Frühromantik in Dresden

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Die Ideen der Frühromantik wurden ab 1794 teilweise in Dresden oder durch die Dresdner Kunstschätze inspiriert entwickelt.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Ab Januar 1794: Friedrich Schlegel in Dresden

Januar 1794 zog Friedrich Schlegel nach Dresden zu seiner Schwester Charlotte. Hier beschäftigte er sich zunächst mit der griechischen Klassik. Er lernte Christian Gottfried Körner kennen und erarbeite die Schrift "Vom ästhetischen Werte der griechischen Komödie" (1794 veröffentlicht).

[Bearbeiten] 24. August 1794: Mengs'sche Gipssammlung unter der Gemäldegalerie im Stallhof

Am 24. August 1794 wurde für die bis dahin im Gemäldesaal des Brühlschen Gartens aufgestellte Mengs'sche Sammlung ein eigens dazu bereiteter Saal unter der Bildergalerie im ehemaligen Stallhof für die Sammlung eröffnet.[1]

1783 konnte durch den sächsischen Kurfürst Friedrich August der Gerechte die 833 Stücke umfassende Sammlung des 1779 in Rom verstorbenen Anton Raphael Mengs erworben werden. Mengs Schwester, die Malerin Theresa Concordia Maron (* 1725 in Aussig/Nordböhmen; † 10. Oktober 1806 in Rom), verkaufte diese kunsthistorisch wertvolle Skulpturensammlung und der in Rom lebende Bildhauer Alexander Trippel (* 23. September 1744 in Schaffhausen; † 24. September 1793 in Rom), bekannt durch zwei Goethe-Büsten, verpackte sie.

Im Frühjahr 1784 erreichten die Gipsabgüsse in 96 Kisten über den Wasserweg Dresden und wurden nach der Aufbereitung ab 1786 zunächst im damaligen Gemäldesaal des Brühlschen Gartens aufgestellt, zu dem aber nur sehr begrenzt öffentlicher Zutritt bestand.

Bereits 1794, dem Eröffnungsjahr der neuen Austellung, arbeitete der damalige Inspector der Gipsantikengallerie, Johann Gottlob Matthäi[2], den Catalogue des jets des stuc des plus excellentes antiques[3] mit dutzenden Tafeln der Statuen und Reliefs aus.[4] Matthaey war bis dahin Modelleur an der Meißner Porzellanmanufaktur und zog 1794 mit seiner Familie nach Dresden[5] um, wo er in direkter Nachbarschaft der Ausstellung lebte.[6] Nur ein Jahr vor seinem Tod gab Johann Gottlob Matthäi noch das Verzeichniss der im königl. sächs. Mengs'ischen Museum enthaltenen antiken und modernen Bildwerke in Gyps in der Arnoldischen Buchhandlung in deutscher Sprache heraus[7].

[Bearbeiten] Frühsommer 1796: Tieck und Wackenroder besuchen Dresden

Im Frühsommer 1796 besuchten die gebürtigen Berliner Ludwig Tieck[8] und Wilhelm Heinrich Wackenroder[9] Dresden und dessen Kunstschätze wie die Gemäldegalerie, die Antikensammlung und die Mengs'schen Gypse.

Tieck und Wackenroder waren seinerzeit beide 23jährig und hatten das Friedrichswerdersche Gymnasium in Berlin besucht, Tieck ab 1782, Wackenroder ab 1786. Sie waren auch Schüler von Karl Philipp Moritz[10] an der Königlichen Akademie der Künste in Berlin. Ein weiterer Schüler zu dieser Zeit war dort Alexander von Humboldt.

Karl Philipp Moritz war im November 1786 mit Goethe bei Johann Heinrich Wilhelm Tischbein in Rom zusammengetroffen und wurde Goethes "Liebster Gesellschafter"[11] in Rom. Goethe betrachtete ihn wie einen jüngeren Bruder[12]

Tieck und Wackenroder lernten über Karl Philipp Moritz die Goethesche[13] klassische Antikenrezeption kennen.

Karl Philipp Moritz hatte 1788 in seiner Schrift "Über die bildende Nachahmung des Schönen" seine Gedanken über die Autonomieästhetik niedergelegt, welche Goethe zufolge aus Gesprächen zwischen ihm und Moritz in Rom hervorgegangen und somit für Goethe von größter Bedeutung waren.

Die Schrift postulierte, dass das Kunstwerk keinem Fremdzweck diene und der Künstler keinem dienstbar sei, sondern als Schöpfer mit dem Erzeuger des Universums auf einer Stufe stehe.

So war es kein Zufall, dass Tieck und Wackenroder sowie auch Goethe persönlich 1796 resp. 1797 die erst 1794 im Untergeschoß des Dresdner Gemäldegalerie eingerichtete Mengs'sche Sammlung von Gipsabgüssen antiker Skulpturen aufsuchten.

