Walter Chrambach

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Walter Chrambach 1935

Walter Hermann Chrambach (* 2. Oktober 1887 in Dresden; † 16. Dezember 1944 im KZ Buchenwald bei Weimar) war ein deutscher Jurist, Rechtsanwalt, Verwaltungsbeamter, stellvertretender Amtshauptmann von Dresden, sächsischer Regierungsrat und Hitlergegner jüdischer Herkunft.

[Bearbeiten] Familie

Die ursprünglich jüdische Familie Chrambach wurde etwa in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Dresden ansässig und gelangte hier neben finanziellem Reichtum auch zu hohen gesellschaftlichen Ansehen. Die Familie war durch Hochzeiten verwandt mit den bekannten jüdischen Familien Kohn (auch Cohn), Schie, Elimeyer, Wolfsohn, von Kaskel und Mankiewicz. Derzeit ältester nachweisbarer Spitzenahn ist Lippmann Chrambach im 18. Jahrhundert.

Walter Chrambach war der Sohn des Königlich Sächsischen Hofjuweliers und Kaiserlich Türkischen Generalkonsuls Fritz Chrambach (* 28. Februar 1850 in Lissa bei Posen; † 27. Oktober 1928 in Dresden) und dessen Ehefrau Elsbeth geb. Pabst (* 21. August 1855 in Berlin; † 22. Januar 1929 in Dresden), Tochter des Königlich Sächsischen Hofrats Julius Adolf Pabst. Walter Chrambach hatte noch fünf Geschwister:

Walter Chrambach heiratete am 28. Februar 1916 in Lübeck seine Verlobte Bertha geb. Kretzschmar (* 7. Oktober 1896 in Osnabrück; † 11. August 1977 in Stuttgart), Tochter des Lübecker Staatsarchivrates Johannes Kretzschmar (18641947) und Urenkelin von Ludwig Richter (18031884). Das Paar hatte vier Töchter:

[Bearbeiten] Leben und Wirken

Elternhaus von Walter Chrambach in der Liebigstraße

Aufgewachsen in seinem vermögenden Dresdner Elternhaus in der Liebigstraße 7, wurde Walter Chrambach von seinen Eltern dem Grundsatz „Besitz verpflichtet“ erzogen. Bereits in seiner Kindheit konnte er die Bekanntschaft vieler aufstrebender Künstler in seinem Elternhaus schließen.

Nach dem Besuch der Volksschule und des Vitzthumschen Gymnasiums in Dresden nahm Chrambach im Sommersemester 1908 ein Studium der Rechtswissenschaften an der Universität in Leipzig auf, das er mit Erfolg abschloss. Seine Promotion zum Dr. jur. legte Chrambach am 30. Januar 1911 ab. Nach dem Studium begann er eine juristische Laufbahn in der Königlich Sächsischen Amtshauptmannschaft. 1913 ist er erstmals im Adressbuch von Dresden als Referendar, wohnhaft im Elternhaus, verzeichnet,[1] ab 1914 dann mit Doktortitel,[2]. Ab 1914 arbeitete Chrambach als Assessor.

Am 11. Oktober 1914 zog Chrambach als Kriegsfreiwilliger und Soldat der Infanterie in den Ersten Weltkrieg und wurde an die Westfront verlegt. Dort wurde er bereits wenige Tage später, am 25. Oktober 1914 bei der Ersten Flandernschlacht bei Keiberg-Molen durch ein englisches Geschoss am Oberschenkel getroffen, blieb auf dem Schlachtfeld schwer verwundet und bewegungsunfähig liegen und schrieb am 26. Oktober seine Abschiedskarte an die Eltern und seine Verlobte Bertha Kretzschmar. In einer Feuerpause wurde er am folgenden Tag von englischen Soldaten gerettet und am 28. Oktober in die umkämpfte belgische Stadt Ypern gebracht. Nach mehreren Notoperationen, wo man seine durchschossene Schlagader feststellte, aber eine Beinamputation verhindern konnte, kam Chrambach in englische Kriegsgefangenschaft zuerst nach Southampten, später nach Dorchester. Ende Januar 1915 konnte sein Zwillingsbruder Moritz ihn in England besuchen, der auf der Rückreise von der USA nach Deutschland, ohne jemals Soldat geworden zu sein, ebenfalls interniert wurde. Am 10. Oktober 1915, Chrambach konnte zu dieser Zeit nur mit zwei Gehhilfen laufen, kam er im Zuge eines Gefangenenaustausches zwischen der Entente und dem Deutschen Reich wieder zurück nach Deutschland, wo er mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet wurde. In der Kriegsgefangenschaft änderte sich Chrambachs Einstellung zum Krieg, er wurde nach und nach Anhänger friedfertiger und fortschrittlicher Ideen.

