Johann Baptista Joseph Hirsch

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Hirschdenkmal 2019 nach der letzten Instandsetzung und Erneuerung
Hirschdenkmal 2019, Rückseite
Info-Tafel 2012
Uniformen des Artilleriekorps nach der Militärreform der sächsischen Armee 1810
Ehemaliger „Gasthof zum letzten Heller“, wovon unweit die Unglücksstelle war und Hirsch starb.

Johann Baptista Joseph Hirsch (* 1777 in Dresden; † 7. Oktober 1822 auf dem Heller, unweit des damaligen Wirtshauses „Zum letzten Heller“ bei Dresden) war ein kurfürstlich-sächsischer und später königlich-sächsischer Soldat und Offizier, zuletzt im Rang eines Artillerie-Capitäns 1. Klasse. Seine ehemaligen Kameraden vom sächsischen Artilleriekorps errichten 1823 ihm zu Ehren ein noch heute erhaltenes Denkmal, das Hirschdenkmal an seinem Unfallort am Rand der Jungen Heide.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Vorwort

Anders als andere Offiziere der sächsischen Armee durchlief Johann Baptista Joseph Hirsch keine klassische Kadettenausbildung, die mit der Ernennung zum Offizier endete. Dies möglicherweise auch, weil die üblicherweise sechsjährige militärische Ausbildung am Kadettenkorps nach März 1793 unterbrochen wurde, als die Reichsstände des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation in den Ersten Koalitionskrieg gegen das revolutionäre Frankreich eintraten. Außerdem existierte noch bis Anfang des 19. Jahrhunderts ein ausschließlich adeliches Kadettenkorps in Sachsen, so dass Offizierslaufbahnen für bürgerliche Interessenten in der Regel nur im Artillerie- oder Ingenieurkorps in den dortigen Schulen möglich waren. Die derzeitigen belegbaren Quellen stehen damit auch teilweise im Widerspruch zu den Inschriften oder zur Informationstafel am Denkmal, so:

Es muss daher angenommen werden, dass Hirsch im Laufe der Geschichte zu einer Ikone der sächsischen Artillerie stilisiert wurde und zumindest Teile seines Lebenslaufes in der Literatur später entweder aus Unkenntnis oder gar bewusst falsch dargestellt bzw. mindestens geschönigt wurden. Auch die Aussage, dass er ein Held der Völkerschlacht bei Leipzig im Oktober 1813 sei, da er im entscheidenden Moment die sächsischen Kanonen wenden ließ, ist mit äußerster Vorsicht zu genießen. Zu seiner Familie und genauen Herkunft lassen sich mit der derzeitig verfügbaren Quellenlage nur Vermutungen anstellen. Bekannt ist nur, dass er ein Kind bürgerlicher Eltern war.

[Bearbeiten] Leben und Wirken

[Bearbeiten] Ausbildung und Beginn der militärischen Laufbahn

Johann Baptista Joseph Hirsch ist erstmals im Nachtrag für den Monat August zur Rangliste von 1800 der kursächsischen Armee verzeichnet. Dort heißt es:

Die Hausartilleriekompanie war in der sächsischen Residenzstadt Dresden disloziert und wurde zu keiner Zeit - anders als die sächsische Feldartillerie - auf Feldzüge geschickt. Aufgrund seines Geburtsjahres 1777, das mehrere Quellen angeben und dem Dienst in der Hausartilleriekompanie erscheint es unwahrscheinlich, dass er bereits 1793 an der Schlacht bei Kaiserslautern teilgenommen hat, wie dies in seinem Wikipedia-Artikel behauptet wird.

Die soldatische Laufbahn in der Artillerie begann mit dem Eintritt als Unterkanonier (1800 mit 83 Soll-Stellen). Beförderungen zum Oberkanonier (im Jahr 1800 mit 30 Soll-Stellen) und zum Kanonierkorporal (8 Planstellen) waren bei einer längeren Dienstzeit in den Mannschaftsdienstgraden wie bei Hirsch möglich. Nach seiner Ernnung zum Stückjunker am 8. August 1800 und damit zum Offiziersanwärter bei der sächsischen Artillerie diente Hirsch bis zu seiner Ernennung zum Offizier ununterbrochen weiter in der Hausartilleriekompanie in Dresden unter dem damaligen Kommando des sächsischen Oberzeugmeisters und Generalleutnants Johann Gottfried von Hoyer, nach dessen 1802 erfolgten Tod unter der Führung des neuen Oberzeugmeisters und Generalmajors Carl Friedrich Winzler. In seiner Zeit als Stückjunker besuchte Hirsch die Artillerieschule der sächsischen Armee, anfangs unter der Leitung von Oberstleutnant August Friedrich von Klette, ab 1805 von Major Johann Christian Pietsch.

