John Ulrich Schroeder

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John Ulrich Wilhelm Friedrich Max Henry Schoeder, auch John-Ulrich Schroeder, selten Schröder (* 6. August 1876 in Boizenburg/Elbe; † 23. Februar 1947 in Hellerau[1] bei Dresden) war ein deutscher Jurist, Oberlandesgerichtsrat in Hamburg, während der Zeit der Weimarer Republik Regierungsbeamter als Ministerialrat im sächsischen Justizministerium und nach 1945 der erste Generalstaatsanwalt des Landes Sachsen. Er war außerdem Honorarprofessor an der Universität Leipzig.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Familie

John Ulrich Schroeder entstammte der weit verzweigten mecklenburgischen Priester- und späteren Gutsbesitzerfamilie Schroeder. Der bekannte Spitzenahn ist der Anklamer Diakon August Friedrich Schroeder (* 6. April 1741 in Nummhagen). Schroeders Urgroßvater väterlicherseits war der Medower Prediger Friedrich Matthias August Schroeder (* 6. September 1772 in Anklam), sein Großvater der Gutsbesitzer Karl Friedrich August Heinrich Matthias Schroeder (* 30. Januar 1802 in Medow; † 12. Mai 1874 in Göldenitz bei Rostock). Sein Großvater besaß das Gut Göldenitz bei Dummerstorf, wo auch sein Vater aufwuchs.

Schroeder war der Sohn des Rostocker Juristen und Amtsrichters Theodor Friedrich Otto Johann Christian Schroeder (* 2. Februar 1842 in Klein-Ridsenow bei Stavenhagen; † 3. September 1902 in Rostock) und dessen 1875 geheirateter Ehefrau Alice geb. Boyes (* 10. März 1854 in Rostock; † 9. November 1923 ebenda), Tochter des gebürtigen Engländers John Augustus Boyes (18211876). Schroeders Vater besuchte das Gymnasium in Güstrow, wo er 1862 seine Reifeprüfung ablegte. Danach studierte er Rechtswissenschaften an den Universitäten in Göttingen, Berlin und ab 1865 in Rostock. Nach seinem zweiten Staatsexamen arbeitete er ab spätestens 1875 als Advokat (Rechtsanwalt) in Boizenburg. Bereits 1900 ist er als Amtsrichter a.D. (außer Dienst) im Adressbuch Rostock verzeichnet.[2] Schroeder hatte noch vier Geschwister, darunter den kaiserlich-deutschen Marinekommandanten Franz Christoph Carl Paul Clarus Schroeder (* 1879) und den 1939 nach Brasilien ausgewanderten Hans Ernst Eugen August Wilhelm Ulrich Schroeder (18891974).

John Ulrich Schroeder heiratete um 1911 in Hamburg Anna Elisabeth geb. Roelten (* 12. April 1891 in Hamburg; † 13. April 1963 in Potsdam), Tochter des Geschäftsmannes und Teilhabers der Firma Börner & Röltgen, Caspar Hartung Röltgen (18631924) und dessen Ehefrau Anna Maria geb. von Pein (18671946). Das Ehepaar Schroeder hatte vier Kinder:

[Bearbeiten] Leben und Wirken

John Ulrich Schroeder nahm nach seiner höheren Schulbildung wie sein Vater ein Studium der Rechtswissenschaften auf. Schroeder studierte anfangs an der Universität in Rostock, wo er sich am 15. Oktober 1895 immatrikulierte. Am 1. April 1898 ernannte der Herzog-Regent des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin, Johann Albrecht zu Mecklenburg den bisherigen Kandidaten der Rechte Schroeder nach seiner bestandenen ersten juristischen Prüfung zum Referendar.[3] Danach setzte Schroeder sein Studium an der Universität in Halle an der Saale fort, wo er auch zum Doktor der Rechte (Dr. jur.) promovierte.

Am 20. Januar 1904 wurde Schroeder vom Großherzog Friedrich Franz IV. von Mecklenburg zum Gerichtsassessor in der Justizverwaltung des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin ernannt.[4] Dort arbeitete er bis 1906.

Im gleichen Jahr ging Schroeder nach Hamburg, wo er als Landrichter an das Hamburger Landgericht unter dem damaligen Präsidenten Julius Friedrich Theodor Engel berufen wurde.[5] Er arbeitete dort anfangs als Richter in der III. Strafkammer, wechselte aber bereits im Folgejahr zur IV. Zivilkammer.[6] 1910 wurde Schroeder zum Staatsanwalt am Landgericht Hamburg ernannt. Im gleichen Jahr wurde er Mitglied der Justizprüfungskommission der Hansestadt.[7] 1912 wurde er zum Fünften Zivilsenat und Strafsenat versetzt und erhielt den Rang und den Titel eines Hamburger Oberlandesgerichtsrates.[8] Während seiner Hamburger Zeit war Schroeder Mitglied des Vereins für Hamburger Geschichte, wo er 1906 eingetreten war.[9]

Während des Ersten Weltkrieges wirkte Schroeder als Marinerichter in Hamburg. Dort war er auch für die Hochverratsprozesse gegen Matrosen zuständig. Später arbeitete er als Kriegsgerichtsrat in Cuxhaven. Beim Kieler Matrosenaufstand, der am 3. November 1918 begann, machte sich Schroeder als „Matrosen-Schröder“ einen Namen, als er Partei für die revoltierenden Matrosen und Arbeiter ergriff.[10] Schroeder vermittelte in Cuxhaven zwischen den Parteien und konnte so ein Blutvergießen wie in Kiel verhindern. Infolgedessen engagierte er sich in der Arbeiterbewegung und stand der USPD nahe. 1921 veröffentlichte er über die Revolutionszeit sein Buch „Im Morgenlichte der deutschen Revolution“, das in mehreren Auflagen erschien.

