Gemeinnütziger Wohnungsbau

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Der gemeinnützige Wohnungsbau in Dresden, das Bemühen um gesunden und bezahlbaren Wohnraum für jedermann, ist mehr als 120 Jahre alt. Anfänglich, zu Zeiten der sächsischen Monarchie, existierte er lediglich in Form eines Mäzenatentums und der Selbsthilfe, d.h. aus Baumaßnahmen von Genossenschaften oder Bauvereinen. Erst in der Weimarer Republik wurden das Bauen von Wohnungen, deren Bewirtschaftung sowie die damit verbundenen Interventionspolitiken zu festen Bestandteilen des staatlich-kommunalen Programms.

Der soziale Wohnungsbau nach 1945 ist nicht Gegenstand dieses Artikels.


Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Vorgeschichte - Die königliche Residenzstadt auf dem Weg zum Industriestandort

Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts hatte die Stadt Dresden einen nichtendenwollenden Zustrom an überwiegend armer, arbeitssuchender Landbevölkerung zu verkraften (Verdreifachung bis 1870, Verachtfachung bis 1900, im Vergleich zu 1820), auf den sie einerseits angewiesen, auf dessen Versorgung, insbesondere Unterbringung, sie andererseits in keiner Weise vorbereitet war.

[Bearbeiten] Die Bautätigkeit der Stadt

Im Zuge der Industrialisierung hatte das Stadtbauamt beachtliche Struktur- und Versorgungsbauten wie Straßen, Brücken, Wasser- und Gaswerke sowie Schulen, das Polytechnikum, Krankenhäuser u.ä. zu bewältigen. Darüber hinaus erachtete es Repräsentations- und Amtsbauten wie Theater (Zweites Hoftheater, 1878), den Ausstellungspalast oder das Neue Rathaus, Gerichte und Anstalten, beispielsweise das Gefängnis oder die Arbeitsanstalt als bedeutsame Aufgaben seiner Bautätigkeit.

Wohnungsbau spielte aus städtischer Sicht nur am Rande, etwa bei der wohnlichen Versorgung von Staats- und städtischen Beamten eine Rolle, ansonsten blieb dieser Bereich ganz dem herkömmlichen Baugewerbe überlassen.

[Bearbeiten] Das privates Baugewerbe und der Allgemeine Hausbesitzerverein

Das private Baugewerbe florierte angesichts der steigenden Wohnungsnachfrage der entstehenden Mittelschicht, damit stiegen auch die Preise für Boden, Baumaterialien und Mieten kräftig: "Im Privatbau entwickelte sich, als Speculationsobject, das damalige Dresdener „Miethhaus“."[1]

Aus diesen Kreisen ging 1867 der Allgemeine Hausbesitzerverein hervor (4500 Mitglieder, Vorsitzender: Gustav Hartwig). Ab den 1880er Jahren bestimmte er maßgeblich mit, was im Dresdner Stadtrat und dem Stadtverordneten-Collegium geschah.[2] Berechtigt zur Wahl der Stadtverordneten waren lediglich 6-8% der Dresdner Einwohner.[2]

[Bearbeiten] Die Wohnungsnot und Ansichten zur Wohnungsfrage

Hinweis auf die Dr.-Krenkel-Stiftung als frühes Beispiel für private Wohnungsbaustiftungen in Dresden an den Krenkelhäusern.

Die zeitgenössischen Beschreibungen der Wohnverhältnisse sprechen eine deutliche Sprache: "55% der Dresdner Familien mussten in nur einem Zimmer wohnen."[2] Eine von der Stadt in Auftrag gegebene Studie belegte die Unzulänglichkeit eines Großteils der 2200 untersuchten Kellerwohnungen.[2] Die Zahl der auf Schlafgänger und Untervermietung angewiesenen Mieter, für die eigener, ungeteilter Wohnraum unerschwinglich blieb, wurde in den 1890er Jahren mit mehr als 20.000 Menschen beziffert.[3]

So offensichtlich die Misere also war, so verschieden waren die Vorstellungen, wie mit der Wohnungsfrage umzugehen sei, ob überhaupt etwas zu unternehmen sei.

