Kelterei Lockwitzgrund

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Die ehemalige Kelterei Lockwitzgrund. Zustand Frühjahr 2012
Gesamtansicht der Kelterei und der Schänke am Anfang des 20. Jahrhunderts
Innenansicht der Obstschänke mit Jagdzimmer und Bauernstube
Obstkelterei und Obstschänke der Familie Donath im Lockwitzgrund

Die Kelterei Lockwitzgrund ist eine ehemalige Obstkelterei im Dresdner Stadtteil Lockwitz. Das Unternehmen trug bis 1949 den Namen „Donath's Obstkelterei Lockwitzgrund“ und befand sich dort zwischen 1906 bis 1994. Gründer der Kelterei war die Familie Donath. Zu DDR-Zeiten wurde der Betrieb verstaatlicht und schließlich die größte Obstkelterei des Landes.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Geschichte

Der spätere Unternehmer und Händler Emil Donath (18681945) befasste sich bereits in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts während seines Studiums an der Dresdner Kunstakademie, wie man aus Obst haltbare Säfte ohne die damals üblichen Konservierungsstoffe herstellen könnte. Er griff dabei auch auf Erfahrungen seines Onkels Rinaldo Donath (18231897) zurück, der eine Frucht- und Konservenhandlung in der Waisenhausstraße in Dresden besaß und sich mit der Konservierung von Obst und Früchten beschäftigte.

Emil Donath studierte die Werke des französischen Naturwissenschaftlers und Begründers der Mikrobiologie Louis Pasteur (18221895), der sich mit dem Erhitzen von Lebensmitteln und der später nach ihm genannten Pasteurisierung beschäftigte. Noch in dem elterlichen Haus in Laubegast in der Österreicher Straße stellte er seine ersten Fruchtsäfte aus alkoholfreien und naturreinen Apfelsaft her.

1893 musste Emil Donath auf Drängen des Laubegaster Gemeindevorstandes ein Gewerbe für die Herstellung seiner Säfte anmelden und wurde somit der erste industrielle Anwender des Kelterverfahrens zur Herstellung von haltbaren Fruchtsäften. Emils Bruder Albert Donath (18631935) trat als Mitinhaber in das gemeinsame Geschäft ein. Die Produktionsstätte blieb bis 1906 in der damaligen Hauptstraße 2 in Laubegast, der späteren Österreicher Straße 5. Das Firmenlogo war ein großer gelbroter Apfel. Die spätere Kelterei Lockwitzgrund behielt zu DDR-Zeiten den Apfel als Firmensymbol als Hintergrundbild vor dem Schriftzug Lockwitzgrund. Bereits in Laubegast richtete er neben der Obstweinkelterei eine Obstweinschänke ein. 1896 erhielt Donath's Süßmost aus Äpfeln, Johannisbeeren und Kirschen die erste Goldmedaille auf einer Messe.

1906 wurde aus Platzgründen der Betrieb und die Produktion nach Lockwitz verlagert. Durch die am 3. März 1906 in Betrieb genommene Lockwitztalbahn konnte die neue Betriebsstätte an der sogenannten Sorbenwarte im Lockwitzgrund auch mit der Straßenbahn erreicht werden. Gleichzeitig wurden Obstsäfte und Weine als Transportgut auch mit der Lockwitztalbahn bis zum Bahnhof Niedersedlitz transportiert, von wo aus Donath's Erzeugnisse verschickt wurden. Neben der Produktion von Obstsäften und -weinen vermarktete Emil Donath seine Erzeugnisse auch direkt vor Ort in seinen Gasträumen in der auf dem Grundstück der Kelterei stehenden Obstweinschänke, die in den Anfangsjahren zugleich Produktionsstätte war. Die Firmierung als „Donath's Obstkelterei Lockwitzgrund Dresden“ wurde auch nach dem Austritt des Bruders Albert beibehalten.

In den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts traten Fritz (19001989) und sein Bruder Erhard Donath (19021956) in das elterliche Unternehmen ein. Zuerst als Mitarbeiter angestellt, wurden sie später beide Gesellschafter. 1935 zog sich Emil Donath aus seinem Geschäft zurück und übergab die Unternehmensleitung an seine beiden Söhne. Fritz wurde kaufmännischer, Erhard Donath dagegen technischer Leiter der Obstkelterei. Durch ihr Engagement wurde die Donath's Obstkelterei zu einer der bedeutendsten Fruchtsaftkeltereien in der damaligen Weimarer Republik. Süßmoste und Obstweine wurden nicht nur in verschiedene Regionen Deutschlands verschickt, sondern gingen in viele Länder Europas und sogar bis in die USA.

