Christian Gottlieb Kühn
[Bearbeiten] Herkunft und Jugend im Gasthof "auf Hofapothekers" in der (äußeren) Rampischen Gasse 155 (Pirnaische Vorstadt)
Der Dresdner Bildhauer Christian Gottlieb Kühn, auch Christian Gottlob[1], (* 16. Juni 1780 - † 20. Dezember 1828, Grab auf dem Trinitatisfriedhof) wuchs in einem Haus in der Pirnaischen Vorstadt auf der Rampischen Gasse Nr. 155 auf. Hier betrieben seine Eltern - der Vater Karl August Kühn war kurfürstlicher Hofschröter und Friedensrichter, die Mutter eine Elbsche - eine Gastwirtschaft. 1797 hieß das: er "schenkt Bier".[2]
In Sonnenkind heißt es dazu:
- [5] " ... das alte Stammhaus seiner [Christian Gottlieb Kühns] Väter und Großväter ... Dieses stand in der äußeren Rampischen Gasse und war ursprünglich ein langgestrecktes Gebäude, in dessen großen Grasgarten die Lämmer weideten und zu welchem ausgedehnte Felder vor dem Rampeschen Schlage gehörten. Das Haus hieß nach einem längst verstorbenen Besitzer "auf Hofapothekers" und hatte weitläufige Räume zur Abhaltung [6] von festlichen Schmäusen und Zusammenkünften der Bürger. Es war fast ein Jahrhundert lang darin Schankwirtschaft betrieben worden, denn mein Großvater Karl August Krohn [Pseudonym] hatte, wie sein Vater und Großvater vor ihm, das Küferhandwerk erlernt und war wie diese Kurfürstlicher Hofschröter geworden. ... Karl August Krohn hatte nach dem Tod seines Vaters, und nachdem er seine sechs Soldatenjahre abgedient hatte, das Grundstück und die Speisewirtschaft übernommen und war immer mehr auf einen grünen Zweig gekommen. Denn sein Garten, den eine schöne Kastanienallee und eine breitästige uralte Linde zierte, bot mit seinen zahlreichen Bänken und Tischen den Gästen willkommenen Aufenthalt, und die Bewirtung bei den Schmäusen ließ nichts zu wünschen übrig. Die Potage der alten Mutter Krohn war berühmt, und es gab bei Festlichkeiten ganze Berge von Semmel zu reiben. Die Weine aber aus den festgewölbten alten Kellern waren wohlgepflegt. Immerhin ging alles sehr einfach und ehrbar zu, die Mutter Krohn, eine Tochter des Hoffuhrmanns Tieftrunk [Pseudonym] aus der Schloßgasse, hielt streng auf Zucht und Ordnung und stand ihrem Sohn Karl August in der Wirtschaft treu zur Seite, bis er ihr eine junge Frau, auch eine Elbsche, ins Haus brachte.[3]
Die Autorin, Maria Coelestine Hübener, geb. Kühn, hatte noch 1840 die Umbenennung der Gasse von Rampische Gasse in Äußere Rampische Gasse miterlebt - aber schon 1847 nach auswärts geheiratet. Die Äußere Rampische Straße wurde 1859 in die damals 1100 Ellen lange Pillnitzer Straße umbenannt.
Bis 1840 wurden sowohl der Teil in der Altstadt als auch der Teil vor dem Pirnaischen Tor als Rammische/Rampische Gasse bezeichnet.
Die Rampische Gasse wurde schon unweit vom Festungsgraben vom Straßenzug Neue Gasse/ Große Ziegelgasse gekreuzt. Die Nähe dieser Kreuzung zum Pirnaischen Tor bedeutete eine besonders gute Lage. Das Eckhaus über den Straßenzug rechterhand (Rammische Gasse Nr. 157) wurde 1797 strategisch gut belegt durch die "Speisewirthinn Dorothee Elisabeth verw. Herbst", die das einträgliche Geschäft ihres Mannes an dieser Eckgaststätte weiter fortführte. Das Eckhaus vor dem Straßenzug rechterhand (Rammische Gasse 211) bewohnte der Hofbildhauer Franz Pettrich, der zum Lehrmeister für Christian Gottlieb Kühn wurde.[4]
Von dieser Ecke aus lag rechterhand hinter der Speisewirtschaft Herbst
- das Haus des Fleischhauermeisters Christian Trinks (Rammische Gasse 156) und dann schon
- das Gasthaus "auf Hofapothekers" von Karl August Kühn.
- Noch weiter stadtauswärts schloß sich bereits ein Vorwerk an, das damals Johann Gottlieb Bär besaß (Nr. 154). Hier wurde die Gegend schon sehr ländlich.
