Geburtstages, wurde meine Mutter auf dem Trinitatis-Friedhof beerdigt. Die Trauerfeier musste wegen Fliegeralarm unterbrochen werden.

Am Abend des 13. Februars 1945 habe ich relativ zeitig mit meinem Vater zu Abendbrot gegessen. Meine Schwester war zu dieser Zeit auf dem Lande im Arbeitsdienstjahr, zu dem sie sich freiwillig gemeldet hatte. Zum Abendbrot gab es als Brotaufstrich Schinkenfett, dessen angenehmen Geschmack ich heute noch verspüre. Es war damals eine Delikatesse. Mein Vater, der zu meiner Geburt bereits 52 Jahre war, wurde aus Altersgründen nicht eingezogen und war als Fleischer in einer Fleischerei auf der Glashütter Straße beschäftigt. Er hatte auch das Fett mitgebracht. Wir gingen an diesem Abend zeitig zu Bett.

Den Alarm zum ersten Angriff gegen 22.20 Uhr haben wir so verschlafen. Hausbewohner weckten uns erst, so dass wir überstürzt in den Keller rannten. Ich packte meine Schultasche mit den Schulbüchern, die ich als fleißige Schülerin nicht verlieren wollte. Der Keller war als Luftschutzraum vorbereitet und mit Sitzgelegenheiten versehen. Zwischen den Häusern waren in den Kellern Durchbrüche vorbereitet, die man im Notfall mit wenig Aufwand öffnen konnte. Während des ersten Angriffes am 13. Februar 1945 auf Dresden hielten sich die Hausbewohner unseres Hauses Schandauer Straße 19 in unserem Keller auf. Durch den Bombenabwurf brannten die Häuser der gegenüberliegenden geraden Hausnummern lichterloh. Mein Vater ging nach dem Angriff in unsere Wohnung zurück, um das Ausbreiten von Bränden zu verhindern. Ich blieb mit anderen Hausbewohnern im Keller zurück.

Beim zweiten Angriff wurden auch die Häuser unsere Straßenseite stark getroffen. Im Keller bekamen wir infolge der Rauschentwicklung kaum noch Luft. Bei mir hatte ich die Tasche mit meinen Schulbüchern. Den Kellerausgang unsres Hauses konnten wir nicht benutzen. Es brannte überall. Wir hingen uns feuchte Decken über den Rücken und begaben uns durch die Durchbrüche, die in den Kellern von Haus zu Haus führten, in Richtung Bergmannstraße, um an die Ecke bis in den Keller des Eckhauses zur Eilenburger Straße zu gelangen, wo sich oben das Geschäft von Kießling & Schiefner befand. Auf diesem beschwerlichen Wege passierten wir die Keller von ca. sechs Häusern. Wir flüchteten aus dem letzten Keller in das Erdgeschoss des Hauses, das auch den Angriff überstand, und dann in ein gegenüber liegendes Haus. Von dort sahen wir, wie unser Häuserblock herunterbrannte.

Ich war stark beunruhigt, weil ich annehmen musste, mein Vater sei im Haus umgekommen. Hausbewohner aus meinem Haus, deren Sohn sich am Angriffsabend in der Innenstadt aufhielt, nahmen mich mit, als wir das Haus verließen. Wir liefen die Bergmannstraße und die Hepkestraße entlang in Richtung Stübelallee. Bei den Hausbewohnern, die mich mitnahmen, es war die Familie Funke, war die Oma dieser Familien an diesem Abend zu Besuch. Sie wohnte auf der Grunaer Straße und wollte uns dorthin in ihre Wohnung mitnehmen. Auf der Stübelallee sahen wir viele Tote, die offenbar durch Luftdruckeinwirkungen gestorben waren. Entgegenkommende Menschen berichteten uns, dass die ganze Stadt brennt. Uns wurde dadurch das ganze Ausmaß des Elends bewusst. Es hatte auch keinen Zweck mehr, zur Wohnung der Oma zu laufen. Dort waren auch nur Ruinen. Als wir am Stübelplatz so gegen Mittag am 14. Februar ankamen, wurden wir von Tieffliegern angegriffen. Man schrie: „Alle flach hinlegen!“ Wir suchten Schutz in den Trümmern einer Tankstelle am Stübelplatz. Später standen Lastwagen bereit, die uns nach Pirna brachten. Im Keller einer Schule wurden wir erst einmal untergebracht und versorgt. Die Ausstellungsgebäude am Stübelplatz waren auch zerstört.

Am nächsten Tag lief ich mit drei unserer Hausbewohner bis nach Niedervogelgesang. Im Gasthof fanden wir eine Unterkunft. Nach einigen Tage sagte die Hausbewohnerin zu mir: „Morgen fahre ich nach Dresden und schreibe an die Trümmersteine, wen wir suchen und wo wir sind.“ Durch einen glücklichen Zufall fand sie auch meinen Vater auf dem Pohlandplatz. Mein Vater war auf der Jacobistraße bei einem Arbeitskollegen untergekommen, wo ich ihn auch wieder traf. Wenn wir auch weder Hab und noch Gut hatten, so konnten wir und zwei Tage später glücklich in die Arme fallen. Mein Vater hatte aus unserer Wohnung einen Wäschekorb retten können. Darin war ein Schlafanzug von mir, die Freude über dieses eine Wäschestück war bei mir groß. Die Familie Funke fand über Nachrichten, die auf den Trümmern mit Kreide geschrieben wurden, auch ihren Sohn wieder.

Nach dem Aufenthalt in der Jacobistraße gelangten wir nach Meißen zu einer Nichte meines Vaters, wo auch meine Schwester nach dem Arbeitsdienst wieder zu uns stieß. Dort erlebten wir auch den Einmarsch der Roten Armee. Vor dem Zugriff der Soldaten konnte uns mein Vater sicher verstecken. Später sind wir nach Dresden zurückgekehrt, weil alle Dresdner bis zu einem Termin wieder in Dresden sein sollten. Danach gab es zunächst keinen Zuzug mehr. Ich hatte auf der Jacobistraße ein Zimmer und habe in der Rosen-Apotheke auf der Borsbergstraße weiter gelernt. Mein Vater und meine Schwester bekamen eigene Zimmer. Später ist mein Vater nach Hamburg zu seinem Sohn aus erster Ehe gemacht, wo er 1959 verstarb. Ich bin in Dresden geblieben, da ich zum damaligen Zeitpunkt verlobt war.

Am 13. August 1945 traf ich durch einen Zufall meinen Schulfreund Wolfgang Bail aus der Schandauer Straße 4 wieder. Wir gingen in eine Schule, aber nicht in eine Klasse. Später trafen wir uns im Kurhaus Bühlau bei einer Tanzveranstaltung mit Hans Knoderer wieder. Wir heirateten am 29. Dezember 1950 und sind heute noch glücklich zusammen.

[Bearbeiten] Erlebnisbericht zum 13. Februar 1945 von Frau Esther Schröter (verh. Lehmann, Jg. 1932), Bergmannstraße 44

In Dresden-Striesen wohnte ich, Esther Lehmann geborene Schröter, auf der Bergmannstraße 44, im zweiten Stock des Hinterhauses mit meiner Mutter und erlebte dort den Angriff auf Dresden am 13. Februar 1945. Das Hinterhaus war ursprünglich ein Fabrikgebäude, in das später Wohnungen eingerichtet worden waren. Vom Haus kam man gleich in die Wohnküche, von der zwei Zimmer abgingen. Die Toilette befand sich im Treppenhaus auf halber Treppe.

Vom Herbst 1944 an brauchten wir Kinder nicht mehr regelmäßig in die Schule zu gehen. Ständiger Fliegeralarm brachte alles durcheinander. Ich war über 13 Jahre alt und wir Kinder fanden diesen Umstand gar nicht so schlecht, konnten wir doch den ganzen Tag spielen und herum toben. Nur weit entfernen durften wir uns nicht, bei Voralarm mussten wir sofort die Keller erreichen. Wir hielten uns danach. Zuvor besuchten wir unterschiedliche Schulen in näheren und weiteren Umgebung, je nach Belegung der Schulen mit anderen Aufgaben, wie Lazarett und anderes. Gelegentlich traf sich meine Klasse im „Wormser Hof“, um vom Lehrer Schulaufgaben zur Übung zu erhalten bzw. diese wieder abzugeben.

Im Februar 1945 gab es in unserem Haus fast nur Frauen zwischen 50 und 80 Jahren und vier ältere Männer. Einer davon, Herr Simon, war Luftschutzwart. Herr Rothe lebte allein in einer Ein-Zimmer-Wohnung. Das Ehepaar Junghans hatte im Vorderhaus einen Kolonialwarenladen und im Hinterhaus war ein Atelier, das der Kunstmaler Emil Glöckner bewohnte. Einzige Ausnahme war Herr Künne. Er wohnte mit seiner Frau, seinem Sohn Peter, der zwei Jahre jünger als ich war, und seiner kleinen Tochter Jutta im Vorderhaus. Er arbeitete bei der Firma Blaupunkt als Ingenieur und war offensichtlich ein Experte für irgendwelche Nachrichtenübermittlung. Jedenfalls war er so sehr wichtig, dass er hier in Dresden benötigt wurde und nicht zur Wehrmacht musste. Er war jung und hübsch, wie ich damals fand, konnte schwierige Dinge wunderbar erklären und hatte eine freundliche Art um Umgang mit uns Kindern.