Eine Antwort bildeten philanthropische Stiftungen seitens reicher Bankiers, Großindustrieller und Rentiers. 1891 verwaltete die Stadt insgesamt 21 Millionen Mark an Stiftungsmitteln, die sie mehrheitlich dem Zweck der Fürsorge und Unterstützung sozial Schwacher zuzuführen hatte.[4]

[Bearbeiten] Stiftungen zu Bauzwecken

Ausdrücklich zur Linderung der Wohnungsnot wurde eher selten gestiftet. Das bekannteste Beispiel dürfte die Johann-Meyer-Stiftung für Arbeiterwohnungen sein, aus deren Mitteln ab 1870 die ersten Sozialwohnungen Dresdens errichtet wurden, in der damaligen Oppellvorstadt, heute Johann-Meyer-Straße. Bis 1899 waren durch Mäzenatentum in ganz Dresden 26 Häuser mit 181 Wohnungen erbaut worden.[5]

Andere, und zwar politische Ansätze zur Bekämpfung von Wohnungsnot, Mietwucher und Bodenspekulation verfolgten die Sozialistische Arbeiterpartei, später SPD und die Gewerkschaften. Bekanntlicherweise wurde die Partei für zwölf Jahre in die Illegalität gezwungen und konnte daher kaum konkret agieren. Auf Landesebene war sie auch nach 1890 politisch benachteiligt.

[Bearbeiten] Der Allgemeine Mietbewohnerverein zu Dresden

Schriftzug des Gemeinnützigen Bauvereins

1883 gründete sich der Allgemeine Mietbewohnerverein Dresden unter Leitung von Franz Schedlich. Gemäß seinem Statut wurde der Verein auf dreifache Weise aktiv: Er betrieb I. Interessens(auf)klärung durch Veranstaltungen und Publikationen, II. die Vertretung von Mieter- und Verbraucherinteressen gegenüber der Kommune oder gegenüber besonders willkürlich agierenden Hausbesitzern und er strebte III. den Erwerb und die Erbauung von Häusern zum Zweck preiswerter und gerechter Vermietung an die Vereinsmitglieder an. Um 1890 hatte er etwa 4000 Mitglieder. [6] Aufgrund des bereits genannten Wahlrechts war der Verein im Stadtverordneten-Collegium dem Hausbesitzerverein immer unterlegen.

1886 kam es nicht nur zur Gründung einer von Vereinsmitgliedern betriebenen Baugesellschaft, der Gemeinnützigen Bauverein AG, die bis 1892 neun Doppelhäuser in der Friedrichstadt errichtete, sondern 1897 wurde der Mietbewohnerverein erstmals selber Bauherr des buchstäblich ersten Genossenschaftshauses in Dresden. Im Haus Nr. 103 b, c in der Rosenstraße standen den Mitgliedern günstige und stabile Mietwohnungen zur Verfügung. Im Hof gab es zudem ein Wäschemangelhaus.

[Bearbeiten] Genossenschafts- und Bodenreformbewegung

Zu besonderem Engagement bei der praktischen Bekämpfung der Wohnungsnot kam es vor allem aus zwei Bewegungen heraus. Reichlich Widerhall fanden zum einen die von Hermann Schulze-Delitzsch verfochtene Genossenschaftsidee sowie das mit ihr verbundene Motto der Hilfe durch Selbsthilfe. Allerdings waren derartige Initiativen zuerst durch die fehlende Gesetzgebung, später durch den fehlenden Haftungsschutz stark behindert. Erst 1889, nach Inkrafttreten des zweiten Genossenschaftsgesetzes nahm die Zahl der genossenschaftlichen Bauvereinigungen in Sachsen, langsam zu. Mit dem Dresdner Spar- und Bauverein, der ersten in Dresden gegründeten Baugenossenschaft (1898), war deren Anzahl immerhin auf zehn Baugenossenschaften gestiegen. Ebenfalls noch vor 1900 gewann aus den Bestrebungen Adolf Damaschkes die Bodenreformbewegung (organisiert im Bund der Bodenreformer) an Zulauf, woran in Dresden auch die besagten Veranstaltungen des Allgemeinen Mietbewohnervereins ihren Anteil hatten. Diese Bewegung erreichte, mit über 3000 Mitgliedsorganisationen deutschlandweit, während des Ersten Weltkrieges ihren Höhepunkt.


[Bearbeiten] Die Baugenossenschaften von 1898 bis 1914

Allein im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts gründeten sich in Sachsen rund 130 Baugenossenschaften und -vereine. Auch in Dresden nahm das bauliche Genossenschaftswesen deutlichen Aufschwung. Am Fall der ersten Dresdener Baugenossenschaft, des bereits erwähnten Dresdner Spar- und Bauvereins, lassen sich die Anfänge des genossenschaftlichen Wohnungsbaus besonders gut nachvollziehen.