1930 gründete Erhard Donath den Verband der Deutschen Süßmostkeltereien, der Vorgänger des heutigen Verbandes der deutschen Fruchtsaftindustrie. Erhard lag vor allem die Lagerung der Säfte und Weine am Herzen und veranlasste 1933 den Bau des ersten Stollens unter dem Berg der sogenannten Sorbenwarte.

1936 wurde der Apfelsaft der Familie Donath erstmals in einem Schnellzug der damaligen Deutschen Reichsbahn, in einem Mitropawagen auf der Strecke Dresden–Berlin versuchsweise verkauft. Bereits auf halber Strecke war der mitgeführte Bestand an Apfelsaftflaschen ausverkauft. Danach wurde der Apfelsaft aus dem Lockwitzgrund in allen Speisewagen der Mitropa gelistet.

Der Nürnberger Zoo heilte mit Heidelbeersäften aus der Obstkelterei Donath sogar Menschenaffen von Darmerkrankungen. Das Sortiment wurde unter Erhard Donath um Fruchtsirup, Fruchtpunsch (Glühwein) sowie um Gemüse- und Pflanzensäfte erweitert. Als die Lagerräume nicht ausreichten, wurde ein großes Lager in der ehemaligen und 1932 in den Konkurs geratenen Schokoladenfabrik von Conrad Max Rüger angemietet.

Mit Ausbruch des Zweiten Weltkrieges im Jahr 1939 brachen die Exportverbindungen, vor allem die nach Übersee und England weg. Trotzdem blieb Erhard Donath seinem Erfindergeist treu und entwickelte aus heimischen Wildfrüchten den Hagebuttendicksaft und das Ebereschenkonzentrat. Er gilt auch als Erfinder des „Apfelzellstoffpulvers“, indem getrocknete und zermahlene Apfelreste gegen Durchfallerkrankungen eingesetzt wurden. Die Herstellung von Fruchtsäften und Vitaminen wurde als „kriegswichtig“ eingestuft. Sofort mit Beginn des Krieges wurde Fritz Donath zur Wehrmacht eingezogen. Der von Erhard Donath geplante und ab 1933 gebaute Lagerstollen unter der Sorbenwarte wurde als Bunker und Ausweich-Befehlsstand der sächsischen Gauleitung sowie ab April 1945 als öffentlicher Luftschutzkeller genutzt.[1] Das 50-jährige Firmenjubiläum wurde zusammen mit dem 75. Geburtstag von Emil Donath am 24. Juni 1943 gefeiert.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Fritz Donath noch 1945 von der sowjetischen Besatzungsmacht als Kriegsverbrecher enteignet. Erhard Donath behielt zwar noch einen kleinen Anteil bis 1949, um den neuen Leitern des nun volkseigenen Betriebes das Know-how zu vermitteln. Deshalb firmierte auch noch nach dem Krieg die Firma einige Jahre weiter unter dem alten Namen, bis Erhard seinen Anteil am ehemaligen Familienbesitz auch abgeben musste. Da Erhard Donath weiterhin als Fachmann gefragt war, wurde er 1950 Leiter für Forschung und Entwicklung der „Vereinigung Volkseigener Betriebe“ (VVB) und begann ein Jahr später seine Tätigkeit in der Versuchs- und Forschungsanstalt in Pillnitz. Gleichzeitig wurde er als Professor mit Lehrauftrag an die Humboldt-Universität nach Berlin und an die Universität Leipzig berufen.

Die Lockwitzer Kelterei blieb als „VEB Lockwitzgrund“ jedoch auch weiterhin in Betrieb und war einer der bedeutendsten Fruchtsaftproduzenten in der DDR. Aus importierten Konzentraten stellte man hier Fruchtsirup her. Frischobst aus Sachsen und später aus Südbrandenburg wurde zu Apfelsaft und Süßmost sowie Frucht(schaum)wein verarbeitet. In den Saisonspitzenzeiten wurden Räumlichkeiten der alten Lockwitzer Obermühle genutzt. Die Anlagen der Kelterei breiteten sich durch mehrere Erweiterungen, vor allem auch in der alten Stollenanlage unter der Sorbenwarte über einen beträchtlichen Teil des Lockwitztales aus. So wurden nach dem Krieg erstmals 1951 und ein weiteres Mal 1955 der unterirdische Stollen an der Straße im Lockwitzgrund erweitert. Dabei wurde neben der Errichtung und Erweiterung von neuen Kammern auch ein dritter Zugang geschaffen.