[Bearbeiten] Offizierslaufbahn

Am 7. März 1806 erhielt Hirsch unter gleichzeitiger Versetzung zum Feldartilleriekorps sein kurfürstlich-sächsisches Offizierspatent mit der Ernennung in den ersten Leutnantsdiensgrad, zum Sous-Lieutenant. Er diente anfangs als einer von 21 Sous-Leutnants, darunter Carl Heinrich Aster, Sohn des Generalmajors Friedrich Ludwig Aster. Die militärische Führung des Feldartilleriekorps hatte zu dieser Zeit bereits Carl Julius Birnbaum inne, damals noch im Rang eines Obersts.

Mit dem Ausbruch des Vierten Koalitionskrieges nahm Hirsch am preußisch-sächsischen Feldzug mit der sächsischen Feldartillerie teil. Als nach der verlorenen Doppelschlacht bei Jena und Auerstedt Sachsen dem Rheinbund beitrat und auf Frankreichs Seite wechselte, Sachsen im Gegenzug von Napoleon zum Königreich erhoben wurde, wurde Hirsch damit königlich-sächsischer Leutnant im Feldartillerieregiment. In der Folge nahm Hirsch 1809 mit dem sächsischen Feldartilleriekorps an der Seite von Frankreich am Feldzug gegen Österreich teil, u.a. bei der Belagerung und Schlacht bei Linz im Mai und der Schlacht bei Wagram im Juli 1809.

Am 20. April 1810 erhielt Hirsch seine Beförderung zum Premier-Lieutenant im 1848 Mann starken Artillerie-Regiment zu Fuß, das ebenfalls mit der Militärreform der sächsischen Armee im gleichen Jahr neue Uniformen erhielt, die sich an die französische Armee anlehnten. Hirsch war damit einer von 16 Premierleutnants des Artillerieregiments und damit stellvertretender Kompaniechef in einer der 16 Kompanien des Regiments. In jenem Jahr wohnte Hirsch in Dresden im Haus 193 in der Breiten Gasse in der Dresdner Neustadt,[3] wo er erstmals im Dresdner Adressbuch verzeichnet ist und bis zu Beginn von Napoleons Russlandfeldzug 1812, zwei Jahre lang wohnte.

Während des Russlandfeldzuges, an dem Hirsch mit dem sächsischen Feldartilleriekorps an der Seite der französischen Grande Armée teilnahm, erhielt er mit dem Militär-St.-Heinrichs-Orden die höchste militärische Auszeichnung des Königreiches Sachsen, zusammen mit 27 anderen Offizieren,

In der Schlacht bei Podobna trug die Flankensicherung durch das sächsische und österreichische Korps mit zum Sieg der französischen Armee über die 3. russische Westarmee bei. Hirsch kehrte mit den Resten der Grande Armée und des sächsischen Armeekorps nach dem gescheiterten Russlandfeldzug nach Dresden zurück. Vom 16. bis 19. Oktober 1813 nahm Hirsch im Folgejahr an der Völkerschlacht bei Leipzig teil. Da er als Premierleutnant keine direkte Befehlsgewalt über eine Kompanie hatte, die stets ein Hauptmann (1. bzw. 2. Klasse) befehligte, ist es fraglich, ob Hirsch tatsächlich den Befehl in "seiner" Einheit gab, die Kanonen zu wenden, womit ein Großteil der sächsischen Armee von der französischen Seite auf die der Allierten wechselte. In der Folge nahm Hirsch mit der sächsischen Feldartillerie als Teil der allierten Truppen gegen Napoleon an den Befreiungskriegen teil.

Am 30. Juli 1815 wurde Hirsch zum Capitän II. Klasse im Artilleriekorps befördert und gleichzeitig zu der erst im Mai 1806 formierten reitenden Artillerie-Brigade im sächsischen Artilleriekorps versetzt, die in Radeburg und Großdittmannsdorf stationiert war. Diese sehr kleine Brigade mit nur zwei Batterien hatte einen Etat von 242 Soldaten. Hirsch übernahm als Kommandeur eine der beiden Batterien. Sein Vorgesetzter als Brigadier der reitenden Artillerie war der damalige Major und spätere Oberstleutnant Johann Heinrich August von Roth († 1829).