[Bearbeiten] Die Vorreiterrolle des Dresdner Spar- und Bauvereins

Schriftzug des Dresdner Spar- und Bauvereins

Im damaligen Wohnungsbau entfiel ein hoher, schlimmstenfalls 50-60%iger Anteil der Gesamtkosten auf den Kauf der Baugrundstücke. Da nach herkömmlichem Recht aber nur bauen konnte, wer auch Eigentümer des Bodens war, waren die Genossenschaften - insbesondere für die Finanzierung ihrer ersten Bauvorhaben - gezwungen, innovative Wege einzuschlagen. Dem Dresdner Spar- und Bauverein gelang dies, indem er Dresdner Industrieunternehmen das Angebot unterbreitete, deren Werkbautenbau (zum Zweck der Belegschaftssicherung) an den Verein auszulagern und stattdessen lieber dauerhafte Wohnungsverfügungsberechtigungen zu kaufen. Für die Unternehmen verband sich damit der Vorteil, ihre „Baukosten“ um mehr als die Hälfte zu senken. [7] Für den Spar- und Bauverein war der auf diese Weise verfügbar werdende „Kredit“ das entscheidende Mittel, um tatsächlich bauen zu können - für die jeweiligen Werkarbeiter sowohl wie darüber hinaus für die eigenen Mitglieder. Aus diesem Kontext stammen auch die zwei Symbole der Bausparer der Pelikan und der Bienenkorb. Sowohl der aufopfernde Vogel als auch die fleißigen Insekten finden sich mehrfach an Dresdner Häusern.

Parallel dazu, und gemeinsam mit dem Allgemeinen Mietbewohnerverein, bemühte sich der Dresdner Spar- und Bauverein über eine Petition an die Landesregierung und die Landeskammern, Bauland aus staatlicher Hand zugesprochen zu bekommen. Regierung und beide Kammern "anerkannten die Bestrebungen der Petenten als verdienstlich", beantragten und beschlossen aus "gewichtigen Bedenken" allerdings, "die Petitionen auf sich beruhen zu lassen".[8]

Torhaus der Dr.-Höhne-Häuser des Dresdner Spar- und Bauvereins in Löbtau

Noch aussichtsloser war es um solche Anliegen bei den damaligen städtischen Organen bestellt. Hier wurde teils noch das von der Deputation gemachte Zugeständnis bestritten, "daß die von den Petenten geschilderte Wohnungsnot thatsächlich vorhanden sei"[8] Auf den Leerstand ihrer durchschnittlich zu teuren Wohnungen wussten die zunehmend selbst von Krisenerscheinungen betroffenen Hausbesitzerkreise nicht anders als mit Mieterhöhungen (nach 1900: 14%) [9], auf jeden Fall aber mit der Verleugnung der Wohnungsnot zu reagieren. Da die Löhne langsamer stiegen als die Mieten, erhöhte sich die Zahl der „Wohnungslosen“ eben selbst bei Wohnungsüberschuss. Bezifferungen des Mangels an preiswertem Wohnraum (7000 Wohnungen war noch eine moderate Schätzung), wie sie von Mietbewohnerverein und Spar- und Bauverein formuliert wurden, lösten verbal-agressive Angriffe und Schuldzuweisungen gegen die Vereine bzw. deren prominenteste Vertreter aus.[10][9]

Dennoch gelang es dem Dresdner Spar- und Bauverein im Gefolge seiner Bemühungen, Erbbauvertragsverhandlungen mit dem Deutschen Reich aufzunehmen. Das Erbbaurecht war im erst 2 Jahre zuvor in Kraft getretenen BGB reichsweit gesetzlich verankert (§§1012-1017) worden. Es wurde eingeführt, um Großgrundbesitzern, wie dem Staat oder der Kirche, durch ein getrennt veräußerbares Nutzungsrecht die Aufwertung ihres Grundbesitzes bei gleichzeitiger Eigentumswahrung zu ermöglichen. Für die Genossenschaften bestand der Vorteil des Erbbaurechtes darin, dass auf seiner Basis erstmals größere Bauprojekte erschwinglich wurden (alle Mittel, so denn aus Hypotheken vorhanden, konnten in den Bau fließen). Dank der Unterstützung des Reichsamtes bzw. des Staatssekretärs des Innern, Arthur von Posadowsky-Wehner wurde 1902 der erste Dresdner Erbbau-Vertrag, zwischen dem Bauverein und dem Deutschen Reich, abgeschlossen, und zwar für ein Gelände in Löbtau. Dieses befand sich zunächst im sächsischem Staatsbesitz. Da auf Landesebene der Vertrag nicht zustande gekommen war, bildete der Erwerb durch das Deutsche Reich eine der zentralen Voraussetzungen des Vertragsabschlusses. Schon 1905 konnten die Graf-von-Posadowsky-Wehner-Häuser - eine mustergültige Anlage mit 300 Wohnungen - bezogen werden.