1972 wurde die Kelterei Hauptsitz des Volkseigenen Kombinates Kelterei Lockwitzgrund. Aufgrund der Verstaatlichungswelle von kleinen privaten Industriebetrieben in der DDR Anfang der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts kamen so u. a. zum Volkseigenen Kombinat:

und weitere Betriebsteile in Riesa, Pausitz, Stauchitz, Radebeul, Pirna, Radeberg und Weißig. Das Unternehmen wurde in der DDR die größte Kelterei des Landes. Viele Artikel gingen auch in den Export, auch in das sogenannte nichtsozialistische Ausland. Die Einwohner von Lockwitz und Umgebung hatten die Möglichkeit, selbstgesammeltes Obst, meist Äpfel und Birnen bei der Kelterei abzugeben und dafür zu Vorzugspreisen Waren der Kelterei zu erwerben. Bekannte Markenartikel der Kelterei waren u.a.:

Villa Blischke (oberhalb der Gerhard-Müller-Sportstätte) in Lockwitz. Ehemaliges Klubhaus der VEB Kelterei Lockwitzgrund. Heute Privatbesitz.

Die VEB Lockwitzkelterei besaß im erzgebirgischen Ferienort Schellerhau ein Betriebsferienheim. Das Ferienheim ist erhalten und besteht heute als privates Hotel mit einem Restaurant und einer Gartenbahnanlage.[4][5]

1949 wurde die Betriebssportgemeinschaft BSG Empor Lockwitzgrund, der Vorgänger des heutigen BSV Lockwitzgrund e. V. gegründet, die bis 1990 existierte. Im Volksmund nannte man sie die „Blau-Weißen“. Als Klub- und Freizeithaus nutzte die Kelterei auch die ehemalige Fabrikantenvilla von Paul Blischke, dem Mühlenbesitzer der Obermühle.

Nach der politischen Wende in der DDR ergab sich für Dietrich Donath die Möglichkeit, das ehemalige Familienunternehmen u. a. seines Vaters zum symbolischen Wert von einer Mark von der Treuhandanstalt (THA) zurückzukaufen. Seine Ehefrau Marianne wurde Vertriebschefin. Schnell war klar, dass das Überleben des Unternehmens einzig und allein vom Markterfolg abhängen würde. Jedoch bereits 1994 musste er die Produktion im Lockwitzgrund wieder einstellen, obwohl nach seiner Übernahme in relativ kurzer Zeit ein neues Markenbild und Produktprogramm entstand. Zwar konnte er Listungen bei einigen Handelsketten erreichen und sogar das Bundeskanzleramt unter Helmut Kohl als Kunden gewinnen, doch war dem Unternehmer in Lockwitz kein längeres Glück vergönnt. Das Unternehmen vereinigte sich daraufhin mit einigen anderen sächsischen Fruchtsaftherstellern. Die Marke „Lockwitzgrund“ blieb jedoch erhalten und wird heutzutage durch die Lausitzer Früchteverarbeitung GmbH, Sohland an der Spree, vertrieben.

[Bearbeiten] Spätere Nutzung der Kelleranlagen

Ende 2002 entdeckte man die ehemaligen Fasskeller der Kelterei wieder und nutzte diese für Veranstaltungen. Ab Dezember 2003 entstand dann daraus die „Disco-Grotte“, die später unter dem Namen „unterirdische Welten“ weitergeführt wurde. Am 16. Oktober 2011 wurde der „Salzstollen“ im ersten Querstollen eröffnet. Die Luftfeuchtigkeit beträgt dort > 95%, die Temperatur ganzjährig konstant 11°C bis 12°C. Die Stollenanlage befindet im Granitgestein. Die Gesamtnutzfläche beläuft sich ca. 1300 m². Das Bauwerk besitzt 2 Zugänge.[6]

[Bearbeiten] Quellen

[Bearbeiten] Einzelnachweise

  1. Stollenanlage alte Kelterei Lockwitz in Dresden auf www.schatzsucher.de
  2. Geschichte der Kelterei Schmieder auf www.kelterei-schmieder.de
  3. Zschieren, ein kurzer historischer Abriss auf www.ortsverein-zschieren-zschachwitz.de
  4. schellerhau.im-erzgebirge.de
  5. www.altenberg.de/de
  6. Stollenanlage Alte Kelterrei Lockwitz in Dresden auf www.schatzsucher.de

[Bearbeiten] Weblinks

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