Von Jahresbeginn 1945 gab es kaum einen Tag, an dem nicht die Sirenen heulten. Zwischen der letzten Entwarnung und dem nächsten Voralarm musste man sich reinigen (Bad gab es nicht), die Sachen waschen, etwas Essbares zusammenraffen und ab ging es in den Vorderhauskeller. Dieser war groß, jeder hatte sich eine Ecke häuslich eingerichtet. Es spielte sich alles nur noch im Keller ab, selbst schlafen konnte man in Keller. Für die Erwachsenen war diese Situation sehr schwierig. Meine Mutter empfand es als entsetzlich, dass ständig über zwei Dutzend Augenpaare zusahen, was immer man auch tat. Kinder nahmen dies gelassener.

Für Peter Künne und mich gab es eine interessante Abwechslung. Herr Künne hatte im Verschlag unter der Treppe ein Blaupunkradio und einen langen, schwarzen Kasten auf ein Wandbrett gestellt. Sondermeldungen, Frontberichte und meist Marschmusik wechselten sich ab. Der Kasten hatte auf der Oberseite viele Buchsen, in einigen steckten verschiedene Stöpsel. Wenn er diese veränderte, ging das Radio aus. Er hörte aber offensichtlich weiter, denn manchmal erklärte er den Erwachsenen, worum es eben gegangen war. Wie Herr Künne das anstellte, war mir unklar. Kopfhörer gab es keine, aber er wusste abends schon, was dann am nächsten Tag zu lesen oder zu hören war.

An der gegenüberliegenden Wand hingen ein Stadtplan von Dresden und eine große Europakarte. Beide waren mit Zahlen und Buchstaben versehen. Ich weiß noch, dass wir unter „Martha-Heinrich-Fünf“ zu finden waren. Wenn im Radio bekannt wurde „Bomber im Anflug auf ...“, dann durften Peter und ich Glaskopfnadeln in von Herrn Künne angewiesenen Quadrate der Karte stecken. An eine Abendnachrichtensendung kann ich mich noch lebhaft erinnern. Es wurden in irgendeinem Lager französische Kriegsgefangene befragt. Herr Künne übersetzte deren Worte genau so schnell, wie sie sprachen. Danach übersetzte erst ein Dolmetscher das Gesprochene und alles stimmte. In meinem Staunen hinein meinte er, Englisch wäre noch etwas schneller gegangen. So etwas bleibt in Erinnerung haften.

Eigentlich begann der Angriff schon am Montag, dem 12. Februar 1945, gegen Abend. Wir begaben uns alle, wie an jedem Tag, wenn es irgend möglich war, 18.00 Uhr für zwei Stunden in unsere Wohnungen zum Abendbrot. Um 20.00 Uhr mussten alle wieder im Keller sein. Wer nicht da war, wurde geholt. Es war noch lange nicht 20.00 Uhr, doch pfiff uns der Luftschutzwart zurück in den Keller. Kurze Zeit später saßen wir alle wieder in unseren Ecken und Herr Künne sagte: „Ich glaube, diese Nacht wird Dresden angeflogen.“ Niemand sprach mehr, keiner fragte, jeder war mit seiner Angst allein.

Wir hockten eine Ewigkeit so herum, da kam der Voralarm. Meine Mutter, die oben auf ihre Tasche immer zuletzt den Wecker legte, stellte fest, dass es gleich neun sein musste. Sie rückte näher an mich heran, nahm mich in den Arm und ich wusste, dass sie dachte, wenn wir getroffen werden, dann gehen wir zusammen, gesagt hat sie das nicht. Es dauerte und dauerte, sonst kam der Alarm immer kurze Zeit danach, aber es geschah nichts. Die Zeit schlich, schlafen konnte keiner. Dann heulte die Sirene los - es war Entwarnung, so gegen 22.45 Uhr. Die Entspannung war zu spüren, es wurden ein paar Worte gewechselt, dann rollte sich jeder in seiner Ecke zusammen. Man war nochmals davon gekommen.

Wenn ich später erzählte, dass wir einen Tag früher schon auf den Angriff gewartet hatten, bekam ich meist ein ungläubiges Lächeln zu sehen. Nach Jahrzehnten bekam ich ein Buch in die Hände, worin der Untergang Dresdens beschrieben wurde. Ich glaube es war von Max Seidewitz oder Otto Buchwitz. Darin wird Bezug darauf genommen, dass der Angriff eigentlich schon einen Tag eher hätte stattfinden sollen. Wetterbedingt ist aber der Angriff auf Dresden abgeblasen worden.

Am Tag des 13. Februar 1945 war bis mittags ein paar Mal Voralarm-Alarm-Entwarnung, alles kurz nacheinander. Der 13. war der Faschings-Dienstag, aber Fasching feiern war nicht, wir größeren Kinder waren angehalten, uns dem Ernst der Lage entsprechend zu verhalten. Am Abend alles wie immer: 18.00 Uhr hinauf, 20.00 Uhr hinunter. Da der Keller sehr stickig war, ließen wir immer, wenn es ruhig war, die Kellertür und die hintere Haustür zum Hof offen. Jeder beschäftigte sich irgendwie, meist wurde gelesen.

Plötzlich heulte die Sirene los - gleich Vollalarm. Jemand rief: „Türen schließen.“ Her Rothe rannte die Treppe hoch und brüllte: „Oh Gott, Christbäume!“ Die Türen knallten zu, das Licht flackerte zweimal auf und war dann aus. Die zwei Nottaschenlampen an der Wand wurden angeknipst, und da war auch schon das unheimliche Brummen in der Luft.

Ich werde nie das entsetzliche Pfeifen der ersten Bomben vergessen. Danach war ein Denken nicht mehr möglich, man duckte sich nieder und wartete nur noch. Wie endlos lang da eine Minute sein kann. Im Keller wurde geweint, gejammert, geflucht, jemand sprach ein Gebet. In der hintersten Ecke schrie Frau Junghans aus Leibeskräften ihre Angst heraus. Einmal hob ich den Kopf und sah keinen ganzen Menschen mehr, nur lauter Rücken: Der ganze Kellerboden lag voller Rücken. Viele Mal heulen, pfiffen, krachen, viele Mal die Angst, trifft die nächste Bombe das Haus. Es wurde weniger, dann war es still. Keiner hätte sagen können, wie lange dieser Angriff dauerte, nur war es, als hätten wir viele Stunden so da gehockt. Langsam hoben sich die Köpfe, viele Taschenlampen gingen an. Bei dieser Beleuchtung sahen alle aus wie Gespenster. Ich sagte zu meiner Mutter, die sehen doch alle gleich aus. Meine Mutter meinte, halt den Mund, du siehst genau so aus. Wir hatten alle den gleichen Schock, keiner war so, wie zuvor.

Zu Überlegungen war keine Zeit. Die Kellertür wurde aufgerissen. Zwei Luftschutzmänner in Uniform und ein Sanitäter leuchteten uns an. „Gibt es Verletzte? Alles in Ordnung?" Es kam keine Antwort. Verletzte gab es nicht, und die Ordnung war uns abhanden gekommen. „Alle zusammenrücken“, rief einer und schon schoben sich völlig verstörte und verdreckte Menschen herein, die alle genauso aussahen, wie wir, nur dass sie viel schlimmer dran waren. Sie hatten alles verloren und trugen bei sich nur das, was sie gerade noch erwischen und unter den Arm nehmen konnten. Ich saß mit meiner Mutter auf den untersten beiden Treppenstufen, weil dort etwas Luft herein kam. Frische Luft war es nicht, sie roch schrecklich, aber Luft war es eben. Der letzte Hereinkommende war ein Mann. Er hatte den linken Arm verbunden, den man ihm mit einem schwarzen Tuch am Hals gefestigt hatte. Er trug nichts weiter mit sich als ein Glas Marmelade. Er setzte sich neben mich und stellte das Glas ganz behutsam ab.

Oben rief einer der Männer: „Hier ist es voll, wir gehen in die nächsten Häuser.“ Laute Rufe an der Kellertür: „Platz machen, Platz machen!“ Und dann hievten zwei Sanitäter eine Trage herein auf der eine junge Frau festgeschnallt lag. Sie rief immer nach ihrem Kind und ihrem Mann. Der Mann war nicht da, aber das Kind wurde herunter gereicht. Es war ein Mädchen, so drei bis dreieinhalb Jahre als. Es setzte sich zu mir auf die Stufe und die Mutter fragte: „Mummeli, wo ist der Papa?“ Sie wusste es nicht. Von den dazugekommenen Menschen erfuhren wir, wo es überall brannte: Schandauer Straße, Geisingstraße, Eilenburger Straße, Markgraf-Heinrich-Straße und der Platz Altstriesen. Auch von der Wormser Straße war jemand dabei und von der Bergmannstraße in Richtung Hepkeplatz.

Schlagartig verstummte jedes Gespräch, und es war wieder dieses schreckliche, Unheil verkündende Brummen zu spüren. Wir ahnten, eine zweite Bomberwelle rollte an und es donnerte schon. Es war der zweite Angriff. Der zweite Angriff war schlimmer, lauter und näher, das Krachen und Heulen schneller hintereinander. Ducken oder hinlegen ging nicht, wir klemmten wie Heringe zusammen. Es schien noch endloser und grausamer zu werden. Als es nach dieser Höllenqual ruhig wurde, traute sich keiner zu bewegen. Man wusste nicht, ob noch ein dritter Anflug kam. Nach kurzer Zeit riss jemand die Kellertür auf und brüllte, dass wir in zehn Minuten das Haus verlassen müssten. Die Bergmannstraße 38 brennt (das Eckhaus zur Eilenburger Straße) und die Nr. 40 auch. Wir wurden angewiesen, uns in der Hausdurchfahrt zu versammeln. Die Hausbewohner konnten sich schnell noch etwas aus den Wohnungen holen. Die junge Frau auf der Trage und das Mummeli wurden herausgehoben und dann stürzten alle hinaus.

