Dresdner Ware

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Als Dresdner Ware wurde intern das hochwertige Warenkontingent (auch Deputat) aus Import (auch aus der Sowjetunion) oder Gestattungsproduktion beim HO-Spezialhandel genannt, das an die Belegschaft zu normalen Preisen und nicht zu den Preisen der Läden zur "Kaufkraftabschöpfung" (wie Delikat, Lukullus, Exquisit etc.) abgegeben wurde.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Der HO Spezialhandel

Beim Ministeriums für Handel und Versorgung der DDR war eine "Hauptabteilung Spezialhandel" eingerichtet. Diesem unterstand beispielsweise der "VEB HO Spezialhandel Schwerin - Versorgungsbetrieb"[1].

[Bearbeiten] Großhandelsbetrieb 4

Der HO-Spezialhandel (für Bekleidung) Leipzig saß dort in der Haferkornstraße, wo 1972/1972 ein Versandgebäude neu gebaut wurde.[2]

[Bearbeiten] Versandbetrieb 6

Der Versandbetrieb 6 war ein vierstöckiges Großlager mit Ent- und Beladerampen.

[Bearbeiten] Geschichte des HO Spezialhandels

Zum Jahreswechsel 1955/1956 wurde die Hauptverwaltung HO - Vertrieb mit der Hauptverwaltung HO - Spezialhandel zusammengelegt.[5] Zur gleichen Zeit wurden die Verkaufsstellen des Konsum-Spezialhandels "durch den volkseigenen und konsumgenossenschaftlichen Handel (HO und Konsum)" übernommen, was endeffektlich auf die Übernahme durch die staatliche HO hinauslief und nichts als eine euphemistische Umschreibung war.[6] Bis 1957 wurden daraufhin die sowjetischen Versorgungslagern durch die HO übernommen. Der Konsumspezialhandel wurde "reorganisiert" und die Handelstätigkeit der Hauptverwaltung HO - Vertrieb zum 30. Juni 1958 beendet.[7] Von 1958 bis 1961 wurden ein Statut und der Stellenplan für den HO - Spezialhandel erstellt.[8]

[Bearbeiten] Versorgung der "Speztorg"-Läden in der Nähe sowjetischer Kasernen

Der HO-Spezialhandel belieferte insbesondere die in der Nähe sowjetischer Kasernen mit deutschen Verkäuferinnen besetzten "Speztorg"-Läden (seit 1987 VEB Spezialhandel Taucha, Leninstraße 34[9]). Dort wurde eine Mischung aus sowjetischen Waren, DDR-Waren, Gestattungsproduktion und auch Importen verkauft. Bezahlt wurde in DDR-Mark. Aufgrund des beschränkten Kundenkreises (vor allem sowjetische Offiziere) hielten sich die raren DDR-Artikel etwas länger, so daß auch für die Mitarbeiter genügend Ware vorhanden war. Außerdem konnte alles, was die HO handelte, z.B. Möbel oder Heimelektronik, bestellt werden. Einige Läden waren zu bestimmten Tageszeiten öffentlich zugänglich (z.B. in Übigau). In Ostberlin gab es darüber hinaus eine "HO Sowjetische Erzeugnisse" mit zB dem Natascha-Verkauf, 1020 Berlin, Hans-Beimler-Str. 70/72.[10]

[Bearbeiten] "Russenmagazine" in Dresden

In Dresden gab es mehrere "Russenmagazin", zB:

Ein "Russenmagazin" für Technik gab es in Großenhain bei Dresden, wo in der DDR nicht erhältliche sowjetische Geräte gekauft werden konnte (ein Mini-Fernseher für 351 Rubel = rund 1750 DDR-Mark oder ein Tonbandgerät Marke Majak oder Jupiter für 295 Rubel = rund 1500 DDR-Mark).

In den "Russenmagazinen" gab es Bück-Ware wie die preiswerten Konsü-Waffeln (für 50 Ostpfennige), aber auch Konserven aus Sowjet-Produktion (auch die sonst kaum erhältlichen Südfrüchte) und das typische russische Konfekt, was damals sehr beliebt war. Ab 1986 gab es durch die Perestroika dort aber absolut keinen Alkohol mehr, während dieser oft das einzige volle Regal in der DDR-Kaufhalle war.