[Bearbeiten] Vierzehn Genossenschaften und ihre Architekten

Schriftzug der Eisenbahnerbaugenossenschaft in Strehlen

Bis 1914 entstanden in Dresden 14 Baugenossenschaften, darunter die drei großen Genossenschaften

Die Eisenbahnerbaugenossenschaft besaß dank der Pensionskasse ihrer Angestellten vergleichsweise gute Optionen, um ihre Anfangsschwierigkeiten schnell zu überwinden. Sie entwickelte sich zur größten Dresdner Baugenossenschaft. Eher unbekannt blieb der in Cotta enstandene

Schriftzug der Eigenheimsiedlung Briesnitz in der Zschonerallee
Schriftzug der Baugenossenschaft zu Leuben

Weitere neun Genossenschaften entstanden und agierten in den damals noch außerhalb Dresdens liegenden Vororten

Die Baugenossenschaft Dresden-Land begann den Bau ihrer ersten Wohnkolonie dank eines Erbbau-Vertrages mit Otto Kauffmann in Niedersedlitz. In Hellerau wurde von der Deutschen Gartenstadtgesellschaft der Baugrund zum Selbstkostenpreis abgegeben, so dass die Genossenschaft sofort nach ihrer Gründung mit dem Bauen beginnen konnte. Der Dobritzer Spar- und Bauverein arbeitete eng mit der Dresdner Gardinen- und Spitzenmanufaktur zusammen und begann ebenfalls noch vor dem Ersten Weltkrieg zu bauen. Die Baugenossenschaften in Laubegast, Leuben, Zschachwitz und Briesnitz konnten anders als in Dresden auf die Unterstützung der jeweiligen Ortsvorstände zählen. In Briesnitz wurden 1912 die ersten Baugruben ausgehoben. Eher selten kam es vor, dass auswärtige Genossenschaften sich um Bauprojekte in Dresden bemühten, aber dies traf auf die

(später: Bau- und Heimstättengenossenschaft Groß-Dresden bzw. Heimstättengenossenschaft Freital und Umgebung) zu.

Der höhere planerische Aufwand für die nun meist größeren Wohnanlagen führte zu einer stärkeren Verbindung zwischen Baugenossenschaft und Architekt. Beispiele sind Kooperationen zwischen dem Dresdner Spar- und Bauverein und Schilling & Graebner, der Eisenbahnerbaugenossenschaft und Curt Herfurth oder die des Kleinwohnungsbauvereins mit Otto Schubert.


[Bearbeiten] Die Zentralstelle für Wohnungsfürsorge und die Anfänge des Heimstätten- und Siedlungswesens

Schriftzug der Heimstättengesellschaft Sachsen.

Obwohl die Bundesländer die 1912 im Reichstag beschlossenene Resolution einer reichsweiten Gesetzesreform des Wohnungswesens sowie der Förderung des Wohnungsbaus auf Länderebene (in Form von Kredit- und Steuererleichterung, Erbbauausbau, von Bebauungsplänen etc.) mehrheitlich ignorierten, setzte dennoch ein Umdenken ein und manche Länder, so auch Sachsen, starteten eigene Initiativen. 1911 stimmte das Land der Finanzierung einer Finanz- und Bauplanberatung leistenden Zentralstelle für Wohnungsfürsorge zu. (Sie existierte etwa neun Jahre, 1912-1921.)

Bereits 1916 erließ Sachsen ein (vom Hauptausschuss für Kriegerheimstätten (Bodenreformer) und von der Zentralstelle zusammen erarbeitetes) Kriegerheimstättengesetz, das Kriegsheimkehrern die Möglichkeit zum Bau einer eigenen Heimstatt einräumte. Als Heimstatt zählte hier ein Haus - für maximal vier Familien - zur privaten Nutzung mit Garten und Kleintierhaltung, das einerseits nicht gewerblich genutzt oder vermietet oder „frei“ verkauft werden durfte, andererseits aber auch nicht verpfändet werden oder durch Vollstreckung dem Bewohnenden entzogen werden konnte. Zudem war es von Steuern befreit war. Das Grundeigentum konnte Bestandteil der Heimstatt sein, musste es jedoch nicht. (Angesichts absehbarer Engpässe wurde zudem der gärtnerischen Selbstversorgung ein hoher Stellenwert beigemessen.)