Ich rannte mit meiner Mutter im Hinterhaus die Treppen hinauf. Wie angewurzelt standen wir in den Glasscherben der samt Rahmen nach innen herausgerissenen Fenster. Über die Gärten Jensen hinweg sahen war die großen Häuser der Markgraf-Heinrich-Straße. Die Dächer und die oberen Etagen waren eingestürzt. Schornsteine ragten noch heraus. Die Fassaden standen, unten brannte es noch. Der brennende Himmel war noch durch die schwarzen Löcher zusehen und mir war plötzlich klar, was Schiller meinte, als er in seiner Glocke schrieb: „In den öden Fensterhöhlen wohnt das Grauen.“

Linksseitig auf der Eilenburger Straße war von den fünf kleinen Altstriesener Häusern nichts mehr zu sehen als ein winziges qualmendes Häufchen. Der Geruch war entsetzlich beißend. Wir nahmen beide eine Decke und liefen nach unten. Vorn im Treppenhaus waren schon fast alle versammelt. Herr Simon, unser Luftschutzwart, erklärte, dass wir jetzt alle gemeinsam zügig zur Notauffangstelle im Gemeindehaus der Versöhnungskirche gehen. Jeder sollte darauf achten, dass niemand zurückbleibt. Beim Verlassen des Hauses wurden wir von zwei Luftschutzmännern gezählt. Wie waren 53 Personen. Auf der Wittenberger Straße waren viele Häuser verschont geblieben. Zwischen den Häusern brannte es noch. Es ging ohne Hektik und Zwischenfälle.

Im Gemeindehaus wurden wir zu den anderen Menschen in den Saal gedrängt. Auf einem langen Tisch stand die Trage mit der verletzten Frau, das Mummeli saß bei ihr. Wir setzten uns dazu, dann trat eine drückende Stille ein. Nach dieser chaotischen und schlaflosen Nacht wollte jeder nur noch Ruhe. In dieser Lautlosigkeit erklang auf einmal ein helles Kinderstimmchen. Mummeli sang mit strahlendem Gesicht: „Hänschen klein, geht allein ...“ Ich sah meine Mutter lächeln und einige andere Leute auch.

Vor der Saaltür wurden Stimmen laut. Ein nächster Schub Ausgebombter war gekommen. Es wurden Namen gerufen. Die Tür gang auf, ein Mann blickte wortlos suchend ringsum. Ein erleichtertes „Hier sind wir“ erschallte, gerufen von der Frau auf der Trage. Der Mann nahm Frau und Tochter in den Arm und drückte sie lange, sehr lange und dann sagte die junge Frau überglücklich ganz laut: „Ich bin ja so reich, ich habe mein Kind und meinen Mann noch.“ Da ging mir Friedrich Schiller durch den Kopf: „Er zählte die Häupter seiner Lieben und sieh, ihm fehlt kein teures Haupt.“

Dann geschah etwas Seltsames. Als ob ein Bann gebrochen wäre und wir alle dieser Wort bedurft hätten. Es löste sich die Verkrampfung in den Gesichtern und ein leises Murmeln kroch durch den Saal. Die Menschen hatten ihre Worte wieder gefunden, und noch am Leben zu sein, einte uns alle. Viel heißer Tee wurde herein gereicht. Ein älterer Arzt und eine Schwester kümmerten sich um die Beine von Mummelis Mama. Der Arzt erklärte uns, dass alle, die in der Nähe bei Bekannten unter kommen könnten, sich jetzt auf den Weg machen sollten. Es sei mit weiteren Verletzten aus der Innenstadt zu rechnen. Alle, die laufen könnten, mögen sich aus der Stadt bewegen in die weitere Umgebung. Alte und Kranke dürften bleiben.

Herr Simon sammelte die Hausbewohner der Bergmannstraße 44 zusammen, um mit uns nach der Kaserne in Nickern zu gehen. Er kannte sich dort aus, und wir könnten endlich dann etwas essen und schlafen. Wir waren alle einverstanden, nur die alte Mutter Braun blieb in der Kirche. So gegen 5.00 Uhr zogen wir los. Ein paar Mal mussten wir umkehren und einen anderen Weg suchen, weil Trümmer die Straße versperrten. Es ziemlich hell, der Himmel brodelte und es wehte ein merkwürdiger Wind. Der Marsch ging schleppend voran. Nach langer Zeit kamen wir dann auf Feldwege, die für mich kein Ende nehmen wollten. Wir waren etwa dort angekommen, wo heute das Neubaugebiet Prohlis steht. Es war nicht kalt, und je weiter wir vorankamen, umso besser roch die Luft wieder. Um uns Mut zu machen, zeigte uns Herr Simon später etwas oberhalb der Felder eine lange Häuserreihe, bis zu der wir es noch schaffen mussten. Familie Claus hatte einen Leiterwagen, auf den wir unsere wenigen Halbseligkeiten gepackt hatten und den wir vier Leute abwechselnd über den holprigen Feldweg zogen. Es ging leicht bergan.

Dann standen wir vor dem ersehnten Ziel. So gegen halb 12 Uhr wurden wir an der Wache von älteren Soldaten empfangen. Die meisten waren vom Volksturm, wie ich später erfuhr. Zwei von ihnen begleiteten uns eine kleine Anhöhe hinauf. Sie hatten Trillerpfeifen in der Hand und erklärten uns, dass auf der kahlen Wiese „Einmannlöcher“ ausgehoben waren. Wenn gepfiffen wurde, musste man schnell in ein solches Loch hineinspringen und sich hinhocken. Keiner verstand warum, aber zum Denken waren wir zu müde.

Plötzlich wurden Flugzeuggeräusche hörbar, anders als Bomber, und schon schossen zwei Flieger hinter den Häusern hervor und feuerten auf uns. Wir sprangen in die Löcher. In unseren Löchern bekamen wir nur die aufspritzende Erde ab, sonst waren wir hier geschützt, die Löcher waren tief genug. Die Flugzeuge kamen so tief geflogen, dass ich die Köpfe und die Abschussblitze der Geschosse deutlich sehen konnte. Wir wollten gerade aussteigen, aber die Flieger waren im Kreis geflogen und kamen mit ihren Waffen nochmals zurück, um uns zu beschießen. Dann war Ruhe. Wir waren wieder einmal heil davon gekommen.

Auf den letzten Metern zur Kaserne roch es wunderbar nach Fleischbrühe. Wir bekamen Brot und Wellfleisch ohne Ende. Irgendwo war ein Schweineställe getroffen wurden, und die notgeschlachteten Schweine wurden hier in großen Anlagen verwertet. In einer Baracke fielen wir nach dem Essen dort um, wo wir eben standen, und schliefen fest und erschöpft auf Pritschen und Decken ein. Wir wurden geweckt. Herr Simon wollte mit uns reden. Ob wir in der Kaserne übernachten möchten oder mit ihm wieder heim wandern wollten. Er müsse los, würde dort dringend gebraucht. Es war so gegen 16.00 Uhr. Kurze Beratung, wir entschieden uns für den Heimmarsch. Also, alles nochmals von vorn. Etwas Kraft hatten wir ja sammeln können.

Der Rückweg schien kürzer. Nach 21 Uhr kamen wir am Pohlandplatz an und liefen durch die Gartenanlage „Flora" zur Bergmannstraße. Unsere Blicke richteten sich nach der 44 - das Vorderhaus stand noch. Quer über die Straße, durch die Durchfahrt und - das Hinterhaus auch. Der Kunstmaler Emil Glöckner, der nie zu bewegen war, den Luftschutzkeller aufzusuchen, hatte die Funken und Fetzen, die durch sein zertrümmertes Atelierfenster geflogen waren, mit einer nassen Klatsche gelöscht und so unser Haus gerettet. Ihm gehörte unser innigster Dank. So, wie wir waren, legten wir uns in die verschmutzten Betten. Wir hatten unsere Behausung behalten. Das Leben hatte uns am 14.02.1945 abends wieder.

Am nächsten Morgen wurden die Fenster notdürftig geschlossen, dann gingen wir in der Umgebung suchen. Meine Mutter nach Bekannten und Kundinnen (sie war Schneiderin) und ich nach Schulfreundinnen. An der Ecke Bergmann/Schandauer Straße befand sich das Geschäft „Schuh-Schmidt“ mit drei großen Schaufenstern, die von innen dicken Eisenschiebegitter hatten. Die Decken waren eingestürzt, die Gitter völlig verbogen. Das Glas war geschmolzen und hatte sich über den Fußweg ergossen und war dort erstarrt. Es war ein gewaltiger und schauriger Anblick für mich. Mir wurde klar, wie es weiter drinnen in der Stadt aussehen musste. Ich kam bis zum Kino „Gloria-Palast“, weiter nicht. Auch durch das Prinzengäßchen war kein Durchkommen. Auf der Eilenburger Straße standen noch Fassaden, innen war vieles eingestürzt und ausgebrannt. Die kleinen Häuser von Altstriesen waren verschwunden, nur Trümmer.

