Edmund Schuchardt

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Edmund Schuchardt (gezeichnet von Friedrich Kurt Fiedler)

Edmund Schuchardt (* 27. Januar 1889 in Leuben; † 10. September 1972 in Wachwitz) war ein von den Nazis verfolgter Architekt und Zeichner.

[Bearbeiten] Leben und Wirken

Fanny und Edmund Schuchardt
Schuchardt und seine Frau wohnten fast 20 Jahre im Dürerbundhaus

Schuchardt wurde als Sohn eines Böttchermeisters und Brunnenbauers in Leuben geboren. Seine Mutter, Marie Ernestine geb. Fickenwirth, stammte aus Mügeln. Die Familie hatte 12 Kinder. Seine Berufslaufbahn begann Schuchardt bei den Werkstätten für deutschen Hausrat Theophil Müller.[1] Um 1910 besuchte er gemeinsam mit Hermann Glöckner und Kurt Fiedler die Abendschule an der Kunstgewerbeschule Dresden bei Oskar Seyffert, Max Rade und Carl Rade. Schuchardt stand in jener Zeit in wiederholtem Kontakt mit Rudolf Zwintscher.[2] Von 1912 bis 1917 war er Meisterschüler bei William Lossow und Oskar Menzel an der Kunstgewerbeschule und von 1919 bis 1922 studierte er bei Heinrich Tessenow und Hans Poelzig an der Kunstakademie. Bei einem Wettbewerb um den Sächsischen Staatspreis wurde ihm 1920 ein Geldpreis zuerkannt.[3] Seine Lehrer gehörten zu den wichtigsten Vertretern des Deutschen Werkbundes in Dresden. Zwischenzeitlich war Schuchardt im Ersten Weltkrieg zum Einsatz an der französischen Front. Nach dem Krieg besuchte er mit anderen Dresdner Künstlern die deutschen Küsten.

Schuchardt wohnte um 1910 in Rochwitz und seit 1927 zusammen mit seiner jüdischen Ehefrau Fanny (29.3.1900–3.9.1992, geb. Dubliner) im Dürerbundhaus in Blasewitz, Wasserturmstraße 2. Fanny war mit ihrer Familie aus Fischern bei Karlsbad nach Dresden gezogen. Ihre Geburt als Tochter von Mendel Dubliner aus Lemberg und seiner Frau Hermine geb. Herlinger aus Bikszárd/Ungarn wurde vom Rabbiner Ignaz Ziegler beurkundet. Geheiratet hatten die Schuchardts 1925.[4]

Schuchardt war Mitglied im Deutschen Werkbund und der Dresdner Kunstgenossenschaft. Auch mit Kollegen an der Kunstakademie stand er weiterhin in Verbindung. So besuchte er 1927 mit Otto Griebel und Theodor Rosenhauer das Künstlerfest "Karikatur" an der Kunstakademie.[5] Seine Ehefrau, eine ausgebildete Putzmacherin (Modistin), erteilte Tanzunterricht und spielte Klavier und Flöte.

Ehemalige Grabstätte Loschwitzer Friedhof

Edmund Schuchardt ließ sich während des Faschismus von seiner jüdischen Ehefrau nicht scheiden. Sein Antrag auf Mitgliedschaft in der Reichskammer der bildenden Künste wurde deswegen abgelehnt, was einem Berufsverbot entsprach. 1938 bewarb er sich beim Royal Institute of British Architects um Arbeitshilfe.[6] Frank Fiedler, ein Neffe Schuchardts, konnte sich aus seiner Kinderzeit an Episoden aus dem alltäglichen Umfeld erinnern, wie Druck auch auf die nicht-jüdischen Ehepartner ausgeübt wurde: Neben der Abmeldung des Telefonanschlusses mussten die Schuchardts auch die Skier abgeben.

Schuchardt wurde am 9. November 1944 zur Zwangsarbeit ins Bergwerk Osterode deportiert, wo er im April 1945 durch die US-Armee befreit wurde. Nach der Zerstörung Dresdens während der Luftangriffe am 13. Februar 1945 blieb Fanny der für den 16. Februar angesetzte Transport ins KZ erspart. Sie hielt sich mit vom Schwager Kurt Fiedler gefälschten Dokumenten bei einer Familie Zinner in Wachwitz versteckt. Das Schicksal von Fannys Mutter und Bruder ist ungeklärt.[7] Das Ehepaar Schuchardt wurde nach dem Zweiten Weltkrieg als Opfer des Faschismus anerkannt. Aus der ihnen zugewiesenen Wohnung wurde kurzfristig die Witwe eines SS-Offiziers mit kleinen Kindern vertrieben. Die Nachbarschaft einschließlich der Zinners solidarisierte sich mit der Frau.