- Ein weiteres Vorwerk lag in Nr. 145, wo der Pachtgärtner Johann Gottlieb Franke "Akazienbäume, italienische Pappel, Maulbeerbäume, Berberissträucher, gute Obstbäume und exotische Hölzer" verkaufte.
- Nr. 144 war eine Scheune, und in Nr. 143 gab es schon den nächsten Pachtgärtner, Johann Bartholomäus Bärwolf.
- in Nr. 138 - "Oberleutnants" genannt - hielt Gottlieb Loohse "Billard und Konzert" und schenkte "Kaffee, Wein, Punsch und Bier" - außerdem bearbeitete der Pachtgärtner Johann Philipp Scheibe das Gartenland dieses Grundstückes
- "Zwischen diesem Hause Nr. 138. und dem Hause Nr. 141 ist ein Schlag, welcher aufs Feld führt und verschlossen ist."[5]
- "Schläge: ... blinder Schlag in der Pirnaischen Vorstadt"[6] - nach der Karte von 1812 führte er direkt zum Pirnaischen Schlag[7]
- "die folgenden Nrn. 139. 140. und 141. sind außerhalb der Schläge."
- Nr. 137 war ebenfalls ein Vorwerk, und die Nummern 136 bis 133 waren alle von (Pacht)Gärtnern bewohnt.
- Nach Nr. 133 kam der Rampische Schlag nach Pillnitz, der bis 1810 noch mit einer Schanze versehen war, die in dem Jahr demoliert wurde: vgl. 1810: Beseitigung der Schanzen vor den Vorstädten und Schleusenbau und Stadtplan von Dresden von 1801[8]
- auf dem Stadtplan von 1812 wird dieser Schlag nach Pillnitz Böhmischer Schlag genannt[9]
Das Gasthaus "auf Hofapothekers" lag einerseits schon ländlich, andererseits aber auch nicht weit entfernt vom Pirnaischen Tor.
[Bearbeiten] Ausbildung beim Hofbildhauer Franz Pettrich (ab 1795)
Christian Gottlieb Kühn absolvierte eine Ausbildung bei dem 1795 zum Hofbildhauer ernannten [[Franz Pettrich, der nur drei Häuser stadteinwärts von seinem Elternhaus in der Rammischen Gasse Nr. 211 wohnte.
[Bearbeiten] Romreise mit seinem Lehrer Franz Pettrich 1801/03
Am 18. Dezember 1800 nutzte Graf Marcolini einen Vortrag beim Kurfürsten Friedrich August, für einige junge Künstler Stipendien für Auslandsreisen zu beantragen: Der Bildhauer Pettrich wünscht auf ein paar Jahre eine Reise nach Italien thun zu können, um in Rom unter der Aufsicht eines daselbst sehr berühmten Bildhauers seine Kunststudia fortsetzen und allda betreiben zu wollen. Sein Vorschlag, Pettrich zur Ausführung seines Unternehmens 200 Thaler als eine gnädigste Unterstützung angedeyhen zu lassen, wird huldvoll bewilligt.
Im Herbst 1801 begaben sich Pettrich und sein Schüler Christian Gottlieb Kühn nach Italien und nutzten die Durchreise durch die oberitalienischen Kunststädte, namentlich in Florenz, zu umfangreichen Kunststudien. Florenz ist die Namensgeberin der Kunststadt Dresden als Elbflorenz. Am 1. Juni 1802 erreichten sie Rom. Pettrich mietete sich in der Via Gregoriana ein. Im gleichen Hause wohnte ab 1819 auch sein Sohn Ferdinand. Pettrich schloß sich dem gleichaltrigen Bertel Thorvaldsen an, welcher seit dem 8. März 1797 in Rom weilte und dort die Unterstützung des dänischen Antiquars, Archäologen und Aufsehers im Päpstlichen Münzkabinett Georg Zoëga[10] wie auch des Malers Asmus Carstens[11] gefunden hatte. So bezog Thorvaldsen schon 1797 sein erstes Atelier in der Via Babuino 119. Dieses hatte der englische Bildhauer John Flaxman hinterlassen, der bis zum Sommer 1794 zusammen mit seiner Frau in Rom weilte. Thorvaldsen und Pettrich arbeiteten und lernten bei dem römischen Bildhauer und Oberaufseher des Departements der schönen Künste für den Kirchenstaat, Antonio Canova, einem der Hauptvertreter des italienischen Klassizismus.[12] Ab 1801 arbeitete Antonio Canova an dem Marmor-Grabmal für die Erzherzogin Marie Christine von Österreich († 24. Juni 1798) für die Augustinerkirche in Wien. Marie Christine hatte von 1792 bis 1794 mit ihrem Gemahl, dem Herzog Albert Kasimir von Sachsen-Teschen[13] in Dresden gelebt.
