Friedrich Bienert

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Friedrich Bienert, auch Fritz Bienert (* 21. November 1891 in Plauen bei Dresden; † 15. Februar 1969 in Berlin) war ein Dresdner Industrieller, Hitlergegner und Mitinhaber der Bienert-Hof- und Hafenmühle vor deren Verstaatlichung in der DDR.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Familie

Das Bienertsche Familiengrab auf dem Inneren Plauenschen Friedhof

Friedrich Bienert entstammte der traditionsreichen Müllerfamilie Bienert, die sich bis in das 14. Jahrhundert zurück verfolgen lässt. Einer seiner Vorfahren, Georg Bienert war 1510 Müller in Leppersdorf bei Radeberg. Sein Großvater Gottlieb Traugott Bienert (18131894) erreichte mit seiner erfolgreichen Geschäftsstrategie den Aufstieg vom kleinen Müller und Bäcker zu einem der bedeutendsten Großindustriellen Sachsens.

Friedrich Bienert wurde als zweites Kind von Erwin Bienert (18591930) und dessen, aus dem schlesischen Oberlangenbielau stammenden Ehefrau Ida geb. Suckert (18701965) geboren. Er hatte vier Schwestern.

Bienert heiratete 1924 die Tänzerin Gret Palucca (eigentlich Margarete Paluka, 19021993). Diese Ehe wurde1930 geschieden. Ihren Persönlichkeiten entsprechend blieben Fritz Bienert und Palucca dennoch zeitlebens sehr freundschaftlich miteinander verbunden.

In zweiter Ehe war Friedrich Bienert mit der in Zagreb geborenen kroatischen Konzertpianistin und späteren Hochschullehrerin Branka Musulin (19171975), Tochter des Linguisten Stjepan Musulin, verheiratet. Das Paar hat eine gemeinsame Tochter, die nach dem Krieg geboren wurde, in Berlin bei ihrem Vater aufgewachsen war und heute in Berlin lebt und arbeitet. Die Ehe von Friedrich Bienert und Branka Musulin wurde 1957 nach lang vorausgegangener Trennung geschieden.

[Bearbeiten] Leben und Wirken

Friedrich Bienert absolvierte, auf Wunsch seiner Familie, in Hamburg eine Lehre als Industriekaufmann. Wie viele andere seiner Generation zog er als junger Mann in den Ersten Weltkrieg, aus dem er 1917 mit dem Eisernen Kreuz und erheblichen Gesundheitsproblemen wieder nach Dresden zurückkehrte. Fortan leiteten ihn, der die schwersten Kämpfe sowohl an der West- als auch an der Ostfront miterlebt hatte, pazifistische und linke Einstellungen. Folgerichtig wurde er in der Revolution von 1918 Mitglied des Dresdner Arbeiter- und Soldatenrates, sehr zur Irritation seiner großbürgerlichen Familie.

[Bearbeiten] Leben in der Weimarer Republik

Nachdem Bienert dennoch wenig später als Prokurist in das Unternehmen seines Vaters Erwin und dessen Bruder Theodor eintrat, wurde er 1927 zusammen mit einem Schwager von Bertha Bienert, Dr. Franz Herrschel, zum persönlich haftenden Gesellschafter der „OHG T. Bienert“.

Privat fiel in die zwanziger Jahre des vorigen Jahrhunderts seine Ehe mit Gret Palucca. Einer seiner besten Freunde war der Maler Otto Dix. Zu seinem engeren Freundeskreis zählten u.a. auch Bianca Seganthini, der Tochter des Schweizer Malers Giovanni Seganthini und damalige Frau des baltischen Publizisten Hugo Zehder, der Dix-Schüler Ernst Bursche, der Kunstsammler und Anwalt Fritz Glaser, sowie Weggefährten aus dem Arbeiter- und Soldatenrat, wie Conrad Felixmüller.

Weitere Freunde waren der Kunstkritiker Will Grohmann, den er bereits aus dem Haus seiner Mutter Ida kannte, außerdem die Philosophen Theodor Lessing und Walter Hasenclever, der Soziologe an der Technischen Hochschule, Fedor Stepun, sowie Theodor Däubler, Kurt Liebmann, Fritz Löffler, Berthold Viertel, Harald Dorn und „WOLS“ (Alfred Otto Wolfgang Schulze).[1][2][3] Einige von ihnen waren wie Bienert Sympathisanten der so genannten „Lebensreformbewegung“.