Nach dem Krieg trat Schuchardt der KPD bei. Im Personennachlass von Hermann Kastner findet sich ein Hinweis auf seine Entlassung als Bezirksarchitekt 1945/1946.[8] in der Tagespresse wurde die Beschuldigung verbreitet, Schuchardt habe eine Schreibmaschine gestohlen. In den Diskussionen um die Neugestaltung Dresdens vertrat er wie Mart Stam radikale Ansichten, die auf einen Abriss der nach der Zerstörung durch den verbliebenen Reste der barocken Altstadt und einen Neuaufbau nach den Prinzipien des Bauhauses hinausliefen. Schuchardt lehrte in jener Zeit an der Hochschule für Werkkunst Dresden und wurde 1948 von Hans Grundig an die Akademie für Bildende Künste berufen.[9] Wie Mart Stam, ab 1949 Rektor und ebenfalls mit einer Jüdin verheiratet, war er von der Formalismusdebatte betroffen und geriet in Auseinandersetzungen mit Vertretern der vormaligen Künstlergruppe ASSO. Nach dem Zusammenschluss 1950 der Hochschule für Werkkunst mit der Akademie für Bildende Künste zur Hochschule für Bildende Künste (HfBK) blieb Schuchardt dort noch drei Jahre im Lehramt für Werkstofflehre und Perspektive. Schuchardt war Mitglied des Bundes deutscher Architekten in der DDR.[10]

Das Ehepaar Schuchardt hatte keine eigenen Kinder. 1950 erhielten sie die Vormundschaft für den jüngsten Sohn von Kurt Fiedler, den 1935 geborenen Gert. Nach dem Ausscheiden aus dem Lehramt blieb Schuchardt künstlerisch sehr aktiv. 1963/1964 konnte er umfangreiche Reisen unternehmen. Sie führten ihn nach Japan, in den Kaukasus, die Beskiden, an das Schwarze Meer und in mehrere Mittelmeerstaaten. Besonders beeindruckend sind seine Bilder von einem Ausbruch des Ätna auf Sizilien, aber auch vom Elbrus, von griechischen Inseln und dem Bosporus. 1970 zeigte er im Rahmen einer Sonderausstellung im Museum Weißenfels Aquarelle, Pastelle und Zeichnungen.

Ihren Ruhestand verbrachte das Ehepaar Schuchardt in Wachwitz in einem selbstgebauten Landhaus, Ohlsche 2 (Zufahrt Schwenkstraße 5), das sie der HfBK stifteten. Das Doppelgrundstück hatten sie 1951/1955 von Baumeister Max Preiß erworben.

Die Grabstätte von Fanny und Edmund Schuchardt befand sich auf dem Loschwitzer Friedhof. Ein umfangreiches Konvolut seiner Werke mit Zeichnungen, Malereien, Architekturentwürfen und einigen Plastiken wird in den Kunstsammlungen Chemnitz aufbewahrt, die jene per testamentarischem Vermächtnis von den Schuchardts erhalten hatte. Allerdings umfasst die Sammlung weit überwiegend Werke nach dem Zweiten Weltkrieg. Einige Architekturentwürfe wurden dem Stadtmuseum Dresden übergeben.

[Bearbeiten] Werke

[Bearbeiten] Erste Arbeiten als Architekt

Rockau, Denkmal an die Gefallenen des Ersten Weltkrieges, mit einer Knospe als Symbol der Hoffnung auf einen Neuanfang

Erste bekannte Arbeiten Schuchardts als Architekt stammen aus der Zeit der Weimarer Republik. In Rockau schuf er ein Denkmal zur Erinnerung an die Gefallenen des Ersten Weltkrieges, in Wachwitz den Bebauungsplan für die Siedlung Hottenrothstraße, nach dem 1929 mehrere Einfamilien- und Doppelhäuser errichtet worden sind.[11] Es ist nicht bekannt, inwieweit Schuchardt an der Bebauung des Grundstücks Heinrich-Schütz-Straße 4 beteiligt gewesen ist. Es war um 1932 von der Erbengemeinschaft um Wolfgang Schumann vom Dürerbundhaus abgetrennt worden.

