Jacobs Fähre

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"Jacobs Fähre" im Pieschener Winkel, 1980er Jahre
Blick von der ehem. Anlegestelle im Ostragehege zur ehem. Anlegestelle in Pieschen (unterhalb der Treppe)
Grabstätte der Familie Jacob auf dem Markusfriedhof

„Jacobs Fähre“ verkehrte auf der Elbe zwischen Pieschen in Höhe des Pieschener Hafens/Molenbrücke/heutiges Elbcenter und dem Ostragehege. Die Elbquerung hatte ihren Namen nach der Fährleute-Familie Jacob. Der auf Pieschener Seite schräg vom Fußweg an der Leipziger Straße hinab zum Elbufer verlaufende Pflastersteinweg war einst der Zugang zum Fähranleger. Am gegenüberliegenden Elbufer erinnert noch eine mächtige ins Wasser ragende Betonplatte an den Fährbetrieb.

[Bearbeiten] Geschichte der Fähre und der Familie Jacob

Erstmals urkundlich erwähnt wurde eine Fährverbindung im Pieschener Winkel 1764 oder 1803.

Im Jahr 1885 erhielt Karl Jacob (1851-1931) das Fährrecht und betrieb die Fähre bis 1898. Carl Jacob war laut Adressbuch nicht nur Schiffseigner, sondern auch Fabrikbesitzer, Lokalrichter und Königlicher Friedensrichter für den IX. und XV. Polizeibezirk.[1] Sein Sohn Albert führte nach dem Ausscheiden des Vaters das Fährgeschäft weiter. Beide Männer waren auch Meister der Fischerinnung Meißen. Später übernahm Alberts Sohn Christian Albert Hellmuth[2] (1904-1945) die Fähre und betrieb sie bis zu seinem tragischen Tod am 7. Mai 1945. Er wurde heimtückisch erschossen. Lotte Jacob (1911-2002), Hellmuths Witwe, führte den Fährbetrieb bis 1965 weiter, um den Lebensunterhalt für sich und ihre vier Kinder – zwei Jungen und zwei Mädchen – zu sichern. Die Arbeit war schwer, schließlich mangelte es nach dem Zweiten Weltkrieg nicht nur an Treibstoff und Material, sondern auch an männlichen Mitarbeitern. Als Glücksgriff erwies sich, dass der Kriegsheimkehrer Robert Schröder (1925-1988), aus Merschwitz stammend, gelernter Binnenschiffer war und Lotte als Fährmann unterstützen konnte. Später wurden die beiden auch ein Paar. Die beiden Söhne von Lotte Jacob führten die Familientradition fort: Gert wurde Binnenschiffer und Volker Schiffbauer.

Jacobs Fährschiffe trugen die Namen von weiblichen Familienmitgliedern: „Berta“ war nach Alberts Schwester, „Helene“ nach seiner Ehefrau benannt. Zwei weitere Boote hießen „Ilse“ und „Hildegart“ nach den Töchtern von Hellmuth Jacob.

Die Familie wohnte direkt oberhalb des Fähranlegers auf Pieschener Seite an der Leipziger Straße 103, 1. Obergeschoss.[3] Die Grabstätte der Familie Jacob befindet sich auf dem Pieschener Markusfriedhof.

Ab 1965 übernahmen die Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB) die Fähre bis zur Einstellung des Fährbetriebes nach der Schließung des Schlachthofes. Am 29. März 1996 querte „Jacobs Fähre“ zum letzten Mal die Elbe.

Trotz wiederholter Überlegungen wird die Fährverbindung wohl nicht wiederbelebt, da ihr Betrieb für die DVB nicht wirtschaftlich ist: neue Fähranleger und barrierefreie Zugangswege müssten gebaut werden, Mitarbeiterkosten, zu wenige Fahrgäste etc. Ein zweiwöchiger Testlauf während des Kirchentags 2011 bestätigte diese Einschätzung (wenngleich die Fähre etwas weiter stromaufwärts zwischen Eisenberger Straße/Eselnest und der früheren Ostragehege-Gaststätte „Onkel Toms Hütte“ verkehrte).[4] Bereits 2001 war auf Antrag der FDP-Stadtratsfraktion beschlossen worden, Jacobs Fähre wieder einzurichten. Dann kam das Hochwasser 2002 dazwischen und der Plan wurde auf Eis gelegt. Am 27. Mai 2010 beschloss der Stadtrat, dass geprüft wird, ob wieder eine Fährverbindung zwischen Pieschen und dem Ostragehege eingerichtet werden kann.

[Bearbeiten] Zeitzeugen-Erinnerungen an Jacobs Fähre

Der Pieschener Johannes Weirauch, Jahrgang 1929, der in seinen Kindertagen mit seiner Familie an der Rehefelder Straße 4 wohnte, erinnert sich an die Fährfamilie Jacob: „In wenigen Minuten gelangten wir zur Dampffähre „Helene“ des Fährmanns Jacob, einem untersetzten, immer etwas mürrisch wirkenden Mann. Mitunter warf er erst noch einige Schaufeln Steinkohle in die Glut unter dem Kessel, bevor die Fahrt begann. Wir bezahlten unseren Groschen und Herr Jacob ergriff das Steuerrad, nachdem er die Kette von der Anlegestelle gelöst und einen Hebel betätigt hatte. Alsbald tuckerte die kleine Dampfmaschine und brachte die Fähre ans andere Ufer zum Ostragehege, wie wir die Pieschener Allee nannten. […] Jacobs Fähre diente den Pieschner Fleischern zum Übersetzen über den Fluss, wenn sie mit ihrer schweren Fracht auf großen Leiterwagen vom Schlachthof kamen. Wir Kinder ließen uns nach Möglichkeit das kleine Schauspiel nicht entgehen, wenn die Fähre einen Schrägaufzug in Gang setzte. Am oberen Ende des steilen Weges von der Fähre zur Leipziger Straße befand sich unter einer Eisenplatte eine Rolle, über die ein Standseil lief. Der Fleischer hängte das eine Ende des Seils an seinen Wagen und Fährmeister Jakob das andere an die Fähre. Beim Überqueren der Elbe zog dann das Seil den Fleischerwagen spielend nach oben, wo es dann ausgeklinkt wurde. Dabei kam der Wagen ordentlich in Fahrt, sodass der Fleischer nebenher traben musste. Neben der Fähre betrieb Herr Jacob noch ein wenig Fischfang mit einem Wurf- bzw. Tauchernetz, das auf einem Boot an einem Mast hing und wie ein großer Korb hin und her schaukelte.“

[Bearbeiten] Quellen

  1. Adressbuch 1919, 1. Teil, S. 325
  2. Adressbuch 1939, 2. Teil, S. 360
  3. Adressbuch 1919, 1. Teil, S. 325. Adressbuch 1939, 2. Teil, S. 360
  4. Fähre nach Pieschen rechnet sich nicht. In: SZ 1.7.2011
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