Als Ausführungsorgan für ganz Sachsen war die eigens dafür gegründete

(später: Landessiedelungsgesellschaft Sachsen) vorgesehen. Zugleich wurden alle sächsischen Amts- und Kreishauptmannschaften zur Gründung eigener, lokaler Gesellschaften angeregt, wozu es aber selten kam. Eine der Ausnahmen bildete Dresden, wo bald darauf noch die

entstand, obwohl bereits Jahre zuvor die

gegründet worden war. Da während der gesamten Kriegszeit ein genereller Baustopp galt, blieb es für Jahre bei den guten Absichten.


[Bearbeiten] Baugenossenschaften, gemeinnützige Siedlungs- und Baugesellschaften sowie Siedlervereine von 1919 bis 1938

Mit dem Ende des Ersten Weltkrieges und der Revolution von 1918 sowie dem Beginn der Weimarer Republik trat auch der Wohnungsbau in eine neue Ära ein. Auf rechtlicher Ebene kam es dank verschiedener Gesetze und Änderungserlasse zu Verbesserungen. Beispielsweise wurde das Erbbaurecht per Verordnung (1919) präzisiert und mit Artikel 155 wurde das Recht auf eine Wohnung oder eine Heimstatt in der Weimarer Verfassung verankert. Ganz im Geist der staatlicherseits schon zu Kriegszeiten entwickelten Siedlungsvorgaben folgte 1920 die Verabschiedung des Reichsheimstättengesetzes.

Dennoch wurden aufgrund der katastrophalen Wirtschaftslage real nur wenige Wohnungen gebaut. In den fünf Jahren bis 1924 entstanden in Sachsen pro Jahr lediglich 3400 Neuwohnungen. (Zur Relation: Allein in Dresden wurden vor dem Krieg pro Jahr etwa 3000 Wohnungen errichtet.) Und selbst diese wenigen Wohnungen verdankten sich zu mehr als 80% einer öffentlichen Zuschussfinanzierung durch das Reich, das Land und die Gemeinden (70-50%) - diese betrug bis 1921 783 Millionen Mark.[11] Einen hohen Anteil am Bauvolumen (40%) erzielten unter diesen Umständen die Baugenossenschaften, sie konnten 1919 und 1920 wenigstens einige Anlagen in Angriff nehmen bis die Inflation auch sie zur Einstellung der Bauarbeiten zwang. Fast keinen Anteil hatte das private Baugewerbe, dieses konnte und wollte unter so unrentablen Umständen nicht bauen.

Erst nachdem die Inflation 1924 durch eine Währungsreform (de-facto Enteignung) beendet worden war, setzten aufgrund staatlich-kommunaler Subventionspolitik langsam wieder Baumaßnahmen ein. Bis zu einem Drittel dieser Bausubventionen entstammte der Hauszinssteuer (1924). In Kombination mit dem Reichsmietengesetz (1922) belastete sie erstmals tatsächlich verstärkt die Grundeigentümer (und nicht nur die Mieter). Aus der deutschen Anleihepolitik (Dawes-Plan) standen optional weitere Mittel zur Verfügung.

Da die Notwendigkeit der Subventionierung zwischen den Parteien unstrittig war, herrschte bezüglich der konkreten Ausgestaltung der Subventionen ein großer Handlungsspielraum. Indem sie an ausschließlich privaten Gewerbe- und Eigentumsformen festhielten, schöpfte die Mehrzahl der deutschen, nicht selten absolut SPD-regierten Kommunen die ihnen gegebenen Möglichkeiten nicht einmal ansatzweise aus. Statt zumindest begrenzt kommunalisierte Formen der Baustoff-, Bau- und Mietwirtschaft anzustreben und sich, als Kommunen, selbst zu subventionieren, suchten sie Zuflucht im Herkömmlichen. Sie beschränkten sich darauf, bei der Subventionsvergabe gemeinnützige Baugesellschaften zu bevorzugen, sie mit Bürgschaften zu unterstützen und ihnen Auflagen zu erteilen. Auch traten sie deutlich häufiger als Grundeigentümer und Bauaufträger in Erscheinung. Unbestritten war, dass der Kleinwohnungsbau dadurch quantitativ merkbar gesteigert wurde und in den Jahren 1927-1929 seinen Höhepunkt erreichte.