Schroeder kam 1922 mit der Bildung der zweiten, SPD-geführten Regierung Buck, die zusammen mit der USPD eine Regierung in Sachsen bildete, nach Dresden. Hier erhielt Schroeder im Justizministerium unter dem damaligen Justizminister und späteren Ministerpräsidenten Erich Zeigner den Rang eines Ministerialrates. Schroeder blieb auch nach der Reichsexekution, mit der durch den Einmarsch der Reichswehr nach Sachsen die SPD-/KPD-Regierung Zeigner beendet wurde, bei den Regierungen von Alfred Fellisch und Max Heldt weiter in seinem Amt als Ministerialrat. Als solcher ist er erstmals 1924 im Dresdner Adressbuch verzeichnet.[11] Schroeder wohnte anfangs in Dresden in einer Mietwohnung in der zweiten Etage der Blochmannstraße 18.[12] Er blieb Ministerialrat im sächsischen Justizministerium auch nach dem Ende der SPD-geführten Regierungen 1929, so unter den bürgerlichen Regierungen Wilhelm Bünger und Walther Schieck. Schroeder wirkte bis zur Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 in seinem Amt als Ministerialrat im sächsischen Justizministerium, zuletzt unter dem sächsischen Justizminister Karl Emil Mannsfeld. Mit der Machtübernahme durch die NSDAP wurde Schroeder aus dem staatlichen Justizdienst entlassen.

1932 zog Schoeder nach Hellerau, in den dortigen Schulweg 27,[13] dessen Hausbesitzer er war[14] und wo er bis zu seinem Tod wohnte. Bis 1944 ist er mit seinem Titel als Ministerialrat im Dresdner Adressbuch in seinem Haus in Hellerau aufgeführt. Während der Zeit der Nationalsozialisten lebte er bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges von einer kleinen staatlichen Pension.

Nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges wurde Schroeder 1945, mit Zustimmung der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) vom Land Sachsen zum ersten Generalstaatsanwalt erhoben. Ausschlaggebend war sicher hierbei seine linke Gesinnung und die frühere Parteinahme zur USPD. In diesem Amt blieb er bis zu seinem Tod. Bereits im Januar 1946 erwähnte die sozialdemokratische Zeitung „Volksstimme“ die Aussage von Schroeder zu einer Aufarbeitung von nationalsozialistischen Unrechtsurteilen. Er wolle Anklage gegen Juristen und Staatsanwälte wegen der „Verantwortlichkeit für unmenschliche Urteile“ erheben, erklärte er bei einer Gedenkfeier für wärend der Naziherrschaft hingerichtete Kommunisten. Schroeder brachte diesen bevorstehenden Prozess mit den über Tausend Hinrichtungen am Münchner Platz in Dresden im Zusammenhang. Dies war eine Falschaussage, die von der Staatsanwaltschaft auch während des späteren Dresdner Juristenprozesses 1947 weiter aufrecht gehalten wurde.[15]

Im gleichen Jahr, 1946, wurde Schroeder zum Honorarprofessor mit Lehrauftrag für Allgemeine Rechtslehre an der Juristenfakultät der Universität Leipzig ernannt. Dort kritisierte er, dass es an der der Leipziger Universität Widerstand gegen das damals von der SED geförderte Arbeiterstudium gab und argumentierte gegenüber dem sächsischen Ministerium, die Leipziger Juristenfakultät setze sich aus „typisch bürgerlich eingestellten Menschen zusammen.“[16] Am 11. März 1946, nach der Absetzung des bisherigen Vizepräsidenten der Deutschen Zentralverwaltung für Justiz, Paul Bertz, unterbreitete der KPD-Vorsitzende Walter Ulbricht Schroeder bei dessem Besuch in Berlin den Vorschlag, die nun vakante Position des Stellvertreters der Zentralverwaltung der Justiz in der deutschen Hauptstadt zu übernehmen, was Schroeder aber ablehnte.[17]

Nach der Zwangsvereinigung von KPD und SPD in der ostdeutschen Besatzungszone wurde Schroeder Mitglied der neu gegründeten SED.[18] Neben dem Dresdner Juristenprozess war Schroeder auch Initiator des Dresdner Ärzteprozesses. Am 7. Januar 1947 erhob er Anklage gegen mehrere Ärzte, Krankenpfleger und Krankenschwestern, die sich wegen Krankenmorde in der Zeit des Nationalsozialismus schuldig gemacht hatten. Schroeder bereitete in seiner Zeit als Generalstaatsanwalt auch die späteren Hohnstein-Prozesse von 1949 vor, in dem die Schuldigen des früheren Konzentrationslagers Hohnstein wegen vergangener Straftaten und Verbrechen angeklagt wurden.[19]

