Lingnerschloss

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Lingnerschloss, vom Park aus gesehen
Clubkino im Lingnerschloss

Das Lingnerschloss ist das mittlere der drei Schlösser am Elbhang im rechtselbisch gelegenen Stadtteil Loschwitz. Die als Lingnerschloss bekannte Villa Stockhausen war der letzte Wohnsitz von „Odolkönig“ Karl August Lingner. Rechts steht das Schloss Eckberg. Links steht das Schloss Albrechtsberg.

Zwei Wochen vor seinem Tod hatte Lingner der Stadt Dresden seine exklusive Villa mit dem Vermächtnis vermacht, das Gebäude für die einfache Bevölkerung zu öffnen:

[Bearbeiten] Exklusiver Klub der Intelligenz in der DDR

Innerhalb des Kulturbundes zur demokratischen Erneuerung Deutschlands wurden seit 1953 in den Bezirksstädten der DDR Klubs der Intelligenz geschaffen, so auch in Dresden.

Am 23. März 1957 eröffnete Manfred von Ardenne im Lingnerschloss einen zweiten Club der Intelligenz mit noch erheblich größerer Exklusivität, womit das Anliegen von Karl August Lingner, das Haus der gesamten Bevölkerung zugänglich machen, in das genaue Gegenteil verkehrt wurde. Durch die offene Grenze zur BRD sah sich die DDR zur Hochprivilegierung ihrer wichtigsten Leistungsträger genötigt.

Zur Unterscheidung vom ersten Klub der Intelligenz wurde der Klub im Lingnerschloss euphemistisch auch als Dresdner Club bezeichnet, obwohl gerade dieser Klub fast die gesamte Dresdner Bevölkerung ausschloss.

Im Tanzraum des Klubs spielten zunächst verschiedene Ensembles. Als infolge gehäufter Republikflucht im Frühjahr 1958 gleich mehrere Bands ausfielen, wurde am Donnerstag, dem 1. Mai 1958 umständlich Musik von zwei separaten Plattenspielern gespielt. Diese Veranstaltungsform wurde bereits am Donnerstag, den 8. Mai 1958 wiederholt. Beide Tage waren damals gesetzliche Feiertage in der DDR. Der damals frisch eingerichtete "Klub der Intelligenz" im Lingnerschloss verfügte über die seinerzeit hochwertigste Phono-Technik. Allerdings war der Plattenschrank überwiegend mit Ost-Schallplatten bestückt, so daß es sich bald einbürgerte, daß die Schallplattenunterhalter (SPU) mit eigenen Platten aufspielten. Je besser ein SPU mit westlichen, vor allem aktuellen Schallplatten bestückt war, um so höher war seine Chance, aufspielen zu dürfen. Tonbänder bedurften seit der "Verordnung über die Wahrung der Aufführungs- und Vervielfältigungsrechte auf dem Gebiet der Musik" vom 17. März 1955 einer besonderen Lizensierung durch die Anstalt zur Wahrung der Aufführungs- und Vervielfältigungsrechte auf dem Gebiet der Musik (AWA) in Ostberlin (ab 1957 in der Straße am Potsdamer Bahnhof, nach dem Mauerbau dann erzwungener Umzug in den Neuen Marstall auf dem Schloßplatz). Hierdurch kam es in der ersten Zeit nicht zum Einsatz von Tonbandgeräten.

Mit dem Begriff Tanzraum wollte sich die DDR von der Pariser La Discothèque aus den 1940er Jahren und den damaligen Platter parties der USA absetzen. Die ersten Jockey-Tanz-Bars in der BRD entstanden erst 1959 ohne jede staatliche Förderung wie in Dresden. Auch der Begriff Schallplattenunterhalter wurde als Gegenentwurf zum westlichen Discjockey (DJ) in Dresden erstmals verwendet.

1960 wurde in den Tanzraum eine sogenannte "Musiktruhe" eingebaut (nicht zu verwechseln mit der Musikbox, auch Jukebox). Diese verfügte über einen Plattenwechsler[1], zwei weiteren Plattenspielern zum Wechseln der Schallplatten während des Abspielen eines Titels und ein Tonbandgerät KB100 II[2] vom VEB Fernmeldewerk Leipzig. Diese Musiktruhe war rundum verschließbar und besaß Anschlüsse an separate Verstärkeranlagen mit Boxen. Im Plattenschrank des Tanzraumes wurden nun auch einige von der AWA lizensierte Tonbänder und Spulen zum Umspulen gelagert, die allerdings selten zum Einsatz kamen. Statt dessen wurden von den SPUs nun private Tonbänder von zuhause mitgebracht, welche fortan die Diskothek dominierten. Hierdurch erhöhte sich die Chance für einen SPU, fehlende Vielfalt in seiner Plattensammlung durch Tonbandaufnahmen zu kompensieren. 1960 hatte sich allerdings der Name Schallplattenunterhalter bereits eingebürgert, der selbst noch 1973 in der neuen Verordnung über die Diskotheken festgeschrieben wurde. An dem Begriff wurde auch festgehalten, um von der bereits massenhaften Verwendung privater und unlizensierter Tonbänder zu diesem Zeitpunkt abzulenken.