Im Sommer 1793 begaben sich die jungen Freunde, damals beide Studenten in Erlangen bei Nürnberg, auf weite Reisen in die Fränkische Schweiz, den Frankenwald und das Fichtelgebirge und kamen dabei in Kontakt mit der mittelalterlichen deutschen Kunst, von der sie stark fasziniert wurden. Während Tieck sogleich Reisebeschreibungen verfasste, hielt Wackenroder seine frischen Eindrücke in seinem Notizbuch fest.

Tieck und Wackenroder gelten auch als Begründer der romantischen Musikästhetik. Sie glaubten an einen transzendenten Charakter der Musik, in deren ekstatischen Momenten der Mensch sich über sich selbst erhebe.

Tieck veröffentlichte ab 1795 in Berlin seine ersten Erzählungen und Romane. [14] Beide, insbesondere aber Wackenroder, arbeiteten ab 1795 an den Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders, die 1796 in Berlin erschienen. In diese kunsttheoretischen Schriften flossen auch ihre Dresdner Eindrücke mit ein.

Im Jahre 1796 befand sich die Dresdner Gemäldegalerie seit 1747 in dem speziell zu diesem Zweck umgebauten kurfürstlichem Stallgebäude am Neumarkt, dem heutigen Johanneum.[15] Das „Neue Königliche Museum zu Dresden“ öffnete am 25. September 1855 in der „Sempergalerie“, wo sich die Gemäldegalerie noch immer befindet.

Die Antiken befanden sich damals seit fast siebzig Jahren im Palais im Großen Garten. Bereits August der Starke († 1. Februar 1733 in Warschau, ab 27. April 1694 als Friedrich August I. Kurfürst von Sachsen) hatte zum Ausbau seiner "Kunstkammer" über Agenten ständig antike Marmor-Skulpturen in Einzelstücken oder kleineren Sammlungen aufgekauft und 1728 die 160 Skulpturen umfassende Antiken-Sammlung des Agostino Chigi († 11. April 1520 in Rom), eines der reichsten Männer der Renaissancezeit und Bankier der Päpste, erwerben können und dort untergebracht. Dadurch wurde Dresden zur ersten deutschen Stadt mit einer Antikensammlung nach italienischem Vorbild.

Ab 1794 wurden die Abguss-Figuren des Antiken-Kabinetts im Untergeschoss der Gemäldegalerie zur Schau gestellt.