Die damals noch wöchentlich erscheinende humoristische Zeitschrift "Eulenspiegel" witzelte deswegen:

Schwierig ist nach wie vor die Unterscheidung in "Speztorg"-Läden der HO und Läden des sowjetischen Militärhandelsunternehmens "Wojentorg", zumal mit fortschreitender Versorgungskrise auch die "Speztorg"-Läden der HO teilweise oder sogar ganz für DDR-Bürger geschlossen wurden, so zB in Halle an der Saale am Hubertusplatz.

[Bearbeiten] Spezialverkaufsstellen in Wandlitz, Strausberg und für Diplomaten und andere Privilegierte

Darüber hinaus gab es verbilligte

Hier wurden auch Westwaren zu billigen Ostpreisen angeboten.

Diese Spezialverkaufsstellen standen nur für besondere Personenkreise offen.

Besonders intensiv wurden diese Spezialverkaufsstellen nach einem Rundfunk-Interview mit Egon Krenz diskutiert, der behauptete, er würde sich wie jeder DDR-Bürger abends bei einer Büchse Bier vor den Fernseher setzen. Büchsenbier gab es aber in der ganzen DDR nicht, nur in diesen Spezialverkaufsstellen - und dort noch dazu für verbilligtes Ost-Geld.[11] Egon Krenz, der in Wandlitz einkaufen konnte, war sich dessen gar nicht bewußt, weil er keine normale Ostberliner Kaufhalle kannte (die hohen Politiker in Ostberlin wurden immer mit viel Polizeischutz nach Wandlitz und zurück gefahren). Hier zeigte sich deutlich die seitdem immer weiter grassierende Abgehobenheit der Politiker vom Volk.

[Bearbeiten] Entstehung des Begriffs durch die "Modrow-Kaufhalle"

Auch die Johannstädter Konsum-Verkaufsstelle auf der Pfotenhauerstraße Nr. 7 verfügte gegenüber anderen Einrichtungen über eine ausgewählt bessere Versorgung und hieß deswegen im Volksmund "Modrow-Kaufhalle". Hans Modrow, Erster Sekretär der Bezirksleitung Dresden der SED, wohnte in einem der Zehngeschosser an dieser Kaufhalle. In dieser Gegend (auch in den Elfgeschossern der Elsasser Straße und der Florian-Geyer-Straße) wohnte ohnehin eine für damalige Verhältnise privilegierte Bevölkerung.

Modrow setzte sich vehement dafür ein, daß auch die Mitarbeiter "seiner" Kaufhalle nach dem HO-Modell ein Kontingent (Deputat) Personaleinkauf erhielten. Sie sollten sich die Ware, die sie täglich verkauften, auch selbst leisten können. Dieser Vorgang blieb im Bereich der Konsumgenossenschaften der DDR ein einmaliger Vorgang, so daß sich dafür der Name Dresdner Ware einbürgerte, der schließlich auch auf den HO-Spezialhandel übertragen wurde.

Auch die Mitarbeiter des "Verbandes volkseigener Kaufhäuser Magnet" mit Sitz in Karl-Marx-Stadt führten Personalverkäufe durch, dessen Kontingent dann ebenfalls als Dresdner Ware bezeichnet wurde.

[Bearbeiten] Dresdner Ware als Privileg

Die "Dresdner Ware" wurde auch als eine Art Schweigegeld verstanden. Beschäftigte, welche sich nicht an die Schweigeverpflichtung hielten, konnte die "Dresdner Ware" gekürzt oder ganz entzogen werden. In besonders schlimmen Fällen - wie Weiterhandel - wurden Mitarbeiter auch entlassen und dann in der Regel sogar inhaftiert. Schiebereien konnten sich nur die richtig Großen leisten - am besten gleich waggonweise. Die Abteilung "Handel und Versorgung" (HV) hieß deswegen im Volksmund auch "Handel und Verschiebung". Diese Geheimniskrämerei erreichte aber nur das Gegenteil und führte in der Bevölkerung zu den wildesten Spekulationen über den Spezialhandel.

