Otto Kastner

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Otto Kastner (noch in Armeeuniform), Sohn Hans-Werner und Alexandrine Kastner

Otto Kastner (* 10. Oktober 1880 in Görlitz; † 21. Februar 1938 in Dresden) war ein deutscher Arzt und Mediziner, pensionierter Militärstabsarzt, bis 1933 Dresdner Stadtschularzt im Rang und mit Titel eines Stadtobermedizinalrates (StOMR). Kastner war ein damals bedeutender Vertreter der jüdisch dominierten Sozialpädiatrie der 1920er Jahre, die viel zu städtischen oder konfessionellen Einrichtungen zur Säuglings- und Kleinkinderfürsorge beitrugen sowie als Schul- und Sportärzte und in der ärztlichen Betreuung von Kinderheimen tätig waren.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Familie

Otto Kastner entstammte der ursprünglich jüdischen Familie Kastner. Er war der Sohn des Görlitzer Kaufmanns Adolph Kastner, der erstmalig 1874,[1] zu dieser Zeit in der dortigen Struvestraße 30 und letztmalig 1880 am Postplatz 8 verzeichnet ist,[2] wohin er Mitte der 1870er Jahre gezogen war.

Kastner heiratete im August 1910 in München (die standesamtliche Eintragung erfolgte am 27. Dezember 1915 in Dresden)[3] Alexandrine geb. Jacoby (* 4. April 1877 in Dresden; † Juli 1942 im Vernichtungslager Treblinka, Polen), Tochter des königlich-sächsischen Hofjuweliers Julius Jacoby (18451925) und dessen Ehefrau Jenny geb. Löwald (18561942). Kastners Ehefrau war ebenfalls Ärztin in Dresden, wurde 1942 in das jüdische Ghetto nach Warschau deportiert und im Vernichtungslager Treblinka ermordet. Der gemeinsame Sohn des Ehepaares Kastner war:

Polizeidirektion Dresden in der Schießgasse, wo Kastner zuletzt inhaftiert war
Schreiben an die Gestapo zum Tod von Otto Kastner

[Bearbeiten] Leben und Wirken

Kastner besuchte zuerst die Volksschule in Wormditt sowie das Königliche Friedrichs-Collegium in Königsberg im damaligen Ostpreußen (heute Kaliningrad/ Russland), wohin seine Eltern später hingezogen waren. Kastner absolvierte von 1902 bis 1908 an den Universitäten Berlin und München ein Studium der Medizin. Unterbrochen wurde das Studium von 1904 bis 1905 durch einen halbjährigen Militärdienst. Seine Approbationsurkunde, d.h. seine Zulassung als Arzt, erhielt Kastner 1908 in München mit dem erfolgreich abgeschlossenen Staatsexamen. Im gleichen Jahr absolvierte er seine Medizinalpraktikantenzeit an den Stadtkrankenhäusern in München und Görlitz sowie am Kaiser- und Kaiserin-Friedrich-Kinderkrankenhaus unter der Leitung von Adolf Baginsky in Berlin.

In München promovierte Kastner 1909 zum Doktor der Medizin (Dr. med.) mit einer wissenschaftlichen Dissertation zur Casuistik des latenten Blasencarcinoms mit ausgedehnten Knochenmetastasen. Daanch leistete Kastner nochmals einen Militärdienst als Einjährig-Freiwilliger. Im Anschluss, von 1910 bis 1913 absolvierte er eine Ausbildung als Assistenzarzt in der Universitäts-Kinderklinik München bei Meinhard von Pfaundler. Danach ließ er sich 1913 mit einer eigenen Arztpraxis in München nieder. 1914 ist er im dortigen Adressbuch als praktischer Arzt und Spezial-Kinderarzt in der Hohenzollernstraße 80 verzeichnet.[4] Kastner wurde noch 1914 als Arzt in den Ersten Weltkrieg eingezogen, brachte es in der bayrischen Armee schnell zum Oberarzt und diente zuletzt als Stabsarzt. Ende 1918 wurde er als königlich-bayrischer Stabsarzt (entspricht dem Rang eines Hauptmannes) der Reserve aus der Armee entlassen. Kastner ließ sich dann noch für einige Monate in München in der Theresienstraße 52 nieder.[5]