So lernte Pettrich in erster Linie die Bearbeitung von Marmor. Er und Thorvaldsen arbeiteten unter Canovas Anleitung auch in Carrara in der Toskana, wo es seit 1769 die Accademia di Belle Arti di Carrara gab.
Thorvaldsen mußte 1803 nach zweimaliger Verlängerung seines Stipendiums durch die Kunstakademie Kopenhagen in seine Heimat Dänemark zurückkehren. Im gleichen Jahr wurde Antonio Canova von Napoleon nach Paris berufen, um die letzendlich 3,25 Meter hohe Bronzeplastik Napoléon als friedensbringender Mars zu beginnen. Aber selbst Napoleon konnte Antonio Canova nicht dazu bewegen, nach Paris überzusiedeln. Die Bronze wurde 1809 in Rom fertiggestellt, das Grabmal der Erzherzogin Marie Christine von Österreich 1805.
Am 12. Februar 1803 starb Pettrichs Frau Carolina. Sie hatte ihm nach dem Sohn Ferdinand noch zwei Töchter geboren. Wohl aus diesem Grunde brach er seinen Rom-Aufenthalt ab und reiste wahrscheinlich erst in der warmen Jahreszeit zurück nach Dresden. Pettrich erwarb in Rom noch eine Parthie Carrarischen Marmor und für die Mengs'sche Sammlung Gipsabgüsse von Antiken.[14] Nach der Meinung seines Schülers Ernst Rietschel hätte Pettrich seinen Romaufenthalt vornehmlich mit Kopieren und Abgüssen ausgefüllt. Diese Ansicht ist aber wahrscheinlich auf das schlechte Verhältnis zwischen Pettrich und Rietschel zurückzuführen.
Pettrichs Schüler Christian Gottfried Kühn war in Rom an seinen Meister gebunden und stand somit in dessen Schatten.
[Bearbeiten] Dresden ab 1803: (äußere) Rampische Gasse 48 (Pirnaische Vorstadt)
Nach seiner Rückkehr aus Italien arbeitete Kühn selbständig und wohnte schräg gegenüber von seinem Meister Peschel beim Weißbäckermeister Christian Immanuel Karichs in der Rampischen Gasse Nr. 48.[15]
Christian Gottlieb Kühn lebte in erster Linie von der Herstellung antikisierender Grabmäler, die damals in Mode kam.
Kühn war eng mit dem Maler Caspar David Friedrich befreundet, von dem er 1807 eine Porträtbüste klassizistischer Manier fertigte, die heute im Kügelgenhaus – Museum der Dresdner Romantik in Dresden ausgestellt ist.[16] Er schnitzte 1808 den goldenen Rahmen für Friedrichs Gemälde Kreuz im Gebirge, das als Tetschener Altar zu einer Ikone der Kunst der Romantik wurde.
- "Der Rahmen ist nach Herrn Friedrichs Angabe von Bildhauer Kühn gefertigt worden. Zur Seite bildet der Rahmen zwei gotische Säulen. Palmzweige steigen daraus empor und wölben sich über dem Bilde. In den Palmzweigen sind fünf Engelsköpfe, die alle anbetend niederschauen auf das Kreuz. Über dem mittelsten Engel steht im reinsten Silberglanze der Abendstern. Unten ist in länglicher Füllung das allsehende Auge Gottes, vom heiligen Dreizack eingeschlossen [und] mit Strahlen umgeben. Kornähren und Weinranken neigen sich zu beiden Seiten gegen das allsehende Auge und deuten auf Leib und Blut dessen, der an das Kreuz geheftet ist. Christian August Semler[17]
Die Ästhetik des Rahmens ist sinnstiftender Teil des Gesamtkunstwerkes und war im Ramdohr-Streit auch Objekt der Kritik des Kammerherrn Basilius von Ramdohr. Ramdohr bezweifelte die durch den Bildrahmen beförderte religiöse Allegorie der Landschaftsdarstellung. Dem im klassizistischen Kunstideal verhafteten Kritiker erschien die neue Kunstwahrnehmung der Romantik völlig fremd.
- "Hier muss der Rahmen erwähnt werden, der das Bild umgibt. Er steht in unmittelbarem Zusammenhange mit dem Gemälde und macht um so mehr einen integrierenden Teil desselben aus, als ohne ihn die Allegorie gar nicht verständlich sein würde und dieser Rahmen selbst den Aufsatz auf den Altar ausmacht. […] Der Rahmen ist ohne alles Verhältnis zu dem Bilde. […] Setzt man diese Emblematik mit der Allegorie des Gemäldes zusammen und erwägt die Tendenz des Ganzen, mit Aufopferung von Wahrheit und Geschmack eine zwar in sich verehrungswürdige, tröstende, aber gar nicht ästhetische Idee unserer Religion: Glauben an die geheimnisvollen Wirkungen des Abendmahls zu versinnlichen[…]." Basilius von Ramdohr[18]
[Bearbeiten] 1814: Erwerb der Bildhauerwerkstatt des verschollenen Friedrich Andreas Ullrich
1814 erwarb Christian Gottlieb Kühn die Bildhauerwerkstatt des 1812 in Moskau verschollenen Friedrich Andreas Ullrich am Festungsgraben (in der Nähe des späteren Gondelhafens), wo er 1818 mit 38 Jahren seine spätere Frau kennenlernte. Die Trauung fand in Briesnitz statt, das damals noch eine Dorfkirche besaß.
