Hohnstein-Prozesse

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Schloss und Stadt Hohnstein um 1900
Eingang zur Burg und zum ehemaligen Konzentrationslager

Als Hohnstein-Prozesse gingen die von 1947 bis 1949 geführten Prozesse wegen „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ gegen Verantwortliche des ehemaligen KZ's Hohnstein in die Geschichte ein. Initiiert wurden sie durch den ersten Generalstaatsanwalt des Landes Sachsen nach 1945, John Ulrich Schroeder.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Vorgeschichte

Das Konzentrationslager (KZ) Hohnstein war eines der ersten KZ's nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten Anfang 1933 und eines von 100 frühen Konzentrationslagern in Deutschland. Es diente vor allem zur Inhaftierung von politischen Gegnern vor allem von verbotenen Parteien und Organisationen, größtenteils Kommunisten, Sozialdemokraten und Gewerkschaftler.

Die SA besetzte am 8. März 1933 die Burg und frühere Jugendherberge und richteten ein KZ ein. Etwa 5.600 Häftlinge, darunter 109 Frauen und etwa 400 Kinder und Jugendliche waren dort in der Zeit bis August 1934 inhaftiert. Obwohl in den offiziellen Unterlagen des Standesamtes Hohnstein nur acht Todesfälle durch die Leitung des KZ's gemeldet wurde, schwanken die Zahlen der tatsächlich Todesopfer zwischen 40 und 140 Menschen. Darunter fallen auch die Inhaftierten, die nach Mißhandlungen als Schwerverletzte an das Krankenhaus nach Pirna bzw. nach Hause entlassen wurden, wo sie letztlich starben.

Das Lager wurde am 25. August 1934 aufgelöst. Bereits im Sommer 1934, also noch zu nationalsozialistischer Zeit, kam es zu ersten Anklagen am Landgericht Dresden gegen Verantwortliche. Die Anklage lautete auf „gemeinschaftliche schwere Körperverletzung im Amt in Verbindung mit Nötigung und tätlicher Beleidigung". Die Prozesse gegen den Lagerleiter und SA_Obersturmbannführer Rudolf Jähnichen sowie 23 weitere Wachmannschaftsmitglieder endeten erst mit milden Strafen und letztlich mit einer kompletten Begnadigung durch Adolf Hitler.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wandte sich am 19. Oktober 1945 der SPD-OrtsverbandWünschendorf/ Lehmen an den Landesvorstand der sozialdemokratischen Partei in Sachsen, der die Bildung eines Untersuchungsausschusses forderte, der die Verbrechen im damaligen KZ Hohnstein aufklären sollte. Daraufhin beauftragte die sächsische Landesregierung den sächsischen Generalstaatsanwalt John Ulrich Schroeder, ein Ermittlungsverfahren wegen „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ einzuleiten.

Am 28. Juni 1946 trat erstmals der sogenannte Hohnstein-Ausschuss zusammen. Darin vertreten waren Angehörige der SED, der Ost-CDU, der LDPD sowie ein Staatsanwalt und ein Ermittlungsrichter. Aufgrund einer Anweisung des Landeskriminalamtes Dresden vom 20. Juli 1946 sollten bis zum 31. Juli 1946 dem Chef der sächsischen Polizei Delikte im Zusammenhang mit Misshandlungen im KZ Hohnstein gemeldet werden.

[Bearbeiten] Prozesse

[Bearbeiten] Erster Vorprozess

Der erste Prozess fand Anfang Januar 1947 gegen den SA-Oberscharführer Helmut Haupold statt, gegen den bereits im Oktober 1946 Anklage durch die Generalstaatsanwaltschaft erhoben wurde. Gegen ihn erging am 6. Januar 1947 das Urteil durch das Schwurgericht Dresden wegen „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ zu 20 Jahren Zuchthaus und zehnjährigem Verlust der bürgerlichen Rechte. Laut Zeugenaussagen wurde erwiesen, dass Haupold in mindestens drei Fällen Häftlinge persönlich schwer misshandelt, darunter den ehemaligen sächsischen Innenminister Hermann Liebmann zum Krüppel geschlagen hatte. Liebmann verstarb an den Folgen der Mißhandlungen.