Durch die Gärtnereien wollte ich heimwärts, da hörte ich ein Kind schreien. Ein junges Ehepaar mit zwei kleinen Mädchen war in einem Blechgeräteschuppen untergekommen. Ich erzählte dies meiner Mutter. Sie holte die Leute zu uns. Wir hatten einen Kachelofen mit Röhre. Da konnte man wenigstens etwas wärmen. Essen kochen ging nicht. Sie blieben zwei Tage, dann fanden sie eine Unterkunft.

Nach Wasser mussten wir uns stundenlang in der Gartenkolonie am Brunnen anstellen und die Eimer dann nach Hause tragen. So lernte man jeden Tropfen Wasser schätzen. Das Wasserholen dauerte einige Wochen, bis die Wasserversorgung wieder einsetzte. Auch die Elektrizität war abgeschaltet. Ohne Strom funktionierte gar nichts mehr. Später war der Strom stundenweise vorhanden. Wir wurden in Gruppen eingeteilt und mussten jeweils zwei Stunden „Nachtwache“ laufen. Jede volle Stunde rief am „Wormser Hof“ einer durch einen Sprechtrichter „feindfrei“ oder auch nicht. Dann war die Angst wieder da.

Nie hätte ich gedacht, dass es mich nach fast sechs Jahrzehnten innerlich so aufwühlen würde, davon zu schreiben. Ich gehöre noch zu den wenigen Jahrgängen, die lieber mit Wasser und Brot auskommen würden, wenn nur kein Verderben mehr vom Himmel fällt. Nie mehr und nirgendwo.


[Bearbeiten] Erlebnisbericht zum 13. Februar 1945 von Gertraude Streubel (verh. Großmann, Jg. 1928), Altstriesen 25, 4. Etage

Der Film „Dresden” hat mich auf die Idee gebracht, einmal meine Erlebnisse aus der Zeit um 1945 zu Papier zu bringen. Viel Gelegenheit hatten wir in der Familie nicht, einmal ausführlich darüber zu sprechen. Darüber zu reden wäre mir wahrscheinlich auch sehr schwer gefallen, ich hätte weinen müssen.

Meine Schule war die 25. Grundschule am Pohlandplatz (Pohlandschule), die im Kriege zu einem Lazarett wurde, so dass ich bis zum Schulende die Junghansschule besuchte ([[Hans-Schemm-Schule). Am 31. März 1943 kam ich aus der Schule und musste ein Jahr in das Pflichtjahr zum Bauern oder in eine Familie mit wenigstens drei Kindern, denn sonst gab es keine Lehrstelle. Ich wollte zu einem Bauern, doch der Arzt meinte, ich sei noch zu schwach für die Landwirtschaft und meine Oma sagte einfach: „Die siehst aus wie eine angeputzte Bohnenstange!” Also kam ich zu einer Familie mit drei Kindern. Von morgens 8.00 Uhr bis abends 18.00 Uhr bekam ich 12 Mark im Monat. Ich hatte Glück, die Kinder waren 9 (Jochen), 7 (Anne) und ein Jahr (Christoph) alt. Es war eine sehr nette und anständige Familie. Die Kinder machten zwar mit mir, was sie wollten – ich war ja auch gerade mal 14 Jahre – aber ich lernte etwas für das Leben. Zu Hause waren nämlich Oma und Mutti, und ich war bis dahin ein verwöhntes Einzelkind. Nach einem Jahr konnte ich Brot abschneiden und verschiedenes mehr, was ich dann später in meinem Haushalt gut gebrauchen konnte. Die beiden großen Kinder sind mir allerdings beim Spazierengehen mit Roller oder Puppenwagen davon gefahren. Aber als das Jahr zu Ende war, haben wir alle gemeinsam etliche Tränen vergossen. Ich sollte dort bleiben. Ich wollte aber Technische Zeichnerin werden und kein Dienstmädchen. Es war gut, denn am 13./14. Februar 1945 war auch von diesem Haus in der Zöllnerstraße nichts mehr übrig geblieben.

Also fing ich am 1. April 1944 bei Zeiß-Ikon eine Lehre als Technische Zeichnerin an. Bis 1942 war dies eigentlich ein Beruf für Männer. Doch der Krieg brachte damals eine Wende. So waren wir der zweite Jahrgang, in dem auch Mädchen ausgebildet wurden. Dem voraus ging natürlich eine Eignungsprüfung. Ich musste einen Aufsatz mit verschiedenen Wörtern und Begriffen ergänzen, eine Gans und ein Fahrrad zeichnen und einen Würfel aus verschiedenen Teilen wieder zusammen setzen. Das Letzte ging allerdings schief. Trotzdem durfte ich am 1. April 1944 um 7.00 Uhr in der Lehrwerkstatt im Ernemannwerk am Pohlandplatz zum Appell im Schlosseranzug antreten. Meine Lehre begann.

Mein lieber Paps war Ofensetzer und meine Mutsch im Kriegseinsatz bei der Post als Briefträgerin. Beide konnten mir nicht sagen, was eigentlich im gewählten Beruf auf mich zu kam. Bei der Berufsberatung stellte man anhand meiner Zeugnisse fest, dass ich gut in Malen und Raumlehre war, also auch gut für eine Lehre als Technische Zeichnerin geeignet war. Drei Jahre Lehrzeit teilten sich auf in ein Jahr Lehrwerkstatt, das in zwei Halbjahre getrennt wurde, und in zwei Jahre in der Konstruktion. Am 1. April 1944 begann somit das erste Halbjahr in der Lehrwerkstatt mit dem schönen Titel „Eisen erzieht”, ganz im Sinne des Führers. Wir waren eine Muster-Lehrwerkstatt und mussten besonders gut sein. 93 Jungen und sieben Mädchen versuchten, ihr Bestes zu geben. Die Muster-Lehrwerkstatt wurde auch vom Gauleiter Martin Mutschmann besucht. Ohne dieses Praktikum hätte ich mir später nicht so gut die Werkstücke vorstellen können, die ich dann zu zeichnen hatte. Auch wir Mädchen mussten feilen, fräsen, bohren und auch schmieden. Es gab keine Extrawurst.

Am 1. Oktober ging es dann in die Konstruktion. Das Konstruktionsbüro war am Altenberger Platz, also liefen wir noch ein Stück weiter. Mit der Straßenbahn gefahren wurde nicht. Wir waren jung und konnten laufen. Ich landete in der Kinomaschinen-Konstruktion, meine Freundin Uschi in der Kameraabteilung. Wir beide kannten uns schon vor der Lehre aus den Jungmädchen-Nachmittagen, und unsere Mütter kannten sich aus der Mütterberatung, eine gute Einrichtung für Mutter und Kind. Es wurde eine Freundschaft für das Leben. Auch heute gehen wir noch zusammen zum Schwimmen und feiern immer am 13. Februar unseren zweiten Geburtstag, der an diesem Tag begann.

Am 13. Februar, dem Faschings-Dienstag, war ich wie üblich tagsüber auf meiner Lehrstelle bei Zeiß-Ikon im Konstruktionsbüro, Abteilung M (Marine) Erdgeschoss, Glashütter Straße am Altenberger Platz bis 16.00 Uhr. Wir hatten beschlossen, am 13. Februar 1945 zusammen mit Uschis Mutter – der Vater war als Soldat in Russland – abends in den Zirkus Sarrasani zur letzten Vorstellung in diesem Winter zu gehen. Der Zirkus spielte im Winter immer in seinem festen schönen Haus in der Dresdner Neustadt und im beginnenden Frühling zog er dann mit Zelt und Wagen durch die Lande. Es sollte an diesem Faschings-Dienstag die allerletzte Vorstellung werden. Das jedoch ahnte noch keiner.

Mein Vater war an diesem Dienstag eher von der Arbeit nach Hause gekommen, er hatte eine starke Erkältung. Nachdem er eine Tablette genommen hatte, schlief er tief und fest am Abend auf dem Sofa in der Stube. Er war der einzige Ofensetzer in ganz Radebeul und wurde daher vom Kriegsdienst befreit, also nicht eingezogen. Meine Mutter fuhr am Morgen zur ihrer Schwester und Familie nach Tetschen (Decin) mit dem Zug, um einen Koffer mit Wäsche wieder zurück zu holen. Meine Tante hatte Angst, dass sie einmal aus Tetschen rausgeworfen wird und dann natürlich nicht noch unseren Koffer retten könnte. Ausgerechnet am 13. Februar fuhr sie los.

Meine liebe Oma saß am Tisch und las. Sie war 60 Jahre alt, als ich geboren wurde, und hörte damals schon fast nichts mehr. Aus diesem Grund hatten wir im Wohnzimmer über der Tür eine Lampe, die beim Klingeln aufleuchtete. Oma saß aber mit dem Rücken zur Tür – wer sollte denn auch um diese Zeit noch klingeln. Die Nachbarn haben fast die Türen eingeschlagen, als zu Beginn des Angriffs die ersten Bomben fielen. Mein Vater wurde dann aber wach. Mein Vater und Oma haben den ersten Angriff im Keller des Hauses Altstriesen 25 erlebt.