[Bearbeiten] Anmerkungen

  1. "Entwurf des BKV des HO-Spezialhandel Schwerin" In: Bundesarchiv, BArch DY 42/1716. Alt-/Vorsignatur: 25/976/7541. BArch DY 42. Gewerkschaft Handel, Nahrung und Genuss. Korrespondenz mit der HO-Hauptdirektion, mit dem HO-Bezirksdirektionen, mit dem HO-Spezialhandel und der HO-Wismut. Laufzeit: 1964-1965 Provenienz: Gewerkschaft Handel, Nahrung und Genuss, 1946-1990.
  2. Sächsisches Staatsarchiv, 20733 VEB Baukombinat Leipzig, Nr. 1601 (Zu benutzen im Staatsarchiv Leipzig).
  3. "VEB Spezialhandel Großhandelsbetrieb 4, Leipzig". Sächsisches Staatsarchiv, 22450. >> 09. Wirtschaft >> 09.20 Handel und Dienstleistungen. Bestandslaufzeit 1951 - 1993.
  4. HO SPEZIALHANDEL mit Bildern des Versandbetriebs 6 als "Lost Place".
  5. DL 1/3073. Zusammenlegung der Hauptverwaltung HO - Vertrieb mit der Hauptverwaltung HO - Spezialhandel. Enthält u. a.: Geschäftsordnung der Hauptverwaltung HO - Vertrieb; Geschäftsbericht der HO - Wismut, 1955. Zeitraum: Dez. 1955 - Okt. 1956. In: Bundesarchiv. Ministerium für Handel und Versorgung, Teil: 1945-1990, sachthematisch. Teil 2: 1945-1990, sachthematisch. 4. Organisation des Handels. 4.3. Staatlicher Einzelhandel. 4.3.1. Bildung, Umbildung und Auflösung staatlicher Einzelhandelsbetriebe.
  6. DL 1/3075. Übernahme von Verkaufsstellen des Konsum-Spezialhandels durch den volkseigenen und konsumgenossenschaftlichen Handel (HO und Konsum). Zeitraum: Dez. 1955 - Apr. 1956. In: Bundesarchiv. Ministerium für Handel und Versorgung, Teil: 1945-1990, sachthematisch. Teil 2: 1945-1990, sachthematisch. 4. Organisation des Handels. 4.3. Staatlicher Einzelhandel. 4.3.1. Bildung, Umbildung und Auflösung staatlicher Einzelhandelsbetriebe.
  7. DL 1/3078. Bildung der Verwaltung HO - Spezialhandel. Enthält u. a.: Reorganisation des Konsum - Spezialhandels; Geschäftsverteilungsplan der HO - Spezialhandel; Versorgung der NVA; Übernahme von sowjetischen Versorgungslagern durch die HO. Zeitraum: 1955-1957. In: Bundesarchiv. Ministerium für Handel und Versorgung, Teil: 1945-1990, sachthematisch. Teil 2: 1945-1990, sachthematisch. 4. Organisation des Handels. 4.3. Staatlicher Einzelhandel. 4.3.1. Bildung, Umbildung und Auflösung staatlicher Einzelhandelsbetriebe.
  8. DL 1/3088 Entwürfe der Anordnung über das Statut der HO-Spezialhandel und der HO-Vertrieb. Zeitraum: Jan. 1958 - Feb. 1959. Und: DL 1/3090: Stellenplanung für die Verwaltung HO - Spezialhandel. Zeitraum: 1958-1961. In: Bundesarchiv. Ministerium für Handel und Versorgung, Teil: 1945-1990, sachthematisch. Teil 2: 1945-1990, sachthematisch. 4. Organisation des Handels. 4.3. Staatlicher Einzelhandel. 4.3.1. Bildung, Umbildung und Auflösung staatlicher Einzelhandelsbetriebe.
  9. Bestand 21004 VEB Spezialhandel Taucha bei Leipzig. Datierung 1951 - 1999. Benutzung im Staatsarchiv Leipzig
  10. Telefonbuch Ostberlin 1982.
  11. "Das Gleiche, was ein ganz normaler Arbeiter auch macht. Ich setze mich auf die Couch, sehe fern und trink 'ne Dose Bier". In: Lea Streisand: "War schön jewesen: Geschichten aus der großen Stadt". Ullstein Ebooks, 2016.
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