Weitere Prozesse fanden erst zwei Jahre später statt, auch weil die Aufenthaltsorte von Beschuldigten nicht ermittelt werden konnten. Bis März 1949 konnten 86 Beschuldigte ermittelt werden. Allerdings konnte der Haupttäter, der ehemalige Lagerkommandant Rudolf Jähnichen nicht ausfindig gemacht werden. Die meisten der in der sowjetischen Bestzungszone verbliebenen ehemaligen Wachmannschaften lebten noch in Dresden und Umgebung und wurden verhaftet.

[Bearbeiten] Die drei Hauptprozesse

Die drei, als Schauprozesse durchgeführten Hauptverhandlungen fanden ab Mai 1949 statt, der erste in der Dresdner Stadthalle am Nordplatz, wo 1.000 Besucher zugelassen waren, die zum Teil kostenlose Eintrittskarten über ihre Betriebe erhielten. Delegierte der Hauptkonferenz der VVN in der sowjetischen Besatzungszone, die vom 26. bis zum 28. Mai 1949 in Dresden stattfand, sollten einige Tage länger in der sächsischen Hauptstadt verbleiben, um ebenfalls am Prozess teilnehmen zu können. Angebrachte Lautsprecher im Saal und am Außengebäude sollten dazu dienen, weiteren Personen das Geschehen in den Verhandlungen mitzuteilen. Außerdem waren Stadtfunk- und Landessender bei der Berichterstattung zugegen. Ziel war es, zu verdeutlichen, dass die Hauptschuldigen:

„sämtlich in der Westzone Deutschlands seien und trotz Aufforderung durch die Behörden Sachsens nicht ausgeliefert wurden“.

Der erste Prozess begann am 30. Mai 1949 vor der Großen Strafkammer des Landes Sachsen laut SMAD-Befehl Nr. 201 gegen ehemalige Wachleute des KZ Hohnsteins. Senatspräsident am Oberlandesgericht Dresden, Dr. jur. Fritz Köst (SED)[1] hatte den Vorsitz. Ihm beigeordnet waren:

Der Vertreter der Anklage war der Staatsanwalt Karl Welich[2] (SED). Der Prozess wurde gegen den SA-Truppführer Paul Arlet und 22 weitere verantwortliche Wachmannschaften (u.a. Küchler, Figelius, Marianczyk, die Brüder Steinbach, Lindner, Winkler, Krujatz, Noack und Riehle) geführt. Lediglich Arlet und Küchler gaben teilweise ihre Schuld zu. Die anderen Angeklagten schoben die Schuldfrage meist den oben genannten Hautschuldigen zu, die beim Prozess wegen Nichtauslieferung nicht angeklagt werden konnten oder dem SA-Mann Max Morgenstern, der sich nach 1945 als überzeugter Gegner des Nationalsozialismus und neben dem Häftling und Burgältesten Max Barth als Hauptbelastungszeuge auftrat.

Die Staatsanwaltschaft beantragte die Todesstrafe für Küchler und Figelius sowie hohe Zuchthausstrafen zwischen 6 und 20 Jahren für die anderen Angeklagten. Lediglich dem Angeklagten Ebert billigte die Staatsanwaltschaft mit einem Jahr und sechs Monaten Zuchthaus mildernde Umstände zu.

Die insgesamt 21 Urteile für Zuchthausstrafen ergingen am 17. Juni 1949, so unter anderem:

Bei den restlichen zwei Prozessen, beide noch im gleichen Jahr, 1949, mussten sich in ähnlicher Art und Weise zuerst 31 Angeklagte und in der letzten Hauptverhandlung 32 Angeklagte wegen „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ im KZ Hohnstein verantworten.[3] Der zweite Prozess fand vom 11. bis 27. Juli 1949 im Volkshaus Pirna gegen den SA-Truppführer Kurt Stachowski (alias Staak) und weiteren 30 Angeklagten statt.