Meine Mutter saß um diese Zeit im Zuge, der – Gott sei Dank – mit Verspätung in Tetschen losgefahren war und in Strehlen stehen blieb, da er keine Einfahrt in den Hauptbahnhof bekam. Der Hauptbahnhof war mit Flüchtlingszügen verstopft. Als die ersten Bomben fielen, haben die Fahrgäste den Zug verlassen. Meine Mutter erlebte in einer Gartenlaube den ersten Angriff. Danach lief sie zwischen ersten und zweiten Angriff durch den Großen Garten nach Striesen. Dort angekommen, sah sie, dass unser Haus bereits Feuer gefangen hatte. Wir wohnten in einem Haus innerhalb eines Häuserblocks im vierten Stock. Da die Brandmauern zwischen den Häusern im Keller und auf dem Dachboden für bessere Fluchtmöglichkeiten durchbrochen werden mussten, konnte sich das Feuer im Dachbodenbereich besser von Haus zu Haus ausbreiten. Mein Vater schleppte nach dem ersten Angriff einige Sachen, wie Nähmaschine, Radio, die große Blechbüchse mit Zucker zum Einwecken des Obstes, Betten, Wäschekorb und Speisegeschirr (heute noch vorhanden) in unser Waschhaus im Hinterhaus, solange bis der zweite Angriff kam, den meinen Eltern zusammen im Keller durchmachten.

Und ich war im Zirkus. Es wurde gerade die letzte Zirkusnummer – Eselreiten – angesagt, als die Sirenen Voralarm gaben. Der Voralarm wurde ja nicht ernst genommen, da in Dresden noch nichts Wesentliches an Angriffen passiert war. Wir waren enttäuscht, dass uns der Spaß der letzten Nummer entgehen sollte. Unsere Mäntel hatten wir nicht an der Garderobe abgegeben, so dass wir gleich in den Keller gegangen sind. Viele Besucher haben den Zirkus verlassen, um schnell nach Hause zu gelangen. Doch für uns war der Weg nach Striesen zu weit. Bei Voralarm fuhren auch keine Straßenbahnen mehr. Also ab in den Keller. Es dauerte auch keine viertel Stunde und die ersten Bomben fielen. Uschi meinte: „Na, da werden wir wohl morgen keine Schule haben und helfen gehen müssen.” Wir waren sehr oft anstelle in der Berufsschule auf dem Hauptbahnhof, um Soldaten oder Flüchtlinge aus dem Osten mit Tee zu versorgen oder Mütter mit kleinen Kindern zum Bahnhofsdienst zu begleiten. Schon im letzten Schuljahr gingen wir in die Markgraf-Heinrich-Schule, die in ein Lazarett verwandelt war, um für verwundete Soldaten Briefe an ihre Angehörigen zu schreiben oder mit den Gehbehinderten im Rollstuhl in den Großen Garten zu fahren. Aber an diesem Tage sollte alles ganz anders werden.

Wir hockten uns im Zirkuskeller dicht gedrängt nebeneinander, und eine Detonation folgte der nächsten. Ein Soldat neben mit murmelte immer: „Lieber an die Front, lieber an die Front”. Und ich jammerte nach meiner Mutter. Nach dem Angriff, es war die erste, wie sich später herausstellte, wagten wir uns auf die Straße und liefen über die überall mit Brandbomben übersäte Carolabrücke in Richtung Pirnaischen Platz, aber es war kein Durchkommen mehr. Als wir an die Pillnitzer Straße kamen, um von dort nach Striesen zu laufen, bemerkten wir überall Glasscherben und Dachziegel auf der Straße, und die Flammen loderten aus den Häusern. Auf diese Art wären wir nicht nach Hause gekommen. Wir liefen zur Elbe und am Ufer entlang in Richtung Blaues Wunder. Der Sturm und der Funkenflug waren so stark, dass wir die Funken auf unseren Mänteln ausschlagen mussten. Unsere Schaltücher banden wir vor den Mund und spukten sie nass, damit wir Luft bekamen. Uschi ärgert mich heute noch, dass ich immer meinem Hut nachgelaufen bin, den mir der Sturm vom Kopf blies. Ich hatte ihn aber erst ganz neu zur Konfirmation bekommen.

In Höhe Waldpark, fast in Blasewitz, haben wir uns dann von der Elbe weg ins bewohnte Gebiet gewagt. Am Barbarossaplatz wohnten die Skatbrüder meiner Eltern. Dort haben wir in einer Wassertonne unsere Schals nass gemacht. Der Rauch war unerträglich. Nach Altstriesen oder zur Spenerstraße war kein Durchkommen möglich, so wollten wir zum Pohlandplatz, wo Verwandte von Uschi wohnten. Als wir auf der Jacobistraße angelangt waren, begann ohne Vorwarnung der zweite Angriff. Gerade am Hause, vor dem wir uns befanden, sind wir in den Keller gegangen und fanden dort eine gut organisierte Hausgemeinschaft vor. Eine Familie, die in Bremen ausgebombt wurde, hatte alles im Griff. Wir bekamen eine Ecke mit einer Matratze zugeteilt und mussten dann auch mit löschen, als es im Hause mit Brennen begann. Das Löschen war erfolgreich, das Haus steht heute noch. Ein Haus weiter schlug ein Volltreffer ein, den wir sicher nicht überlebt hätten. Am nächsten Morgen war nur noch ein Trichter zu sehen. Noch heute wissen wir nicht, ob uns das gleiche Schicksal ereilt hätte, wenn wir in den rechten Zirkuskeller gegangen wären.

Am 14. Februar früh haben wir dann versucht, nach Hause zukommen. Es war unmöglich. Also auf den Pohlandplatz. Uschis Onkel und Tante hatten dort ein Milchgeschäft, und wir erhielten Milch zu trinken, die durch ein Sieb gegossen wurde, da Glasscherben überall herumgeflogen waren. Das Haus mit dem Milchgeschäft und die anderen Nachbarhäuser standen alle noch. Dann wollten wir weiter. Ich konnte noch immer nicht nach Altstriesen, denn überall war Rausch. So ging ich mit zur Wittenberger Straße 25 zu Uschis Wohnung. Dort zog ich meine Sachen aus, Uschis Schlosseranzug an, setzte eine Gasmaske auf und lief nach Altstriesen. Die Häuser um den Platz herum waren niedergebrannt. Ein schlimmer Anblick. Bei Uschi hatte ich auf Zettel aufgeschrieben, dass ich mich in der Wittenberger Straße 25 befand. Ich fand auf dem Platz aber keinen Menschen, den ich kannte.

Unseren schönen Markgraf-Heinrich-Platz, auch Altstriesen genannt, hatte man vor kurzem umgebaut. Auf der einen Seite war ein Löschwasserbecken, auf der anderen Seite ein Splitterschutzgraben entstanden. In der Hoffnung, jemanden bekanntes zu finden, öffnete ich die Tür zum Splitterschutzgraben. Ich war sprachlos. Viele Leute saßen da unter ganz teilnahmslos mit angezogenen Beinen auf den schmalen Bänken. Auf dem Fußboden sah ich Wasser aus dem Löschwasserbecken, der offenbar Risse bekommen hatte. Als ich die erste Stufe nach unten ging, gab es einen mächtigen Knall. In der Nähe war eine Bombe gefallen, die zum Mittagsangriff am 14. Februar gehörte. Die letzten Stufen wurde ich durch den Luftdruck hinunter gedrückt, ich saß mit dem Hintern im Wasser. Auch hier fand ich keine bekannten Gesichter, es gab auch keiner eine Antwort auf meine Fragen, alle waren geschockt.

Also wandte ich mich wieder auf den Weg zur Wittenberger Straße in der Hoffnung, dass dort noch das Haus meiner Freundin stehen geblieben war. Es stand. Viele Fenster waren zwar zerbrochen und einige Türen hingen in den Angeln, aber das Haus war noch da, und mein Mantel und mein Kleid auch. Jetzt richteten wir uns erst einmal im Keller zum Übernachten ein, denn keiner hat damals in der Wohnung geschlafen, auch wenn er noch eine hatte. Viel Platz gab es nicht, von Gemütlichkeit war keine Rede.

Am übernächsten Tag saß ich auf der Toilette im Treppenhaus, Innentoiletten waren eine Seltenheit, als eine Frau die Treppe heraufkam, die ich durch die angelehnte Tür sehen konnte. Ich fragte sie, zu wem sie wolle – es war meine Mutter, ich hatte sie nicht erkannt. Die Freude über das Wiedersehen war riesengroß. Ich zog vom Keller Wittenberger Straße in einen Keller auf der Wormser Straße, in dem meine Eltern und die Oma und fast alle Hausbewohner von Altstriesen 25 untergekommen waren. Unsere Häuser in Altstriesen, die Wettinhäuser, hatten nach hintern je einen großen Garten, ein Hinterhaus und einen anschließenden Bleichplan für die Wäsche. Die weiße Wäsche wurde damals nicht nur gekocht und gewaschen, sondern auch anschließend nass auf dem Rasen gebleicht. Der Rasen war abgrenzt mit einem Zaun zum Garten, der bereits zu den Häusern auf der Wormser Straße gehörte und die nicht ernsthaft von Bomben getroffen wurden. Auf diesem Weg waren unsere Hausbewohner den Flammen entkommen. Als ich mit meiner Mutter in diesen Keller ankam, wurde ich nicht nur von meinen Leuten, sondern auch von den übrigen Keller-Bewohnern umarmt. Man hatte mich schon abgeschrieben. Sehr beliebt war ich nicht, denn ich übersprang beim Treppengang hinunter immer ein Paar Stufen, was mit Lärm und einem erhobenen Zeigefinger verbunden war.