Am 20. Dezember 1821 wurde Hirsch zum Capitän (Hauptmann) I. Klasse erhoben und unter gleichzeitiger Versetzung von der reitenden Artillerie-Brigade zurück zum Fuß-Artillerie-Regiment versetzt. Dort übernahm er als Kompaniechef eine Einheit in der 3. Fuß-Artillerie-Brigade, die mittlerweile ebenfalls in Radeburg disloziert war. Kommandeur des Fuß-Artillerieregiments war der damalige Oberst und spätere General der Artillerie Gustav Ludwig Ferdinand Raabe, der wie Hirsch als Unterkanonier im sächsischen Artilleriekorps seine Militärkarriere begann. Seine neue Dienststellung in Radeburg konnte Hirsch nicht einmal ein Jahr ausüben.

[Bearbeiten] Tod

Als Anfang Oktober 1822 in Moritzburg das Einfangen der Remonte-Pferde für die Kavallerie statt fand, war auch Hirsch mit mehreren Kameraden aus der Garnison Radeburg nach Moritzburg gekommen. Auf dem Ritt zurück nach Hause übersah Hirsch im Wald unweit des ehemaligen Gasthofes „Zum letzten Heller“ (frühere Hellerschänke)[5] einen herunterhängenden Baumast, der ihn vom Pferd riss und gegen einen Baum schleuderte, so dass er nach kurzer Zeit vor Ort seinen schweren Verletzungen an der Halswirbelsäule erlag.[6][7]

Hirschdenkmal um 1900
Hirschdenkmal am Rand der Dresdner Heide um 1900, Deutsche Fotothek

Hirsch wurde am 10. Oktober 1822 auf dem Alten Neustädter Friedhof beerdigt.[8] In der Mitte des Geländes vom Alten Neustädter Friedhof befindet sich der alte militärische Teil. Sein Grab war dort in Reihe 6, Grab 12. Seine ehemaligen Kameraden im sächsischen Artilleriekorps stifteten ihm ein Jahr später, 1823 ein Denkmal am Rande der Dresdner Heide, das heute bekannte Hirschdenkmal. Der Quader hat folgende Inschrift:

DEM
KOEN. SAECHS. HAUPTMANN
DES ARTILLERIE CORPS
UND RITTER DES SANCT
HEINRICHS ORDENS
J. B. J. HIRSCH
VON SEINEN TRAUERNDEN
WAFFENBRUEDERN
D. 7. OCTOBER 1822

Der Entwurf des Gedenksteins wird Franz Seraphim Pettrich, einem der bedeutendsten klassizistischen Bildhauer Deutschlands, zugeschrieben. Das 1814 eingeweihte Moreau-Denkmal auf der Räcknitzhöhe soll dabei als Vorbild gedient haben.

[Bearbeiten] Auszeichnungen (Auswahl)

[Bearbeiten] Weitere Informationen

[Bearbeiten] Deutsches Soldaten-, Wander- und Trinkliederbuch von 1913

„Nachdem Hauptmann Hirsch, Träger des militärischen St. Heinrichs-Ordens, auf verschiedenen Kriegsschauplätzen im Zentrum, im Westen und Osten Europas dem Tode dutzendmale ins Auge gesehen, setzte ihm im tiefsten Frieden, im Sande der Dresdner Heide, aber dennoch im Dienste, ein tragischer Unglücksfall seiner vielversprechenden militärischen Laufbahn ein vorzeitiges Ende.“[9]

[Bearbeiten] Sächsische Zeitung von 1981

„Nach der am meisten verbreiteten Überlieferung geschah das Unglück, als er am 7. Oktober 1822 aus den Moritzburger Jagdstallungen zurückkehrte und sein Pferd auf dem Heller scheute. Es warf ihn ab, er blieb im Steigbügel hängen und wurde über den Waldboden geschleift. Man fand den Schwerverletzten und brachte ihn in die Stadt. Noch am selben Tag erlag er seinen Verletzungen und wurde am 10. Oktober 1822 auf dem Alten Neustädter Friedhof beigesetzt. Sein Grab ist nicht mehr vorhanden. Ein Jahr nach diesem Unglücksfalle setzten ihm seine Kameraden an dieser Stelle einen Denkstein.“[10]