Der dritte Prozess fand nach der Gründung der DDR, vom 7. bis 18. November 1949 vor der in Freital tagenden II. Großen Strafkammer des Landgerichts Dresden gegen den SA-Truppführer Felix Sikora und weitere 31 Angeklagte statt. Für die beiden Hauptangeklagten des zweiten und dritten Prozesses Stachowski und Sikora forderte die Staatsanwaltschaft wiederum die Todesstrafe. Beide Male wurde dieser Strafantrag vom Gericht abgelehnt. Die höchste Zuchthausstrafe erhielten die beiden Hauptangeklagten mit je lebenslänglichen Zuchthaus. Der bereits oben erwähnte Max Morgenstern erhielt 15 Jahre Zuchthaus, weitere Angeklagte zwischen 15 und zwei Jahren Jahren Zuchthaus. Im zweiten Prozess wurde ein Angeklagter wegen seiner Taten zu einem Jahr Gefängnis schuldig gesprochen, ein Angeklagter wurde frei gesprochen. Im dritten Prozess erhielten Angeklagte auch Gefängnisstrafen von einem bzw. zwei Jahren. Für die zu einem Jahr Gefängnis Verurteilten wurden aufgrund des bereits erwähnte Amnestiebefehls von 1948 die Verbüßung der ausstehenden Haftstrafe ausgesetzt.

Insgesamt wurden somit 86 Personen, die in der sowjetischen Besatzungszone aufgespürt und verhaftet worden waren, in den Hohnstein-Prozessen angeklagt. In den meisten Fällen kam es zu hohen Zuchthausstrafen. Zu einem Todesurteil gegen einen Verantwortlichen des KZ Hohnsteins kam es dann in denen ab April 1950 durchgeführten Waldheimer Prozessen. Gegen den zweiten Lagerkommandanten Ernst Heinicker, der bereits 1935 angeklagt wurde, verhängte die 11. Große Strafkammer des Landgerichts Chemnitz nach elfstündiger Verhandlung die Todesstrafe, die auch ausgeführt wurde.

[Bearbeiten] Trivia

Die meisten Verurteilten der Hohnstein-Prozesse mussten ihre Haftstrafen nicht bis zum Ende absitzen. Entweder fielen sie unter ein Amnestiegesetz oder wurden als geheime Informanten Mitarbeiter der Staatssicherheit der DDR. So verpflichtete sich Alfred Figelius, der am 17. Juni 1949 zu 20 Jahren Zuchthaus verurteilt wurde, am 21. Februar 1956 auf freiwilliger Basis mit dem Ministerium für Staatssicherheit zusammen zu arbeiten. Kurze Zeit später wurde er aus der Haft entlassen. Max Morgenstern, der zu 15 Jahre Zuchthaus verurteilt wurde, wurde am 19. Juli 1955 von der Staatssicherheit angeworben und 1956 aus der Haft entlassen und als sehr zuverlässigen MfS-Mitarbeiter beurteilt. Als er für seine Agententätigkeit einen Auftrag nach Westdeutschland erhielt, kehrte er zwar erst wieder allein zurück, um drei Tage später mit seiner Familie aus der DDR zu flüchten.

Nach der deutschen Wiedervereinigung gab es mehrere Rehabilitierungsverfahren von ehemaligen Angeklagten. Allein zwei ehemalige Wachmänner rehabilitierte das Landgericht Dresden, andere wurde abgewiesen oder nur bezüglich des Vermögensentzugs genehmigt. Johannes Pinski, verurteilt im ersten und Herbert Hille, verurteilt im zweiten Prozess erhielten erfolgreich eine Rehabilitierung , weil sie aufgrund der im KZ Hohnstein angelasteten Kollektivschuld verurteilt wurden. Im Urteil des Landgerichts Dresden hieß es, dass die Anwendung einer Kollektivschuld für eine strafrechtliche Verurteilung eines Einzelnen mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbar ist.

[Bearbeiten] Literatur

[Bearbeiten] Einzelnachweise

  1. OLG-Präsident Fritz Köst (* 1878 in Leipzig). Sein Sohn war Dr. jur. Ewald Köst (* 10. August 1908 in Leipzig), verheiratet mit der Schauspielerin Ursula Damm-Wendler. Juristischer Fachautor.
  2. Karl Welich auf Find a Grave.
  3. Joseph Robert Weiß: HOHNSTEIN in: United States Holocaust Museum, Encyclopedia of Camps and Gehttos, 1933-1945, Onlineartikel auf https://muse.jhu.edu.

[Bearbeiten] Weblinks

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