[Bearbeiten] Drei Grundströmungen der Weimarer Zeit

Diese Steigerung trat auch in Dresden ein. Ebenso traf es zu, dass die Dresdner SPD überwiegend herkömmliche Maßnahmen ergriff. Da sowohl das Genossenschaftswesen als auch das Siedlungs- und Heimstättenwesen in Dresden stark repräsentiert waren, trat der kommunale Wohnungsbau, als dritte der Grundströmungen, hier weniger dominant in Erscheinung.

Zudem waren die Übergänge zwischen den Strömungen in vielerlei Hinsicht fließend. Die Siedelungsgesellschaften bedienten zwar mehrheitlich Siedlervereine, aber bis zu einem Drittel ihrer Wohnungen entstanden im Auftrage von Kommunen, schließlich waren Kommunen und Land in der Regel Hauptgesellschafter. Klientelbasierte Heimstättengesellschaften (z.B. der Rentenversicherungsanstalt für Angestellte) begannen zunehmend für die gesamte Bevölkerung oder auch im Auftrag der Städte zu bauen, sie kamen allerdings nicht ohne Bauzuschüsse aus. Selbst die Genossenschaften waren vielfach durch Erbbauverträge an die Kommunen gebunden, die langfristig (z.B. 80 Jahre) auf die Übereignung des Wohneigentums an dieselben hinauslief. In gewissem Sinne könnte man auch alle drei Strömungen dem kommunalen Wohnungsbau zurechnen.

Bis auf die Frage Geschoßbau oder Einfamilienhaus verloren die meisten sichtbaren Differenzen an Gewicht. Es bildete sich ein eher zeittypischer Baustil heraus, bei dem Haustypen und -gestaltung voneinander übernommen wurden. Insofern lässt eine Wohnanlage bei heutiger Betrachtung kaum Rückschlüsse darauf zu, ob sie kommunal, genossenschaftlich, als Heimstättensiedlung oder sogar privat gebaut worden ist. Besonders beliebte Gestaltungsmittel wie zum Beispiel das Torhaus sind häufig in Dresden anzutreffen.


[Bearbeiten] Genossenschaftlicher Wohnungsbau in Dresden

Schriftzug der Heimstättengenossenschaft Dresden--Reick an der Reicker Straße.
Die Zahl der von verschiedenen Wohnungsbaugenossenschaften errichteten Wohnungen im Vergleich (verschiedene Quellen, zumeist K.-H. Löwel).

Nach dem Ersten Weltkrieg entstanden in Dresden etwa 13-15 neue Genossenschaften, darunter die beiden großen Genossenschaften

Im Statut dieser Reicker Genossenschaft war ein Erwerbsrechtpassus enthalten, der es den Mitgliedern ermöglichte, das von ihnen bezogene Haus zum Selbstkostenpreis zu erwerben. Vom Reicker Beispiel inspiriert, entstand in der angrenzenden Gemeinde die

Zwei der Genossenschaften vertraten Kriegsrückkehrer,

zwei weitere bedienten das Dresdner Handwerk

und Umgebung (1926),

Bei etwa der Hälfte der Neugründungen, sieben Baugenossenschaften, handelte es sich um eher kleine, nur lokal agierende Genossenschaften, die sich ursprünglich als Siedlervereine organisiert hatten, wie z.B.

Dank der Subventionen und der besseren Zusammenarbeit mit der Stadt waren die Genossenschaften in ihrem stetigen Bemühen, angemessenen Wohnraum zu angemessenen Mietpreisen zur Verfügung zu stellen, sehr erfolgreich. Alles in allem bauten die insgesamt etwa 30 Baugenossenschaften Dresdens bis 1940 etwa 12000 Wohnungen. Langfristig hat dieses genossenschaftliche Modell noch am ehesten den Anforderungen des städtischen Raums entsprochen. Der Anteil der Genossenschaften am Gesamtbau betrug für Sachsen etwa 38% (Stand: 1927), für Dresden lag er vermutlich sogar etwas höher.


[Bearbeiten] Das Dresdner Siedlungs- und Heimstättenwesen

Logo des ASSV an einem Haus, das von einer Baugenossenschaft errichtet wurde.