In dieser Zeit begründete Bienert seine eigene Kunstsammlung, in der er anders als seine Mutter nicht in erster Linie die abstrakte Kunst unterstützte, sondern vor allem die damalige junge Dresdner Szene um Dix und Felixmüller, aber auch Ernst Ludwig Kirchner, Otto Griebel, Wilhelm Lachnit und Hans Grundig. Bienert setzte so die Tradition seiner Familie als bedeutender Kunstsammler in Dresden fort. Die freundschaftlichen Kontakte von Ida Bienert zu Künstlern des Bauhauses, wie Walter Gropius, Paul Klee und Wassiliy Kandinsky hatten auch großen Einfluss auf Friedrichs damalige Ehefrau Gret Palucca.

1931 – nach der Trennung von Gret Palucca – zog Bienert in die Gartenstadt Hellerau in das idyllische Wohnhaus „Auf dem Sand“ 13/15, ohne das ehemalig gemeinsame Wohnhaus mit Palucca an der Bürgerwiese aufzugeben. 1935 erwarb er das Doppelhaus der Familie Horneffer, das bereits 1911 von Hermann Muthesius in Hellerau erbaut worden war. Bereits zu dieser Zeit, vor allem aber während der ab 1933 beginnenden Naziherrschaft gab es auch Kontakte zu Mitgliedern der politisch ähnlich eingestellten Familie von Walter Chrambach.

[Bearbeiten] Leben im "Dritten Reich"

Als Linksliberaler, u.a. Mitglied der Deutschen Demokratischen Partei, Vorsitzender der Paneuropäischen Union, Mitbegründer der deutschen Liga für Menschenrechte und des sächsischen Friedenskartells, sowie Mitglied des Reichsbanners „Schwarz-Rot-Gold mit den drei Pfeilen“ war die Errichtung der nationalsozialistischen Herrschaft im Jahr 1933 für Bienert ein folgenschwerer Lebenseinschnitt.

Während sein Schwager, der mit ihm die Mühlenbetriebe leitete, Mitglied der NSDAP wurde, blieb Bienert – getreu seiner politischen Weltanschauung – nach dem Verbot anderer Parteien und Vereine parteilos. Nach dem Tod seines Onkels führten beide ab 1935 den „Mühlenbetrieb T. Bienert“ trotz massiver Probleme weiter. Die Nationalsozialisten setzten die Bienert-Mühlen wegen des der politischen Einstellung von Bienert auf die „Schwarze Liste“, was mit erheblichen wirtschaftlichen Einbußen für das Unternehmen verbunden war.

Bienert wurde nach dem Bürgerbräu-Attentat in München, ebenso wie sein Freund Otto Dix am 9. November 1939 von der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) verhaftet. Während sein Haus in Hellerau sowie die Firmenräume von der Geheimpolizei durchsucht wurden, musste er mehrere Verhöre sowie die Anschuldigung von staatsfeindlichen Vergehen über sich ergehen lassen. Dabei wurde ihm auch mit der Überstellung in das KZ Buchenwald gedroht. Da letztlich konkrete Beweise fehlten, wurde er nach 15 Tagen Haft wieder freigelassen, nachdem sich auch NSDAP-Mitglieder wie der Plauener Ortsgruppenleiter der Partei, Walter Müller und der Hellerauer Bürgermeister für ihn eingesetzt hatten.[4] Letzterer genehmigte ihm 1937 eine Reise zur Pariser Weltausstellung, wo Bienert mit befreundeten Emigranten zusammentraf, sowie 1944 die eher ungewöhnliche Hochzeit zwischen ihm als so genannten „Volksdeutschen“ und der Pianistin Branka Musulin.

Die alte Bienertvilla in der Hofmühle, zeitweise ab 1947 Wohnsitz von Fritz Bienert, Zustand 2012
Villa Bienert 2024

Auf Drängen seiner zweiten Ehefrau verließ Bienert, nachdem er weitere Denunziationen wegen Mängeln bei der Verdunkelung der Mühlenbetriebe bzw. wegen der Weigerung der Teilnahme am Volkssturm abwehren musste, im April 1945 Dresden über Böhmen nach Bayern.