[Bearbeiten] 1824: Rückzug in sein Vaterhaus (äußere) Pirnaische Gasse 155
1824 zog die Familie in Kühns Vaterhaus, das aufgestockt und umgebaut wurde. Es trug nach einem Relief mit den neun Musen den Namen "Die 9 Männeln über der Türe".
Sein Lehrer war Franz Pettrich (1770-1844), mit dem er auch in Italien weilte. Er war befreundet mit Carl Gustav Carus (1789-1869) und Caspar David Friedrich (1774-1840).
Kühn war der Vater von Maria Kühn, die als Sonnenkind durch ein Buch von Margarete Nicolaus über ihre Kindheit und Jugend bekannt wurde.
[Bearbeiten] Werke[19]
- Büste von Caspar David Friedrich (1807)
- goldener Rahmen für Caspar David Friedrichs Gemälde Kreuz im Gebirge oder Tetschener Altar (1808)
- Brückenmännchen an der Augustusbrücke (1813/14), Auftrag von Camillo Graf Marcolini an Franz Pettrich
- Moreau-Denkmal (Helm) in Räcknitz (1814) nach einem Entwurf von Gottlob Friedrich Thormeyer
- zwei Löwenplastiken für die Treppe der Brühlschen Terrasse, 1863 in den Großen Garten versetzt (1814)
- Musenreigen am Haus Pillnitzer Straße 26 (1824)
- "Goldener Engel" am Haus Wilsdruffer Straße 7
- Genius mit umgestürzter Fackel
- sein eigenes Grabmal auf dem Trinitatisfriedhof (1827)
[Bearbeiten] Quellen
- Margarete Nicolaus (Pseudonym für Maria Coelestine Hübener, geb. Kühn): "Sonnenkind. Ein Lebensbild", Verlag von C. Ludwig Ungelenk, Dresden 1913.
- ↑ Lt. Thieme-Becker (Band 22, S. 57)
- ↑ Dresden zur zweckmäßigen Kenntniß seiner Häuser und deren Bewohner 1797, S. 212.
- ↑ Margarete Nicolaus (Pseudonym für Maria Coelestine Hübener, geb. Kühn): Sonnenkind. Ein Lebensbild. Verlag C. Ludwig Ungelenk, Dresden 1913, S. 5f.
- ↑ AB 1797, S. 213.
- ↑ AB Dresden von 1797, S. 210.
- ↑ AB von Dresden 1797, S. (686).
- ↑ Stadtplan Dresden von 1812.
- ↑ Stadtplan von Dresden 1801.
- ↑ Stadtplan von Dresden von 1812.
- ↑ Georg Zoëga war zuvor dänischer Generalkonsul im Vatikan.
- ↑ Asmus Carstens verstarb schon am 25. Mai 1798 in Rom, nur 44-jährig, ohne seine Heimat wiedergesehen zu haben. Sein klassizistischer Nachlass, der nach Weimar kam, beeinflusste sogar Goethe bei der Beurteilung der Weimarer Preisausschreiben.
- ↑ Antonio Canova hatte durch die Unruhen in Rom wie viele andere Künstler auch die Stadt (am 12. Mai) 1798 verlassen, war aber, nachdem Pius VII. im März 1800 den päpstlichen Stuhl bestieg, nach Rom zurückgekehrt, wo sein Freund Antonio d’Este sein Eigentum bewahren konnte.
- ↑ Albert Kasimir von Sachsen-Teschen war der Begründer der Albertina in Wien, eine der bedeutendsten grafischen Sammlungen der Welt.
- ↑ Aus den Akten der Kunstakademie von 1804.
- ↑ AB von Dresden 1797, S. 206.
- ↑ SKD Online Collection
- ↑ Sigrid Hinz (Hrsg.): Caspar David Friedrich in Briefen und Bekenntnissen. Henschelverlag Kunst und Gesellschaft, Berlin 1974, S. 133.
- ↑ vgl. Sigrid Hinz (Hrsg.): Caspar David Friedrich in Briefen und Bekenntnissen. Henschelverlag Kunst und Gesellschaft, Berlin 1974, S. 133,
- ↑ Information von Albrecht Kühn, George-Bähr-Gesellschaft