[Bearbeiten] Förderverein Lingnerschloss e. V. und Sanierung

Den Förderverein Lingnerschloss e. V. gründeten Dresdner Bürger im April 2002. Ihr Ziel war und ist es, das Schloss zu erhalten, denkmalgerecht zu sanieren und im Sinne Lingners für alle Dresdner zu öffnen. Das Gebäude soll eine Kulturstätte sein, ein Ort der Begegnung und des Austauschs.

Der Verein konnte mit der Stadt Dresden einen Erbbauvertrag abschließen und sanierte das Schloss aus Spendengeldern. Seit Ende 2016 sind das Haupt- und alle Nebengebäude äußerlich wieder so hergestellt, wie sie zur Bauzeit aussahen. Im Frühjahr 2018 wurde die Sanierung der Beletage im Obergeschoss abgeschlossen, einer Flucht von drei prächtigen Räumen. Weil das Geschoss im Laufe der Jahrzehnte mehrfach umgebaut worden war, wurde es frei rekonstruiert, d. h. unter Orientierung am Spätklassizismus neugestaltet. Der östliche Raum war früher Arbeitszimmer von Baron Stockhausen, später die Bibliothek von Lingner bzw. des Dresdner Clubs. Der westliche Raum diente als Damen-, später als Kaminzimmer und wurde in den DDR-Jahren im Volksmund „Stoph-Zimmer“ genannt, weil dort ein großes Porträt des Ministerpräsidenten Willi Stoph hing. Das mittlere Zimmer war lange Zeit in Speise- und Schlafzimmer geteilt. Bei der Sanierung wurde aus den beiden Räumen ein Saal geschaffen, der mit zwei vergoldeten Kronleuchtern und einer Decke mit Hunderten vergoldeten Gipssternen versehen wurde.

Ab Frühjahr 2018 sollen zunächst das Foyer im Erdgeschoss und das westliche Treppenhaus und anschließend der ehemalige Orgelsaal im Erdgeschoss restauriert werden.

[Bearbeiten] Angebote

Seit März 2015 kann im Schloss geheiratet werden.

[Bearbeiten] Clubkino

Der bereits in den DDR-Jahren bespielte Kinosaal im Obergeschoss wird seit März 2014 wieder mehrmals pro Monat als Vorführstätte genutzt. Das „Clubkino“ fasst etwa 60 bis 70 Zuschauer. Der Raum wurde auf Wunsch der Denkmalschützer im Stil der 1950er Jahre rekonstruiert, die historische Ulmenholz-Wandvertäfelung in den Deutschen Werkstätten Hellerau aufgearbeitet. Hinter den Verkleidungen verbirgt sich nun moderne Kino- und Tagungstechnik, beispielsweise Beamer und Induktionsschleifen für Hörgeschädigte. Die MDR-Mitarbeiterin Monika Weber organisiert ehrenamtlich die Vorführungen. Zur Eröffnung stiftete Anita Wanitschke, die Witwe des 2012 verstorbenen Bildhauers Vinzenz Wanitschke, dem Schloss die Bronzeplastik „Dresden, 13. Februar“ ihres Mannes.[3]

Zum 60. Gründungsjubiläum des DEFA-Studios für Trickfilme Dresden (2015) rief Peter Fürst das Kinder Kino im Lingnerschloss (KiKiLi) ins Leben, das inzwischen von der Filmfest Dresden-Leiterin Sylke Gottlebe koordiniert und von Anfang an vom Deutschen Institut für Animationsfilm unterstützt wurde.

[Bearbeiten] Quellen

  1. Ein Plattenwechsler eröffnete die Möglichkeit, mehrere Platten gleichzeitig einzulegen und diese nacheinander abspielen zu lassen. Hierzu wurden die Platten auf eine verlängerte Mittelachse aufgesteckt und mit einem Mechanismus festgehalten. War eine Platte fertig gespielt, wurde die nächste auf den Plattenteller fallengelassen. Manche Modelle verfügten über eine Abtastfunktion, die den Durchmesser der Platten ermittelte und es somit ermöglichte, auch Platten unterschiedlicher Größe nacheinander abzuspielen. Nachteile waren jedoch, dass die Platten nicht umgedreht werden konnten und damit nur eine Seite pro Platte abgespielt werden konnte.
  2. Das KB100 II war das verbesserte Nachfolgegerät des KB 100, das nur von 1958 bis 1959 vertrieben wurde. Es kostete damals stolze 988 Ostmark (das KB 100 nur 790 Ostmark) und war ein zeittypisches Doppelspur-Mono-Koffertonbandgerät mit 2 Geschwindigkeiten (polumschaltbarer Synchronmotor) und automatischer Bandendabschaltung. Es verfügte über einen Halbspurkombi- und einen Löschkopf sowie HF-Vormagnetisierung. Die Löschung erfolgte automatisch bei Aufnahme, durch betätigen der Löschsperre waren aber auch Trickaufnahmen möglich.
  3. Heiko Weckbrodt: Lingnerschloss in Dresden 2016 fertig saniert. In: DNN 1.2.2014. Ute Franke: Clubkino zeigt wieder ausgewählte Streifen. In: Sächsischer Bote 15.3.2014, S. 5.

[Bearbeiten] Weblinks

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