Wir wollten zu meinen Großeltern väterlicherseits nach Radebeul-Naundorf, aber zuerst mussten wir mit meinem Vater ins Lazarett in die 25. Volksschule am Pohlandplatz. Er konnte plötzlich nichts mehr sehen. Es stellte sich heraus, dass er eine Rauchvergiftung hatte. Ein Auge hatte in der Pupille ein kleines Loch, hervorgerufen durch einen Funken. Die ihm zuteil gewordene Behandlung schlug gut an und wir konnten zusammen mit ein Paar Brettern auf einem ausgebrannten Kinderwagengestell einen Handwagen zusammenbauen. Zu essen hatten wir Kartoffeln und eingekochtes Obst. Die Kartoffeln wurden in der nahen Kohlenhandlung im brennenden Kohlenhaufen gebraten, und Kartoffeln hatte ja jeder im Keller, und in Gläsern stand eingekochtes Obst. Wasser gab es in einer Kleingartensparte in der Nähe aus einer Pumpe. Wer einen Eimer hatte, war gut dran. In unserem Garten an der Wartburgstraße war alles verbrannt, Kaninchen und Hühner verkohlt.

Am 19. Februar wollten wir dann mit unserem Handwagen und ein Paar Kleinigkeiten bis nach Radebeul-Naundorf. Der Wagen schaffte es nur bis zur Alemannenstraße. Ich wurde mit Oma wieder in einen Keller einquartiert, und meine Eltern liefen allein nach Radebeul, wo mein Vater bei seinem Cousin arbeitete. Der Cousin selbst war eingezogen, seine Frau war nun die Chefin meines Vaters. Sie hatten ein Dreirad, das heißt ein kleines Lieferauto, mit dem Kacheln und alles, was zu einem Ofen gehörte, transportiert werden konnte. Mein Vater hatte keinen Führerschein, also fuhr seine Chefin und beide bildeten die Firma Ofenbau Rultor. Bis zur Firma liefen meine Eltern, und kurz entschlossen setzte sich die Chefin in ihr Auto und holte uns mit meinem Vater am nächsten Tag aus dem Keller Allemannenstraße nach Naundorf. So gut ging es damals nicht jedem!

Als wir ankamen, waren alle entsetzt, wie wir aussahen, aber glücklich, dass wir noch lebten. Ich hätte mich im großen Wandspiegel meiner Großeltern fast nicht erkannt. Meine anderen Verwandten in Dresden waren mit dem Leben davon gekommen. Diese Tatsache musste mein Vater erkunden, sonst wäre die Oma nicht mit nach Naundorf gekommen. Die Verwandten von der Holbeinstraße hatten sich nach Reick in den Straßenbahnhof Reick geflüchtet. Die beiden anderen Familien in Laubegast und auf der Wittenberger Straße waren davongekommen und hatten ihre Wohnungen noch.

Nun waren wir also in Naundorf. Unsere geringen geretteten Habseligkeiten im Waschhaus mussten noch aus Altstriesen geholt werden. Eine Bombe ins Hinterhaus hatte den Waschhauseingang verschüttet und das Waschhaus selbst vor dem Ausbrennen bewahrt. Wir mussten den Schutt wegräumen. Mein Vater zog, versehen mit einem stabilen Leiterwagen, Hacke und Schaufel, von Naundorf nach Altstriesen. Um die Innenstadt musste ein Bogen gemacht werden. Vorbei ging es in den Außenbezirken an Bergen von verkohlten Leichen. Dabei kamen wir auch am Zirkus vorbei und sahen, wie Leichen aus den Kellern geholt wurde. In drei Fahrten retteten wir einige Habseligkeiten. Radio und Nähmaschine nahmen uns allerdings im Mai 1945 die Russen ab.

Ich musste wieder arbeiten gehen. Mein Betrieb war durch den Angriff wenig zerstört worden, im Z-Gebäude Schandauer Ecke Gottleubaer Straße (heute Pentacon Klubhaus) fehlten das Dach und das obere Geschoss. Dort habe ich für einige Zeit die Lehre fortgesetzt. Wir nutzen die Pausen, um oben in der Sonne zu sitzen. Es war bereits Mitte April, als immerfort auf der Schandauer Straße die Pferdewagen in Richtung Krematorium voll mit Leichen fuhren. Niemand machte sich die Mühe, sie mit einer Plane abzudecken.

Mein Arbeitstag sah damals folgendermaßen aus. Von Naundorf, Kötitzer Str. war erst einmal ein Fußweg zur Haltestelle Johannisberg der Straßenbahnlinie 15 nötig. Die Linie 15 fuhr bis zur Geblerstraße (Stadtgrenze). Dann ging es zu Fuß bis zum Bahnhof Neustadt, wo die Linie 11 nach Bühlau fuhr. Ich bin bis zur Plattleite gefahren, dann zur Standseilbahn gelaufen, mit dieser bis zum Körnerplatz gefahren, dann über die Brücke Blaues Wunder gelaufen und habe dann die Pendelbahn vom Schillerplatz bis zur Ludwig-Hartmann-Straße benutzt. Von dort war es nur noch ein Katzensprung zur Altenberger/Schandauer Straße. Ich fing um 10.00 Uhr, eher konnte ich mein Ziel nicht erreichen, und durfte um 14.00 Uhr wieder gehen. Diesen Weg habe ich nicht lange beschritten. Ich bin quer durch die Trümmer gelaufen und vorbei an Leichen, die auf den einigermaßen frei geräumten Straßen in Reih und Glied geordnet und zum Teil auf Kindergröße geschrumpft lagen.

Am letzten Apriltag wurden die Brücken über die Elbe gesperrt und ich musste in das Goehlewerk, das zu Zeiß-Ikon gehörte, in Mickten arbeiten gehen. Dort habe ich auch den letzten Angriff auf Dresden am 16. April im zweiten Stock des Werkes erlebt. Das Werk sei bombensicher, wurde behauptet. Die ersten Tage im Mai 1945 mussten wir alle, alles was laufen konnte, Panzersperren bauen, zum Beispiel an der Johannisstraße und am Bahnhof Naudorf. Auf den Feldern wurden Gräben (Fuchsbauten) ausgehoben, in denen man sitzen konnte, um den Feind noch zu besiegen. Am 7. Mai war das Elend zu Ende und ein Neues begann. Allerdings waren wir froh, dass wir am Leben waren und alles etwas besser sahen als zuvor. Auf dem Grundstück meiner Großeltern wurde eine Grube mit Abdeckung geschaffen, in der ich mich mit einem anderen Mädchen beim Einmarsch der Russen versteckte. Später wurde das Versteck ins Haus an die Dachbodentreppe verlegt. Danach diente der Heuboden im Nachbarhaus als Versteck.

Im Betrieb mussten wir uns alle wieder melden. Alle Maschinen und Geräte, sogar Steckdosen, Toiletten und Waschbecken, wurden abmontiert und gestapelt, um einen weiten Weg in Richtung Osten anzutreten. Erst mussten wir mithelfen, dann bekamen wir die Kündigung. So stand ich auf der Straße und hatte mich auf der Kommandantur zu melden, auch um eine Lebensmittelkarte zu erhalten. Wir erhielten eine Registrierkarte und mussten mit einem Besen aus Birkenzweigen die Radebeuler Straßen kehren. Und der Hunger kam langsam, denn mit der Verpflegung klappte es erst einmal gar nicht mehr. Ich kann mich noch erinnern, wie Radieschen mit durch die Kaffeemühle gemahlenen Getreidekörnern schmecken. Das Frühjahr kam sehr zeitig, und die Radieschen waren im Freiland schon reif.

Nachdem ich eine Woche die Straßen gefegt hatte, musste ich mich in Zitschewig am Bahnhof Richtung Dresden melden. Jetzt begann die Demontage des zweiten Gleises der Eisenbahn. Mit dem Demontieren sind wir bis Weintraube gekommen. Dann wurden wir abgelöst. Wir waren 20 Personen und wurden von zwei Russen bewacht. Der eine war kaum älter als ich und brachte mir ein Stück Brot oder eine Handvoll Würfelzucker aus seiner Hosentasche durchsetzt mit Tabakkrümel mit. Trotzdem schmeckte alles köstlich. Ich bekam weiterhin von ihm ein Buch, ein Seidenkleid und ein zartes goldenes Armband. Natürlich hatte er alles woanders geklaut. Ich gefiel ihm eben und er hat sogar auf mich aufgepasst. Danach ging die ganze Truppe mit unseren zwei Bewachern auf die Steinbacher Straße, um den zur Schule gehörenden Sportplatz zu vergrößern. Wir mussten die um den Platz stehenden Säulen ausgraben und in einer Entfernung von 0,5 m wieder einsetzen. Diese Aufgabe war für mich die letzte dieser Art.

Ein paar Tage später kam mein Bewacher mit meiner Registrierkarte in der Hand und den Worten: Du gehen, du gehen. Offizier will Du kommen in Haus. Damit schob er mich zum Zaun und zur Tür hinaus. Da er ja die Registrierkarte mitgab, meldete mich mein Vater in Radebeul-West in der Mädchenberufsschule an. Nachfragen in Radebeul zur Fortsetzung und Beendigung meiner Lehre blieben erfolglos. Im November 1946 konnte ich bei Zeiß-Ikon wieder antreten und 1947 meine Lehre beenden. Wir waren 23 Jungen und ich das einzige Mädchen. Uschi hatte in den Kamerawerken Niedersedlitz eine Stelle gefunden, um ihre Lehre zu beenden.

[Bearbeiten] Erlebnisbericht zum 13. Februar 1945 von Frau Renate Petermann (Jg. 1927, verheiratete Meinecke), Altstriesen 30

Ich, Frau Renate Petermann (Meinecke), wurde im Jahre 1927 geboren und war zum Zeitpunkt des Angriffs auf Dresden 18 Jahre. Mein Zuhause war das Bauerngrundstück Petermann, Altstriesen 30. Einige Jahre vor dem Luftangriff zog ich mit meinen Eltern auf die Reißiger Straße 13.