In ganz Sachsen wurden bis 1932 durch die Landessiedelungsgesellschaft Sachsen sowie durch hunderte von Siedlervereinen zusammen 15367 Wohnungen errichtet.[12] Relativ wenige dieser Wohnungen lagen in Dresden, zur Aufstellung gehörten lediglich drei, damals noch nicht zur Stadt zählende Anlagen (Rähnitz-Hellerau, Omsewitz und Mockritz). Bis 1938 kamen noch mindestens vier von der Landessiedelungsgesellschaft Sachsen getragene Anlagen in den Außenrändern der Stadt (Kaditz, Gorbitz, Rochwitz und Niedersedlitz) hinzu. Daneben besaßen etwa 300 sächsische Siedlervereine ab 1923 im

(später: Deutscher Siedlerbund) ihren eigenen, aus verschiedenen Vorläufern hervorgegangenen Dachverband. Bis 1928 waren durch denselben sachsenweit noch weitere ca. 6000 Siedlerwohnungen erbaut worden; etliche davon auch in Dresden.[13]

Im Zentrum des Siedlungswesens in Dresden standen dagegen die bereits erwähnte Siedelungsgesellschaft „Dresden Stadt und Land“ als Heimstättenausgeberin (ab 1933 hieß sie Gemeinnützige Bau- und Grundstücksgesellschaft) und mindestens zwanzig Siedlervereine, in denen sich Kriegsrückkehrer, Kriegerwitwen mit ihren Familien und andere Siedlungswillige organsiert hatten. Einer der größeren Siedlervereine dürfte der Siedlerverein Dresden-Löbtau mit 110 Mitgliedern gewesen sein. Bekannt war auch der Siedlerverein Kriegerheimstätten Dresden-Trachau. Nicht zu unterschätzen waren die von den Siedlern aufzubringenden Eigenleistungen. Der mit 1000 Siedlungswohnungen bis 1933 angegebene Gesamtbestand für Dresden ist wahrscheinlich zu niedrig, andere Angaben mit bis zu 6000 Wohnungen bis 1938 sind dagegen wahrscheinlich überhöht. (Die Ermittlung ist durch jeweils überlappende Zählungen zwischen den beteiligten Institutionen grundlegend fehlerbelastet.)

In Bezug auf das Heimstättenwesen spielten in Dresden allerdings noch zwei Gesellschaften eine Rolle. Die bereits erwähnte Heimstättengesellschaft Sachsen war Dresdnern vor allem durch die „Tor zur Stadt“-Bebauung in Strehlen bekannt. Sehr erfolgreich trat zudem

in Erscheinung. Sie war eine der 35 Tochtergesellschaften der Gemeinnützigen AG für Angestellten-Heimstätten (GAGFAH) in Berlin, weshalb ihre Anlagen ab 1935 als Eigentum der nach Weimar verzogenen GAGFAH registriert wurden. Sie baute meist gemischte Anlagen (Geschoß- und Familienhäuser) in Räcknitz, Laubegast, Leubnitz-Neuostra und Reick sowie mehrere Eigenheimsiedlungen Dresdens bis Ende der 30er Jahre.

Mochte das Siedlungswesen gegenüber einer in greifbare Nähe gerückten Kommunalisierung auch antiquiert gewirkt haben, nach den verlorenen Kriegsjahren waren dennoch große Erwartungen mit ihm verknüpft. Dass sich diese, nicht zuletzt wegen der starken Reglementiertheit der Abläufe sowie des ungünstigeren Aufwand-Resultat-Verhältnisses, nur mäßig erfüllten, tat der öffentlichen Promotion des Siedlungswesens jedoch keinen Abbruch. Eignete es sich dank derselben Reglementiertheit doch offenbar bestens, einer Radikalisierung der Siedler vorzubeugen und ursprünglich emanzipatorische Elemente zunehmend in rückständiges Gedankengut zu verkehren.


[Bearbeiten] Gemeinnützig-kommunaler Wohnungsbau Dresdens

Vom eher selten Sonderfall zum selbstverständlichen Vorgang entwickelte sich der kommunale Wohnungsbau. Damit sind nicht nur die unter der Ägide von Stadtbaurat Paul Wolf errichten Wohnanlagen an der Tornaer Straße in Prohlis oder Gohliser Straße in Löbtau gemeint, also solche, in denen die Stadt als Grundeigentümer, Auftraggeber, als auch, als Hauseigentümer agierte. Bei der Mehrzahl der Anlagen war dies nicht der Fall und doch waren sie städtisch in dem Sinne, dass sie maßgeblich auf städtischen Bebauungsplänen basierten und auf ihren Auftrag hin zustandekamen. Als prominentestes Beispiel kann hier die Großsiedlung Trachau gelten. An ihr nahm die Stadt zudem als Bauträger Anteil, da es sich bei der

um eine Baugesellschaft handelte, deren Aktien nahezu vollständig in städtischer Hand lagen. Der zweite große Bauträger in der Großsiedlung Trachau war die