[Bearbeiten] Informationstafel vor 2012

„Als sächsischer Artillerieoffizier erlebte er 1806 in der Schlacht bei Jena und Auerstedt den Zusammenbruch des preußisch-sächsischen Heeres im Kampf gegen die französische Armee Napoleons. Er nahm in dem von nun an unter französischem Kommando stehenden sächsischen Truppenkontinent am österreichischen Feldzug 1809, am Rußland-Feldzug 1812 und 1813 an der Völkerschlacht in Leipzig teil. Während dieser Schlacht wechselte seine Artillerieeinheit am 18. Oktober 1813 eigenmächtig die Stellung, richtete ihre Waffen gegen die französischen Unterdrücker und trug damit zum entscheidenden Sieg der vereinigten russisch-preußischen-österreichischen Heere gegen die napoleonische Fremdherrschaft bei. Hirsch zeichnete sich wiederholt in den bis 1815 stattfindenden Befreiungskriegen aus und wurde mit dem militärischen St. Heinrichs-Orden dekoriert. Im Jahre 1822 verunglückte er hier auf dem Heller tödlich.“[11]

[Bearbeiten] Informationstafel vom 7. Oktober 2022

"J.B.J. Hirsch wurde 1777 als Kind bürgerlicher Eltern in Dresden geboren. Im Alter zwischen dem dreizehnten und fünfzehnten Lebensjahr trat er in das Kadettenkorps der königlich-sächsischen Armee in Dresden ein. Dort begann er eine sechsjährige wissenschaftlich-militärische Ausbildung, die mit der Fähnrichs Prüfung (bei der Artillerie = Stückjunker) endete. In der Schlacht bei Jena und Auerstedt 1806 kämpfte er als frisch ernannter Sous-Lieutenant in der Batterie von Hoyer und erlebte die vernichtende Niederlage des preußisch-sächsischen Heeres gegen die napoleonischen Truppen. Er nahm in dem von nun an unter französischem Kommando stehenden sächsischen Truppenkontingent am Österreichfeldzug 1809 teil, am Russlandfeldzug, wo er für seine besondere Tapferkeit am 4. September 1812 mit dem Sankt-Heinrichs-Orden ausgezeichnet wurde und an der Völkerschlacht bei Leipzig. Während dieser Schlacht wechselte seine Artillerieeinheit am 18. Oktober 1813 eigenmächtig die Stellung, richtete ihre Waffen gegen die französischen Unterdrücker und trug damit entscheidend zum Sieg der vereinigten russisch-preußisch-österreichischen Heere gegen die napoleonische Fremdherrschaft bei. Diese mutige Tat rette 3500 sächsischen Soldaten und 600 württembergischen Reitern das Leben. Hirsch zeichnete sich wiederholt in den bis 1815 andauernden Befreiungskriegen aus. Am 07.Oktober 1822 verunglückte er hier auf dem Heller tödlich. Hirsch wurde am 10. Oktober auf dem alten Neustädter Friedhof beigesetzt. Am ersten Todestag setzten ihm seine Kameraden im Namen aller sächsischen Artillerieoffiziere an der Unglücksstelle einen Gedenkstein."[12]

[Bearbeiten] Quellen

[Bearbeiten] Einzelnachweise

  1. Text der Informationstafel am Denkmal.
  2. Nachträge aus dem Monat August 1806 in Geschichte und gegenwaertiger Zustand der Kursaechsischen Armee, Ausgabe auf das Jahr 1806, Dresden 1806, Digitalisat der SLUB, S. 250.
  3. Dresdner Adress-Kalender 1811, S. 90, SLUB.
  4. Oberst a.D. Georg Richter: Der Königlich Sächsische Militär-St. Heinrichs-Orden, 1736 – 1918, Ein Ehrenblatt der Sächsischen Armee, Göppingen 1937, S. 45.
  5. Klaus Brendler: Brendler’s Geschichten: Von der Bahnstation Radebeul zum „Letzten Heller“, Onlineartikel auf pieschen-aktuell.de vom 11. September 2020.
  6. Bayreuther Zeitung 1822, No. 215 vom 29. Oktober 1822, Digitalisat auf Google Books, S. 941.
  7. David August Taggesell: Tagebuch eines Dresdner Bürgers oder Niederschreibung der Ereignisse eines jeden Tages vom Jahre 1806 bis 1851..., Dresden 1854, Digitalisat auf Google Books, S. 401.
  8. Datensatz auf Ancestry mit dem Geburtsjahr 1777.
  9. Deutsches Soldaten-, Wander- und Trinkliederbuch, Verlag „Der Kamerad“, Berlin-Wannsee, 1913, Nr. 3.
  10. Wolfgang Müller in der Sächsischen Zeitung vom 4./5. Juli und 11./12. Juli 1981
  11. Text auf der Tafel am „Besonders geschützten Baum“, der letzten Schwarzkiefer des Dresdner Hellers
  12. Text auf der Informationstafel am Denkmal.

[Bearbeiten] Weblinks

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