Zum Petermannschen Grundbesitz gehörten die Grundstücke Altstriesen 28, 30 und 32. Das Haus Nr. 30 war nur teilunterkellert. Der vordere Keller war ein Gewölbe. Es wurde zur Einlagerung von Kartoffeln, Gemüse, Nahrungsmittel und Obst benutzt, da es ja noch keine Kühlschränke gab. So wurde alles im kühlen Keller aufbewahrt. Dazu hatte auch der Vater hatte in die Kellerwand ein Fach eingebaut. In den Gärten hinter den Häusern wuchs sehr viel Obst, das auch an die Hausbewohner 28, 30, 32 verschenkt wurde. Ein Teil wurde eingekellert und befand sich in Stiegen und Kisten.

Auf dem Schlussstein am Torbogen, der später entfernt wurde, stand die Jahreszahl 1834. In diesem Jahr hatte der Großvater Johann Friedrich Petermann das Grundstück erweitert. Seine Frau hieß Maria, geborene Wemme, und stammte aus der Lausitz. Beide sind in der Familiengruft auf dem Striesener Friedhof beigesetzt. Die Großeltern hatten elf Kinder, von denen aber nur sechs das dritte Lebensjahr erreicht haben. Im Jahre 1901 ist Johann Friedrich bei einem Reitunfall tödlich verunglückt. Seine Frau Marie hat daraufhin die Gutswirtschaft aufgegeben und ein Fuhrgeschäft gegründet. Ein Stück Feld an der Gottleubaer Straße wurde an die Kirche verkauft, die den Striesener Friedhof somit bis zum Landgraben erweitern konnte.

Der älteste Sohn war Karl Petermann, der auf der Elisenstraße 6 wohnte und ein Strohgeflecht-Großhändler war. Er starb noch vor dem Angriff. Dann kam unter den Söhnen Ernst Otto Petermann, der in der Nr. 30 im Erdgeschoss wohnte und nach dem Großvater das Gut bewirtschaftete. Weitere Kinder waren Else, verheiratete Größler (Strohgeflechthändler, Anton-Graff-Straße) und Margarete. Mein Vater, Heinrich Petermann, war der jüngste Sohn. Nahezu jedes Jahr gab es eine Zusammenkunft der ganzen Familie, wo über Einnahmen und Ausgaben betreffend den Grundbesitz, das heißt aus dem Erbe des Großvaters, berichtet wurde.

Meine Eltern und ich wohnten im ersten Stock der Nr. 30. Im Erdgeschoss wohnte mein Onkel Ernst Otto Petermann mit seiner (zweiten) Frau Maria und den Kindern. Sie betrieben bis 1945 ein Futtermittelgeschäft im Grundstück. Ihre Kinder hießen Hans, Ruth und Rolf. In der zweiten Etage wohnte meine Tante Margarete Petermann, die ledig war. Sie durfte ihre Liebe nicht heiraten, weil ein Fischhändler, der er war auf der Schandauer Straße, nicht standesgemäß für die Familie war. Sie war quasi unserer Familie angeschlossen und eine sehr liebe Frau.

Das Grundstück Altstriesen 32 wies einen Laden auf, der anfangs vom Ehepaar K. Hünig betrieben wurde und dann vom Schwiegersohn Kurt Büttner übernommen bis zum Luftangriff als Lebensmittelladen betrieben wurde. Zum Laden gingen von außen seitlich am Haus einige Stufen empor, ehe man in den Laden eintreten konnte. Es war ein typischer Tante-Emma-Laden, in dem es für die damalige Zeit nahezu alles zu haben war. Interessant für die Kinder waren die großen Gläser mit den Bonbons darin und einem Stöpsel-Deckel zum Verschließen. Für wenige Pfennige konnte man sich ein großes Vergnügen leisten.

Vor dem Laden stand seitlich in einem kleinen Häuschen eine große Wäschemangel, die auch an die Büttners vermietet war. Für etwa 25 Pfennig die Stunde konnten die Altstriesener Frauen ihre Wäsche mangeln. Hinter der Nr. 32 erstreckte sich bis zur Eilenburger Straße ein großer Garten, den Büttners als Wäschetrockenplatz benutzten und auch vermieteten. Dort standen auch die Wagen von Büttners, die man auch mieten konnte. Büttners hatten auch Söhne, von denen einer im Krieg gefallen war. Im Haus Nr. 32 wohnte auch der Ofensetzermeister Hugo Eichler, der neben und hinter dem Haus Materialien für das Ofensetzen gelagert hatte.

In unserem Grundstück hatte mein Vater für mich ein Turngerüst gebaut. Es umfasste eine Schaukel, zwei Kletterstangen und ein Reck. Hier spielten ich und auch andere Kinder sehr gern. In der Nr. 26, ein städtisches Haus wohnte die kinderreiche Familie Schröder. Sie hatte sehr viele Kinder. Mit einer Schröder-Tochter in meinem Alter habe ich gespielt. Sie wurde aber von den Eltern auch verjagt, weil es nicht der passende Umgang für mich war. Ihre Cousine mit dem Namen Nicklisch wohnte auch in der 26 zusammen mit Schröders. Zu den Spielgefährtinnen zählte auch Marianne, die Tochter des Bäckermeisters Troschütz.

Im Grundstück Nr. 28 wohnte in der ersten Etage ein Junggeselle, Herr Bruno Hertel, der sehr gut Klavier spielen konnte. Er besaß zwei Flügel, von denen er einen aus Gründen der Deckenbelastung verkaufen musste. Im Erdgeschoss wohnten ein Herr Pfeifer, der bei uns handwerkliche Nachbarschaftshilfe leistete, da mein Vater im Krieg war, und das Ehepaar Flügel.

Getauft wurde ich in der Erlöserkirche auf der Wartburgstraße vom Pfarrer Eichhorn, bei dem ich auch die Konfirmation hatte. Als kleines Mädchen musste ich in einen Kindergarten gehen, um mich an die Umgebung mit Kindern zu gewöhnen. Es war ein besserer Kindergarten in der Stadt, zu dem ich mit dem Auto hingebracht wurde. Meist nahm mich mein Vater mit, wenn er zur Arbeit zur Firma Arthur Sachse & Co. (Polierstraße) fuhr. Dann besuchte ich vier Jahre lang die Privatschule von Frl. Friedel auf der Kretschmerstraße in einer kleinen Villa, ehe ich die Aufnahmeprüfung für die Oberschule für Mädchen auf der Markgraf-Heinrich-Straße absolvierte. Diese Schule besuchte ich, bis sie zum Lazarett umfunktioniert wurde. Dann folgte ein Jahr in einer Schule auf der Zinzendorfstraße, wo das Abitur gemacht werden sollte. Dort mussten wir aber auch bald weg und landeten in einer Oberschule in Loschwitz, die ausgebombt wurde und sich vor de Grundschule befand, die heute noch steht. Den Eintritt in den Arbeitsdienst konnte ich umgehen, da ich eine Narbe am Hals hatte, die von einer Operation durch Prof. Wilfert stammte. So wurde ich für diesen Dienst ausgemustert und wurde kriegsdienstverpflichtet in einem Rüstungswerk auf der Haydnstraße beschäftigt.

Der 13. Februar 1945 - Luftangriff auf Dresden

Ich wohnte zu diesem Zeitpunkt mit meinen Eltern auf der Reißigerstraße 13 im zweiten Stock. Es war eine allein stehende Jugendstil-Villa mit drei Stockwerken. Mein Vater war im Krieg eingezogen und befand sich in Frankreich. Gegenüber unserem Haus befand sich der Nazeret-Stift, wo Schwestern oftmals kleine Kinder zu sechst ausfuhren. Ich war kriegsdienstverpflichtet und arbeitete in der Rüstungsfabrik Tornow auf der Haydnstraße, wo ich mit einer großen Hebelschwere Papier schneiden musste. Eines Tages kam ein Auto aus der Firma meines Vaters Arthur Sachse & Co. in den Hof gefahren, und ich kam ins Gespräch mit dem Fahrer und den Mitfahrern. Auf diese Weise erfuhr man in meiner Firma, wer ich war und wer mein Vater war. Alsbald brauchte ich nicht mehr an der Papierschere sitzen, sondern konnte einfachere Dinge, wie zum Beispiel das Besorgen von Weihnachtsbäumen oder das Prüfen von Kondensatoren, übernehmen. Ich verdiente damals ca. 9 Mark und Pfennige in der Woche. Auch Nachtwache in der Firma musste ich übernehmen, die ich aber für die Entrichtung von 10 Mark an andere abgeben konnte, so auch am 13. Februar, an dem ich eigentlich Nachtwache hatte. Auf diese Weise war ich am Angriffsabend zu Hause.

Am 13. Februar hatten wir Besuch. Es war die Mutter eines Tanzstundenherrn von mir, die am Abend im Hause war. Als die Sirenen heulten, steckte ich meinen Vogel mit Käfig in unser Bad, das keine Fenster aufwies. Wir gingen in den Keller. Meine Mutter, die eine sehr energische und aktive Frau war, ging bald wieder nach oben, um auf dem Boden entstehende Brände zu bekämpfen und mit einer Schaufel Brandbomben aus dem Haus zu werfen. Auch Einwohner aus dem Hause halfen ihr dabei.