Die GEWOG war eine Tochtergesellschaft der reichsweiten DEWOG, Berlin. Alle ca. 1000 in Trachau gebauten Wohnungen (geplant waren 2000) sollten schon nach 32 Jahren der Stadt als Eigentum übereignet werden. (Seit 1995 befinden sie sich im Besitz der Wohnungsgenossenschaft Trachau Nord eG (WGTN).)

Die GEWOBAG hatte bis 1936 etwa 2000 Wohnungen erbaut. Neben den Bauten der Großsiedlung Trachau zählen auch die GEWOBAG-Anlage in Gruna und die Anlage in Neustadt-Nordwest zu den Beispielen des Neuen Bauens in Dresden.

[Bearbeiten] Der Wohnungsbau bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs

Mit dem Machtantritt der Nationalsozialisten war das republikanische Wohnungsbauprogramm zu Ende. Die Genossenschaften und Wohnungsbaugesellschaften wurden den bekannten Gleichschaltungsmaßnahmen unterzogen. Besonders hart waren gewerkschaftsnahe Gesellschaften betroffen. Bei Genossenschaften blieb der Bestand zwar mehrheitlich unangetastet, doch waren ihre Möglichkeiten, zu bauen, recht limitiert. Weniger Abneigung hegte das neue Regime gegen die inzwischen umbesetzte GEWOBAG und die Siedlungsgesellschaften. Wie die Dresdner Nachrichten im August 1938 berichteten, war das Modell "der ersten nationalsozialistischen Großsiedlung Sachsens, der 450 Häuser fassenden Mustersiedlung Niedersedlitz" ein Publikumsmagnet auf der Jahresschau der Deutschen Arbeitsfront.[14]


[Bearbeiten] Bilder

[Bearbeiten] Pelikane und Bienenkörbe

[Bearbeiten] Torhäuser


[Bearbeiten] Einzelnachweise

  1. Die Bauten, technischen und industriellen Anlagen von Dresden, Seite 362, 1878.
  2. a b c d Konstantin Hermann: Bevölkerung, Stadtverwaltung und Politik im expandierenden Dresden, in: "Dresden in der Gründerzeit", Dresdner Hefte 99, 2009, S. 29-39
  3. Dresdner Nachrichten Seite 2, 29. Oktober 1902.
  4. Michael Werner: Gemeinsinn und Standesbewusstsein - bürgerliche Stiftungskultur um 1900 in Dresdner Hefte Nr. 93, Bürgertum und Bürgerlichkeit in Dresden, S. 37, 2008.
  5. Arthur Becker: Ein Vorschlag zur Schaffung von Arbeiterwohnungen auf baugenossenschaftlichem Wege durch den Dresdner Spar- und Bauverein, Seite 8, Dresden 1899.
  6. Mitteilungen des Allgemeinen Mietbewohnervereins zu Dresden, Bandzählung 1/7.1889, S. 11.
  7. Arthur Becker: Ein Vorschlag zur Schaffung von Arbeiterwohnungen auf baugenossenschaftlichem Wege durch den Dresdner Spar- und Bauverein, Seite 14, Dresden 1899.
  8. a b Landtagsakten/Berichte der zweiten Kammer, Nr. 244, Bandzählung 1899/1900, 2, 2, 1900.
  9. a b Dresdner neueste Nachrichten, Seite 11, 9. Juli 1908
  10. Mitteilungen des Allgemeinen Mietbewohnervereins zu Dresden, Seite 3f, Band 15.1903,1/9.
  11. "Geschäftsberichte der Landessiedelungsgesellschaft „ Sächsisches Heim“ bzw. Sachsen 1919-1938", S. 4, Dresden 1921
  12. Geschäftsberichte der Landessiedelungsgesellschaft „Sächsisches Heim“ bzw. Sachsen 1919-1941 [1], Dresden 1932, S. 7
  13. Karl-Heinz Löwel: "Die Siedelungsgesellschft „Dresden Stadt und Land“", S. 18, Dresden 2016
  14. Dresdner Nachrichten 1938-08-13, S. 6

[Bearbeiten] Literatur


[Bearbeiten] Weblinks

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