[Bearbeiten] Frühe Zeichnungen und Gemälde

Seine Zeichnungen, Landschaftsbilder und Architekturentwürfe wurden wiederholt auf Kunstausstellungen an der Brühlschen Terrasse gezeigt, beispielsweise 1922 Entwürfe für Hochhäuser, 1927 der Entwurf für den Wettbewerb "Hygiene-Museum", 1931 der Entwurf "Berghotel in der Umgebung Dresdens" und 1933 die Zeichnung "Trinitatiskirche". In den Kunstsammlungen Chemnitz befinden sich auch Zeichnungen mit seiner Ehefrau Fanny und eine Zeichnung von seinem Fronteinsatz im Ersten Weltkrieg sowie von Aufenthalten an der See. Schuchardt zeichnete und malte in jener Zeit häufig expressionistisch.[12]

[Bearbeiten] Innenarchitektur

Als Innenarchitekt arbeitete er v. a. mit Theophil Müller zusammen.[13] Dessen Katalog von 1930 enthielt viele von Schuchardt entworfene Möbel und Zimmereinrichtungen, beispielsweise Schlafzimmer und Herrenzimmer.[14] Seine Innenraumgestaltungen präsentierte Schuchardt auf Ausstellungen des Sächsischen Kunstvereins.[15] Einzelne Entwürfe, so von einem Stuhl und einer Wohnzimmereinrichtung sowie eines Kelchstuhls für die Hofkirche, sind im Nachlass in den Kunstsammlungen Chemnitz erhalten.

[Bearbeiten] Nach dem Zweiten Weltkrieg

Ehemalige Synagoge auf dem Neuen Jüdischen Friedhof an der Fiedlerstraße, Schuchardts Hauptwerk
Schuchardt konzipierte die Umgestaltung Dresdens in Eisen und Glas (IFA-Werk).
Ausbruch des Ätna

Zur Kunstausstellung "Sächsische Künstler" 1946 wurden in der Sonderschau "Opfer des Faschismus" vier Zeichnungen von ihm gezeigt: "Winterlandschaft", "Lärchen", "Am Waldesrand" und "Elbelandschaft". In den Kunstsammlungen Chemnitz befinden sich Motive mit zerstörten Dresdner Straßen nach 1945. Auch die Ruine der Frauenkirche, die Dresdner Heide und das Schloss Pillnitz hat Schuchardt mehrfach gezeichnet bzw. gemalt. Neben Landschaftsbildern und Dorfansichten aus der Umgebung Dresdens finden sich zudem viele Bilder mit Pflanzen und Tieren, vor allem mit Vögeln. Einige Werke sind abstrakt gestaltet.

Bekannt geworden ist Schuchardt nach dem Zweiten Weltkrieg vor allem für den Entwurf zum Wiederaufbau der Totenhalle des Neuen Jüdischen Friedhofs an der Fiedlerstraße, die von 1950 bis 2001 als Synagoge genutzt wurde. Fanny Schuchardt ließ für Mutter und Bruder, die vermutlich im KZ ermordet worden sind, auf dem Friedhof eine Gedenktafel anbringen.[16] Bei seinem Entwurf für das Äußere hielt sich Schuchardt an das Vorbild von Gottfried Semper, die Innengestaltung erfolgte nach dem Zeitgeschmack. In Wachwitz baute Schuchardt für sich und seine Frau ein Landhaus.[17]

[Bearbeiten] Quellen

[Bearbeiten] Einzelnachweise

  1. Klaus-Peter Arnold: Vom Sofakissen zum Städtebau: die Geschichte der deutschen Werkstätten und der Gartenstadt Hellerau. Verlag Verlag der Kunst, 1993, S. 391
  2. Nachlass Rudolf Zwintscher bei der SLUB
  3. Sächsische Staatszeitung: 30.03.1920
  4. Heiratsdokument im Dresdner Stadtarchiv
  5. Künstlerfest "Karikatur" in der Dresdner Kunstakademie, Deutsche Fotothek
  6. Myra Warhaftig: "Deutsche jüdische Architekten vor und nach 1933". Reimer, 2005
  7. Buch der Erinnerung. Juden in Dresden - deportiert, ermordet, verschollen. Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Dresden e.V. (Hrsg.). Thelem 2006
  8. Personennachlass Hermann Kastner
  9. Manfred Altner: "Dresden: von der Königlichen Kunstakademie zur Hochschule für Bildende Künste, 1764-1989 : die Geschichte einer Institution". Verlag der Kunst, 1990
  10. Aufnahmedateikarte beim BdA mit Foto
  11. Straßen Wachwitz bei dresdner-stadtteile.de (Archivversion).
  12. Hochschule für Musik von Edmund Schuchardt
  13. Die Kunst und das schöne Heim, Band 60, Verlag F. Bruckmann., 1961, S. 126
  14. Möbelgestaltung von Edmund Schuchardt
  15. Kunstwerk im Raum, Jahresausstellung des Sächsischen Kunstvereins, Dresden 1931
  16. Heike Liebsch (Hrsg.): "Der Neue Israelitische Friedhof in Dresden". Hentrich & Hentrich, 2021
  17. Landhaus Schuchardt in Dresden-Wachwitz bei der Deutschen Fotothek

[Bearbeiten] Weblinks

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