[Bearbeiten] Literatur

[Bearbeiten] Anmerkungen

  1. Johann Gottlob Matthaey: Verzeichniss der im königl. sächs. Mengs'ischen Museum enthaltenen antiken und modernen Bildwerke in Gyps, Dresden und Leipzig in der Arnoldischen Buchhandlung, 1831, S. VI: Von hier [dem Brühlschen Garten] nahm sie der Vorsteher der Sammlung in Empfang und brachte sie in den eigens dazu bereiteten Saal unter der Bildergalerie, welcher am 24. August 1794 eröffnet wurde. Er hatte sich hierbei gleichsam eine Geschichte der idealisirten Menschengestalt gedacht, von ihrem ersten Entfalten (schlafender Genius Nr. 1) bis zu ihrer Vollendung (in der Venus, Juno, Agrippina, in den Heroen, Göttern) und in's höchste Alter (Zeno).
  2. Auch: Johann Gottlob Matthaey
  3. Die Tafeln dieses Catalogue des jets des stuc des plus excellentes antiques en figures, bas-reliefs, tetes, mains, pies etc. que Son Altesse-Serenissime Electorale de Saxe, Frederic Auguste a achete de Roma von Johann Gottlob Matthaey (par Jean Gottlob Matthaei) sind abgedruckt in: Staatliche Kunstsammlungen Dresden (Hrsg.): Die Sammlungen der Gipsabgüsse von Anton Raphael Meng in Dresden, München 2006, S. 124-167. = Moritz Kiderlen, Die Sammlung der Gipsabgüsse von Anton Raphael Mengs in Dresden. Katalog der Abgüsse, Rekonstruktionen, Nachbildungen und Modelle aus dem römischen Nachlass des Malers in der Skulpturensammlung, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, 2006.
  4. Vgl. Zitate aus Martin Flashar: Wohl die größte Abgußsammlung der Welt..., in: Antike Welt, Jahrgang 1999, Nr. 6, S. 569-576, auf museanum.net, mit zwei Bildtafeln.
  5. Die Familie wohnte zunächst Neue Gasse 171 (Dresden zur zweckmäßigen Kenntniß seiner Häuser und deren Bewohner 1797, S. 224), dann Neumarkt 571 (Adressbuch der Stadt Dresden, 1799).
  6. Sein damals sechzehnjähriger Sohn Karl Ludwig Matthäi, geboren am 21. März 1778 in Meißen, besuchte die Kunstakademie Dresden ab 1794, u. a. bei dem Architekten Gottlob August Hölzer, wurde Bildhauer, Baumeister und Schriftsteller und starb am 9. August 1848 in Dresden.
  7. Johann Gottlob Matthaey: Verzeichniss der im königl. sächs. Mengs'ischen Museum enthaltenen antiken und modernen Bildwerke in Gyps, Dresden und Leipzig in der Arnoldischen Buchhandlung, 1831, Werkansicht in der SLUB, Titelkupfer, Titel, Vorwort, Freistehend an und zwischen den Säulen. Dem Haupteingange gegenüber, An der Wand zur Linken vom Haupteingange, Reliefs mit vorstehenden Figuren. Im ersten Fenster, Erster Fensterpfeiler. Altoreliefs im zweiten Fenster, Zweiter Fensterpfeiler. Altoreliefs im dritten Fenster, Dritter Fensterpfeiler, Hautreliefs im vierten Fenster, Vierter Fensterpfeiler, Hautreliefs im fünften Fenster, Am fünften Fensterpfeiler. Hautreliefs im sechsten Fensterpfeiler, Sechster Fensterpfeiler. Hautreliefs im siebenten Fenster, Siebenter Fensterpfeiler. Hautreliefs im achten Fenster, Achter Fensterpfeiler, Hautreliefs im neunten Fenster, Neunter Fensterpfeiler, Hautreliefs im zehnten Fenster, In der Ecke zwischen dem zehnten und eilften Fenster. Unter Glas, An der obern Thürwand, Im dreizehnten Fenster, Der erste Tisch. An der Wand. Der zweite Tisch, An der Wand, Auf dem dritten Tische, Auf dem vierten Tische, An der Wand. Auf dem fünften Tische, An der Wand. Im dreizehnten Fenster, Am Fensterpfeiler, Im vierzehnten Fenster. Am Fensterpfeiler, Am fünfzehnten Fenster, links, Am Fensterpfeiler, Im sechszehnten Fenster. Am Fensterpfeiler, Büsten auf dem sechsten Tische, An der Wand, Büsten des siebenten Tisches, An der Wand. Das siebenzehnte Fenster, An der Haupteingang-Wand. Vom obern Eingange zum Jüdenhofe herunter. Auf einer Stellage, Statuen und Köpfe auf Postamenten und Tragsteinen, Anzeige für Reisende, Verzeichniss der in Rom, Florenz und Neapel aufgestellten antiken Gruppen, Figuren und Brustbilder (in französischer Sprache).
  8. * 31. Mai 1773 in Berlin.
  9. * 13. Juli 1773 in Berlin. Vergleiche auch Wilhelm Heinrich Wackenroder im Projekt Gutenberg mit einem weiteren Portrait und Digitalisaten seiner Werke.
  10. Karl Philipp Moritz im Projekt Gutenberg.
  11. Hans Wahl, Anton Kippenberg: Goethe und seine Welt, Insel-Verlag, Leipzig 1932, S. 106.
  12. Goethe notierte im Dezember 1786 in Rom: „Moritz ist hier, der uns durch ‚Anton Reiser‘ und die ‚Wanderungen durch England‘ merkwürdig geworden. Es ist ein reiner trefflicher Mann, an dem wir viel Freude haben.“ Er könne nicht ablassen „über die Innerlichkeiten des Menschen, seine Anlagen und Entwicklungen fortwährend zu sinnen und zu spinnen [...] Moritz ist wie ein jüngerer Bruder von mir, von derselben Art, nur da vom Schicksal verwahrlost und beschädigt, wo ich begünstigt und vorgezogen bin."
  13. Vgl. Goethes Zeitschrift Propyläen, Juli 1798 bis Ende 1800; hier insbesondere der 1798 im ersten Band veröffentlichte Aufsatz Über Laokoon.
  14. Peter Lebrecht, eine Geschichte ohne Abenteuerlichkeiten (1795, zwei Bände), William Lovell (1795–1796, drei Bände) und Abdallah (1795).
  15. Vgl. Beschreibung von 1848 bis 1851 in Wikisource: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie.
  16. SLUB.
  17. SLUB.
  18. DNB.
  19. DNB.
  20. DNB.
  21. SLUB, Die Entdeckung der Landschaft. Dresdner Maler um 1800 in böhmischer Nachbarschaft SLUB.
  22. SLUB, Gesamtwerk; SLUB, Sächsisch-Böhmische Beziehungen im Wandel der Zeit. Band 2, Quellenband, ISBN 978-3942411912; 3942411911; SLUB, Sächsisch-Böhmische Beziehungen im Wandel der Zeit. Band 3, Geschichtsdidaktische Konzeptionen (von Christian Herm und Antje Scheicher), ISBN 9783942411929; 394241192X.
  23. Verlag; SLUB, Buch; SLUB, Artikel.
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