Nach dem Krieg kam Kastner 1919 nach Dresden, wo seine Ehefrau bereits seit 1914 als Hilfsärztin im Stadtkrankenhaus Johannstadt arbeitete. Kastner eröffnete anfangs eine Kinderarztpraxis in der Eliasstraße 22 im dortigen Erdgeschoss.[6] Bereits ab November 1920 wirkte er als Schularzt an der 1. Fach- und Fortbildungsschule in Dresden. Am 1. Oktober 1923 wurde Kastner zum hauptamtlichen Stadtschularzt von Dresden berufen. Gleichzeitig wurde er Amtsjugendarzt und Heimarzt des städtischen Kinderheims von Dresden (Kinderanstalten im Marienhof) in Trachenberge. 1924 erfolgte Kastners Verbeamtung im Rang und mit Titel eines Stadt-Obermedizinalrates.[7] Damit galt er als unkündbarer, aktiver Beamter der Stadt Dresden mit Pensionsberechtigung. 1931 zog er mit seiner Ehefrau in eine Wohnung im ersten Obergeschoss in der Eliasstraße 4,[8] wo er bis zu seinem Tod lebte.

Bereits kurz nach der Ernennung Adolf Hitlers als Reichskanzler Ende Januar und einen Tag nach der Bildung des Kabinetts Hitler wurde Kastner am 31. März 1933 aus allen Ämtern entlassen und mit Wirkung vom 1. November 1933 in den Ruhestand versetzt - dies obwohl er nie der jüdischen Religionsgemeinde angehörte. Im behördlichen Schreiben vom sächsischen Innenministerium heißt es:
... Der weiteren Tätigkeit Dr. Kastners als Stadtschularzt stehen erhebliche Bedenken entgegen, die ihre Ursache vornehmlich darin haben, daß die Beschäftigung eines obersten Schularztes nichtarischer Abstammung in den Kreisen der deutschen Elternschaft allgemeiner Ablehnung begegnet ...
Eine Zwangspensionierung Kastners hätte allerdings auch nach dem am 7. April 1933 wirksamen Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums nicht erfolgen dürfen, da aufgrund seines Militärdienstes während des Ersten Weltkrieges die entsprechende Ausnahmeregelung anzuwenden gewesen wäre.

1934 ist er im Dresdner Adressbuch als Stadtobermedizinalrat a.D. (außer Dienst) zu finden.[9] Fortan arbeitete Kastner wieder als niedergelassener Kinderarzt in seiner Privatpraxis, da er auch keine kassenärztliche Zulassung unter dem NS-Regime erhielt. 1935 wurde Kastner denunziert und in der Untersuchungshaftanstalt am Münchner Platz inhaftiert. In der Anklageschrift heißt es, dass:
... der Jude und frühere Stadtmedizinalrat Dr. Kastner ... wegen unsittlichen Verhaltens deutschblütigen Frauen gegenüber in Haft genommen ... wurde.
Der Freispruch erfolgte zwar noch im gleichen Jahr, jedoch wurde er mit dem gleichen Vorwurf erneut 1937 unter Anklage gestellt und zu fünf Monaten Haft verurteilt. Seine Inhaftierung erfolgte im Polizeipräsidium in der Schießgasse 7. Zugleich wurden aufgrund einer Verfügung der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) vom 30. August 1937 die Sperrung seiner Pensionsbezüge ab September 1937 veranlasst. In dieser für Otto Kastner ausweglosen Lage beging er in der sogenannten Schutzhaft am 21. Februar 1938 Suizid durch Erhängen. In seinem Abschiedbrief an seine Familie schrieb er ... wenn ihr euch meine Ängste in der Einsamkeit vorstellen könntet...

Am 28. September 2015 wurden zum Andenken an die Vertreibung und die Ermordung der Familie Kastner in der heutigen Marschnerstraße, Ecke Güntzstraße drei Stolpersteine für das Ehepaar sowie deren Sohn durch den Künstler Gunter Demnig verlegt. Paten der Stolpersteine sind Sarah Buddeberg, Anja Klotzbücher und Annekatrin Klepsch (alle Mitglieder des sächsischen Landtages von der Partei Die Linke).

[Bearbeiten] Veröffentlichungen (Auswahl)

[Bearbeiten] Auszeichnungen (Auswahl)

[Bearbeiten] Literatur

[Bearbeiten] Einzelnachweise

  1. Adressbuch Görlitz 1874, S. 63, SLUB
  2. Adressbuch Görlitz 1880, S. 64, SLUB
  3. Datensatz auf Ancestry
  4. Adressbuch München 1914, S. 346, Münchener DigitalierungsZentrum, Digitale Bibliothek, Bayerische Staatsbibliothek
  5. Adressbuch München 1919, S. 350, Digitalisat auf Genwiki
  6. Adressbuch Dresden 1920, S. 426, SLUB
  7. Adressbuch Dresden 1924/25, S. 471, SLUB
  8. Adressbuch Dresden 1932, S. 423, SLUB
  9. Adressbuch Dresden 1934, S. 509, SLUB

[Bearbeiten] Weblinks

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