Nach dem ersten Angriff stand unser Haus noch, nur die Fensterscheiben waren zersprungen. Es war auch noch Gas da, denn meine Mutter kochte etwas zum Trinken. Während des zweiten Angriffs waren wir wieder im Keller, und am Ende des Angriffs waren wir dann verschüttet, das heißt wir konnten nicht aus dem Keller heraus und hielten uns dort einige Zeit auf. Zu essen hatten wir genug, denn alle Einweckgläser aus Striesen befanden sich im Keller. Wir hofften, dass man uns sucht und einen Zugang zu uns findet. Vom Ausmaß der Zerstörungen konnten wir uns im Keller kein Bild machen. Nach längerer Zeit, wohl erst am nächsten Tag, kam meine Mutter auf den Gedanken, einen Durchbruch zur Waschhaus zu machen, um auf diesem Wege aus dem Keller zu gelangen. Wir taten es auch und durchbrachen mühevoll die Wand vom Keller zum Waschhaus.

Die Treppe und der Eingang zum Waschhaus waren nicht verschüttet, so gelangten wir nach draußen und liefen über die Reißiger- und Comeniusstraße zum Großen Garten, um so zur Nürnberger Straße zur Wohnung unseres Besuches zu gelangen. Von weiten sahen wir, dass die Mutschmann-Villa noch stand. Vor ihr haben wir ca. 10 Tage zuvor Möbelwagen gesehen. Im Großen Garten begegneten wir Tieren aus dem Dresdner Zoo, so einem Hirsch, der verstört weglief. Auch brannten Bäume, vorwiegend auf der Stübelallee, die durch Phosphor in Brand gesetzt worden waren. Im Großen Garten waren wir nicht die einzigen, es waren hier viel Menschen. Das Haus auf der Nürnberger Straße war auch ausgebombt und so zogen wir weiter zu anderen Bekannten, bis wir über Radebeul in Hosterwitz gelandet waren.

Wie wir später erfuhren, haben unsere Verwandten in Altstriesen 30 den Angriff im Gewölbekeller des Hauses überstanden. Meine Tante Maria, die jünger als ihr Mann Ernst Otto war, versuchte, Brände im Hause zu löschen, aber schließlich vergebens. Auch die anderen Bewohner des Hauses waren mit im Keller. Nach dem zweiten Angriff sind Otto und Maria aus dem Keller heraus und haben eine Unterkunft in der Wittenberger Straße gefunden.


[Bearbeiten] Bericht zum 13. Februar 1945 von Anneliese Scharfe (geb. Damm, Jg. 1928), [Merseburger Straße] 3

Unser kleines Haus, dessen Eigentümer mein Vater war, stand etwas verlassen, zwei Vollgeschosse und ein Dachgeschoss hoch, zwischen großen vierstöckigen Stadthäusern (Nr. 1 und 5 und 5b), die bereits nach einem neuen Bebauungsplan anstelle kleinerer und dörflicher Häuser errichtet waren. Unser Haus hatte auch ein Hintergebäude und vor dem Haus einen kleinen Garten mit Bäumen. Auf der anderen Straßenseite standen auch zwei große Stadthäuser (Nr. 2 und 2b) mit dem Optiker Bobe, dann folgten in Richtung Altstriesen auf beiden Straßenseiten noch die alten kleinen Dorfhäuser. Die Fahrstraße zwischen unseren Häusern verlief etwas vertieft, was auf das ursprünglich tiefere Niveau hinwies, als vor vielen Jahren sich hier noch ein alter Elbarm befand.

Meine Familie stammte aus Niesky. Mein Vater Alfred Bruno Damm war dort arbeitslos geworden, mit der Familie etwa 1932 nach Dresden gezogen und hatte die Tintenfabrik Reimann auf der Schubertstraße übernommen. Da dort alles zu klein war, erfolgte ein Umzug auf die Merseburger Straße 3. In die Schule bin ich zur Markgraf-Heinrich-Schule gegangen. Dann besuchte ich eine Handelsschule und die Chemieschule (Clemens und Böttcher) der Stadt, weil diese Ausbildung besser zu den Aufgaben einer Tintenfabrik passte und ich so um den Arbeitsdienst kam. Mein Vater war aus Altersgründen nicht eingezogen, sondern dienstverpflichtet in Freital eingesetzt. Die Tintenfabrik war bis zum Angriff in Betrieb. Tätig waren darin vorwiegend meine Eltern. Der Tinten-Vetrieb erfolgte über einen Leiterwagen an die Kunden.

Am 13. Februar 1945, dem Tage des Angriffs auf Dresden, ging ich, damals 17-jährig, unbekümmert, da wir ja glaubten, in Dresden kann nichts passieren, zu einer wahrscheinlich politischen Veranstaltung in die Stadt. Die Heimfahrt verlief gut bis zur Wartburgstraße zur Straßenbahnhaltestelle Wartburgstraße Ecke Tittmannstraße, wo ich ausstieg. Dort begannen die Sirenen zu heulen. Natürlich lief ich schnell heimwärts. Zu Hause angekommen, hörten meine Eltern den Drahtfunk per Telefon, darin wurden starke Bomberverbände in Richtung Dresden angekündigt. Es dauerte nur kurze Zeit, und man hörte schon das Heulen und Krachen der Bomben. Unser Keller wurde schleunigst aufgesucht. Ich weiß nicht mehr, wie lange wir im Keller hockten. Froh waren wir immer, wenn das Krachen nicht in unserer Nähe war. Die Häuser in unserer Nähe auf der Merseburger Straße blieben vom Bombenhagel verschont, und wir konnten wieder aus dem Keller hochsteigen. Ich weiß auch nicht mehr, ob die Fensterscheiben und die Schuppen im Hof schon beim ersten Angriff in die Brüche gegangen waren, denn nicht viel später begann der zweiten Angriff. Auch dabei blieb unser Haus stehen. Es war furchtbar, die Hausbewohner saßen ein zweites Mal verängstigt im Keller. Über uns wieder das Heulen, Pfeifen und Krachen der Bomben. Nach dem zweiten Angriff brannte vieles im Hof, um uns herum überall Brandgeruch und Rauch.

Wir haben versucht, aus dem Schuppen noch einiges zu retten, aber vergeblich. Nun war erst einmal Ruhe bis zum Vormittag des nächsten Tages. Meine Eltern hatten beschlossen, dass ich mit unserem Untermieter samt etwas Gepäck aus Gründen meiner Sicherheit nach Röhrsdorf zu Verwandten gehen sollte. Da begann der dritte Angriff am Mittag. Wir hatten es nur bis zum Nebenhaus geschafft und mussten dort schnell in den Keller flüchten. Irgendwann später sind wir dann doch noch aufgebrochen. Unser Haus, auch die Tintenfabrik und das Hintergebäude, waren auch diesmal verschont geblieben.

Als ich nach ein paar Tagen wieder zu Hause war, erlebte ich, wie man ohne Wasser, Gas und Strom auskommen musste. Das Wasser musste aus einem Brunnen aus der Nachbarschaft geholt werden. Meine Mutter kochte auf dem Küchenofen. Der Strom kam als erstes wieder. Wir hatten einen Bekannten – ein Ausgebombter – aufgenommen. Die Geschäfte waren leer oder kaputt. In der Haydnschule gleich in unserer Nähe waren Lebensmittel eingelagert. Dort versorgten sich die Leute. Ich glaube, auch wir haben einen kleinen Vorrat an Mehl oder Zucker geholt. Die Straßenbahn, mit der ich am 13. Februar heimgefahren war, stand noch wochenlang ausgebrannt an der Haltestelle.

In die Schule konnte ich nicht weiter gehen, sie war zerstört. Als ich später in der Stadt die zerstörte Schule aufsuchte, hingen noch unsere weißen Kittel wahrscheinlich in einem Hintergebäude. Noch vor Kriegsende kamen unsere Verwandten aus Niesky zu uns, so dass das Haus voll war. Die Verwandten hatten zwei kleine Kinder.

Kurz vor dem Einmarsch der Roten Armee in den ersten Maitagen, wollten wir wieder nach Röhrsdorf flüchten, kamen aber nur bis Niedersedlitz, wo uns bereits die Russen erwarteten und meinem Vater seine goldene Uhr abnahmen. Wir kehrten wieder um und erreichten unser Haus in der Merseburger Straße. Hier wurden wir von den Russen nicht mehr belästigt, aber Angst hatten wir noch lange. Ich selbst wurde von der Straße abgefangen und musste Bombentrichter unter anderem auf der Dohnaer Straße zuschaufeln und andere Arbeiten, auch unter Aufsicht der Russen, verrichten. Abends konnten wir nach Hause und am nächsten Tag wieder zur Arbeit erscheinen.

Meine Mutter vermittelte mir eine Lehre als Schneiderin, die ich auch abschloss. Die Kenntnisse als Schneiderin waren für mich im weiteren Leben sehr wertvoll. Eigentlich wollte ich ja in der Chemiebranche weiter tätig sein. Mein Sohn wurde 1949 geboren. Danach war ich 32 Jahre lang im Labor der Schuhcreme-Fabrik Eg-gü auf der Augsburger Straße beschäftigt. In unserem Haus in der Merseburger Straße 3 haben wir noch bis in die DDR-Zeit bis etwa 1964 gewohnt, als ich schon verheiratet war. Dann wurde das Haus von meiner Mutter an einen Bauern verkauft, und wir sind in die Neustadt (Obergraben, Hauptstraße) gezogen.

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