Schroeder starb im 71. Lebensjahr. Er wurde auf dem Friedhof Rähnitz im Dresdner Stadtteil Hellerau in der dortigen Ludwig-Kossuth-Straße mit einem Staatsbegräbnis beerdigt. Sein Grab ist erhalten. Die sozialistische Tageszeitung „Neues Deutschland“ würdigte seine Arbeit als Generalstaatsanwalt von Sachsen in einem Artikel vom 25. Februar 1947 und hob hervor, dass Schroder bereits seit der Novemberrevolution 1918 mit der Arbeiterklasse verbunden war.[20]

In Hellerau wurde der Schulweg, wo Familie Schroeder wohnte, nach der 1950 erfolgten Eingemeindung nach Dresden in Schroederstraße umbenannt. Bei der Umbenennung der Straßennamen aus der sozialistischen Zeit in der DDR wurde die Straße 1993 – wahrscheinlich auf Grund fehlender Informationen über Schroeder – in Heinrich-Tessenow-Weg umbenannt.[21]

[Bearbeiten] Veröffentlichungen (Auswahl)

[Bearbeiten] Quellen

[Bearbeiten] Einzelnachweise

  1. Sterberegister 27/1947 Standesamt Hellerau
  2. Stephan Sehlke: Das geistige Boizenburg: Bildung und Gebildete im und aus dem Raum Boizenburg vom 13. Jahrhundert bis 1945, BoD Norderstedt 2011, Leseprobe auf Google Books, S. 392.
  3. Regierungsblatt für Mecklenburg-Schwerin, Jahrgang 1898, No. 1-38, Schwerin, Digitalisat auf Google Books, S. 94.
  4. Großherzoglich Statistisches Amt (Hrsg.): Großherzoglich Mecklenburgisch-Schwerinischer Staatskalender 1906, 31. Jahrgang, Schwerin 1906, Digitalisat auf Google Books, S. 216.
  5. Hamburgisches Staatshandbuch für 1907, Digitalisat auf Google Books, S. 89f. und 94
  6. Hamburgisches Staatshandbuch für 1908, Digitalisat der Universität Hamburg, S. 99.
  7. Hamburgisches Staatshandbuch für 1911, Digitalisat der Universität Hamburg, S. 352.
  8. Hamburgisches Staatshandbuch für 1913, Digitalisat der Universität Hamburg, S. 104, 107, 108.
  9. Mitteilungen des Vereins für Hamburger Geschichte, 26. Jahrgang, Hamburg 1906, Bände 26-30, Heft 3/1907, Digitalisat auf Google Books, S. 36f.
  10. Der Spiegel: Kleine Fische, Ausgabe vom 10. August 1949, Spiegel 33/1949, Onlineartikel auf www.spiegel.de.
  11. Adressbuch Dresden 1924/25, Teil II, S. 8, SLUB.
  12. Adressbuch Dresden 1924/25, S. 823, SLUB.
  13. Adressbuch Dresden 1933, Vororte, S. 65, SLUB.
  14. Adressbuch Dresden 1943/44 Vororte, S. 54, SLUB.
  15. Jörg Osterloh/Clemens Vollnhals (Hrsg.): NS-Prozesse und deutsche Öffentlichkeit: Besatzungszeit, frühe Bundesrepublik und DDR, 2011 Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen, Leseprobe auf Google Books, S. 179f.
  16. Martin Otto: Von der Eigenkirche zum Volkseigenen Betrieb: Erwin Jacobi (1884-1965), Tübingen 2008, Leseprobe auf Google Books, S. 297.
  17. Hermann Wentker: Justiz in der SBZ/DDR 1945-1953: Transformation und Rolle ihrer zentralen Institutionen, R. Oldenbourg Verlag München 2001, Leseprobe auf Google Books, S. 71.
  18. Andreas Thüsing, Hanna-Arendt-Institut für Totaliarismusforschung an der Technischen Universität: Demokratischer Neubeginn?: Aufbau, Organisation und Transformation des sächsischen Justizministeriums 1945-1950, Dresden 2003, Snippet-Ansicht auf Google Books, S. 43.
  19. Jörg Osterloh/Clemens Vollnhals (Hrsg.): NS-Prozesse und deutsche Öffentlichkeit: Besatzungszeit, frühe Bundesrepublik und DDR, 2011 Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen, Leseprobe auf Google Books, S. 193f. und 209f.
  20. Neues Deutschland, Artikel vom 25. Februar 1947, S. 2, Anmeldung erforderlich.
  21. Christian Pritzkow: Wie die Schroederstraße zu ihrem Namen kam – und ihn wieder verlor. in: Mitteilungen für Hellerau, 68. Ausgabe, August 2006.

[Bearbeiten] Weblinks

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