[Bearbeiten] Leben nach dem Zweiten Weltkrieg

Nachdem im Sommer 1945 Dr. Franz Herrschel von der sowjetischen Militärpolizei verhaftet wurde und im Oktober des gleichen Jahres die Dresdner Mühlenbetriebe von der sowjetischen Militärverwaltung SMAD beschlagnahmt wurden, versuchte man ab 1946 Friedrich Bienert aus Bayern zur Rückkehr nach Dresden zu bewegen, zumal seine eindeutige Haltung als Nazigegner bereits im gleichen Jahr zweifelsfrei festgestellt worden war. 1947 kehrte Bienert, zunächst allein nach Dresden zurück. Da sein Hellerauer Haus noch von der Roten Armee in Besitz genommen war, wohnte er in dieser Zeit in einem Teil der alten Bienertschen Villa auf dem Gelände der ehemaligen Hofmühle in Plauen.

Am 25. November 1948 wurde mit dem Befehl Nr. 64 der Landesregierung Sachsen das beschlagnahmte Eigentum der Familie Friedrich Bienert zurückgegeben. Obwohl er damit formell wieder Firmenchef der Bienert-Mühlen wurde, musste er nach einiger Zeit feststellen, dass er den Mühlenbetrieb, vor allem ab dem Beginn der 1950er Jahre, aufgrund der Vorgaben der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED), nicht mehr eigenständig führen konnte.

Ein Grund den Verbleib in Dresden - zumindest vorerst - war die nicht ungefährliche Verbringung seiner eigenen Kunstsammlung sowie großer Teile der Sammlung seiner Mutter nach Westberlin. 1952 war Bienert letztmalig in Dresden und musste dann die Stadt, da Verdacht geschöpft worden war, von einem Tag zum anderen verlassen. Der verbliebene Besitz, u.a. die wertvolle Bibliothek sowie seine Anteile an der Dresdner Mühle wurden umgehend von der DDR beschlagnahmt. Trotzdem betrug 1963 der staatliche Anteil an der Mühle erst ca. 35%, die anderen 65% verteilten sich auf die Familienmitglieder. Erst 1972 wurden die Bienertmühlen in der damaligen DDR zum „VEB Dresdner Mühlen und Brotwerke“ verstaatlicht.[5]

Ab 1953 hatte Friedrich Bienert seinen Wohnsitz in Westberlin. Der Aufbau einer neuen wirtschaftlichen Existenz scheiterte jedoch, nicht zuletzt auch aus gesundheitlichen Gründen, so dass Bienert dort bis an sein Lebensende, vor allem durch den Verkauf seiner Kunstwerke, in bescheidenen Verhältnissen lebte.

In Westberlin pflegte Bienert seinen Freundeskreis, insbesondere mit Künstler und Literaten, darunter auch mit alten Dresdnern, intensiv weiter. Wichtig blieben ihm durch alle Jahre Kunst, Musik, Theater, Film und Literatur, sowie sein ungebrochenes Interesse am politischen Tages- und Weltgeschehen.

Grabanlage von Erwin und Fritz Bienert auf dem Inneren Plauenschen Friedhof, Zustand 2012

Friedrich Bienert starb 1969 in Berlin. Seine Urne wurde zunächst auf einem Berliner Friedhof beerdigt, jedoch später in die DDR, nach Dresden überführt, wo sie, in dem von Walter Gropius für seinen Vater Erwin gestalteten Grabstelle, neben seiner Schwester Margret Weinhagen, geb. Bienert (18931944), auf dem Inneren Plauenschen Friedhof, direkt oberhalb der Hofmühle in Plauen beigesetzt wurde. Das eher schlicht gestaltete Grab befindet sich dort direkt neben der großen, ebenfalls denkmalgeschützten Grabanlage für Traugott Bienert.

[Bearbeiten] Quellen

[Bearbeiten] Einzelnachweise

  1. Der Künstler WOLS auf griffelkunst.de
  2. Otto Dix (1891–1969) auf www.staedelmuseum.de
  3. Alfred Otto Wolfgang Schulze auf www.uni-protokolle.de
  4. NS-Prozesse und deutsche Öffentlichkeit, Jörg Osterloh & Clemens Vollnhals, Verlag Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen, 2011, ISBN 978-3-525-36921-0, Onlinevorschau auf Google Books, S. 182
  5. Hafenmühle in Dresden-Friedrichstadt auf xn--dresden-mhlen-4ob.de

[Bearbeiten] Weblinks

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