Nach der 1916 erfolgten Hochzeit zog Chrambach mit seiner Frau Bertha in eine Mietswohnung in die Bayreuther Straße 16,[3] arbeitete als Assessor, ab 1917 dann als Regierungsassessor bei der Amtshauptmannschaft Dresden-Neustadt.[4] 1919 wurde Chrambach zum Regierungsamtmann ernannt und gleichzeitig zum juristischen Hilfsarbeiter im Ministerium für Kultus und öffentlichen Unterrichts bestellt.[5] Bis 1920 arbeitete er im Arbeitsschiedsgericht der Amtshauptmannschaft in Dresden-Neustadt. Im gleichen Jahr zog er mit seiner Ehefrau und den bereits geborenen zwei kleinen Töchtern zurück in das Elternhaus, in das dortige erste Obergeschoss.[6]

Walter Chrambach mit seinen vier Töchtern

1921 wurde Chrambach im sozialdemokratisch regierten Sachsen zum Regierungsrat bei der Baupolizei der Amtshauptmannschaft Dresden ernannt.[7] Dabei war er nachweislich ab dem gleichen Jahr auch für die Baugenehmigungen im Dresdner Stadtteil Hellerau zuständig. Außerdem war er ab dieser Zeit Stellvertreter des Amtshauptmannes Ernst Venus. 1933 wechselte Chrambach im Rahmen der politischen Umwälzungen und Neustrukturierungen als Regierungsrat zur Kreishauptmannschaft Dresden-Bautzen.

Bereits 1922 lernten Walter und Bertha Chrambach über Benno von Heynitz die Anthroposophie, die Christengemeinschaft und die biologisch-dynamische Landwirtschaft kennen und wurden begeisterte Anhänger der Waldorfpädagogik von Rudolf Steiner. So wurden Walter und Bertha Chrambach zusammen mit der Familie Dr. Herrmann die Gründungsmitglieder der ersten Dresdner Waldorfschule, die 1929 öffnete und wo auch ihre vier Töchter lernten.

Nach dem Tod seines Vaters ließ Chrambach ab 1928 durch den Architekten H. Walter Reitz ein neues Haus in der Künstlerkolonie in Hellerau im Hohen Weg 11 im modernen Bauhausstil errichten. Das Elternhaus in der Liebigstraße wurde kurz nach dem Tod seiner Mutter, die nur drei Monate nach seinem Vater starb, verkauft. Das neu gebaute Haus in Hellerau wurde in der Zeit der Weimarer Republik ein Treffpunkt verschiedener Künstler. Chrambach ist ab 1931 im Adressbuch von Dresden in Rähnitz-Hellerau verzeichnet.[8]

Walter Chrambach widmete sich seit seiner Jugend auch der Musik, gefördert durch sein Elternhaus. Er spielte ausgezeichnet Cello, war seit 1922 Mitglied im Mozartverein, mit dem er 1927 als Cellist in Karlsruhe einen Ersten Preis im Wettbewerb verschiedener kammermusizierender Vereine gewann. Nach 25 Jahren der Mitgliedschaft im Mozartverein musste er 1937 als Halbjude aufgrund der nationalsozialistischen Rassengesetze seine Mitgliedschaft niederlegen. Im gleichen Jahr erhielt Chrambach – genau zu seinem 50. Geburtstag – die fristlose Kündigung des Reichsstatthalters von Sachsen und sächsischen Ministerpräsidenten Martin Mutschmann, wodurch er seine Beamtenstellung verlor. Aufgrund seines seit seiner Jugend nachgegangenen Hobbys, der Fotografie, übernahm er in Dresden am „Portikus“ ein Fotogeschäft und verdiente sich damit seinen Lebensunterhalt.

Die Untersuchungshaftanstalt Dresden am Münchner Platz

Hatte Chrambach noch während der Zeit der Weimarer Republik ein sehr zurückhaltendes Verhältnis zu linken Kräften, vor allem auch eine ablehnende Haltung gegenüber der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), so war bei ihm ab 1936, sicher auch unter dem Eindruck der einsetzenden Judenverfolgungen, eine Hinwendung zu linken Kräften, auch zur KPD zu erkennen. Chrambach suchte nun Gespräche mit Gegnern des Nationalsozialismus, die im politischen Untergrund arbeiteten und äußerte immer öfters kritische Töne gegen Hitler. In dieser Zeit kam es aufgrund verschiedener politischer Ansichten auch zum Streit mit seinen Geschwistern, vor allem mit seinem älteren Bruder Julius, der als ehemaliger Offizier im Dienstrang eines Majors a.D. in der Liebigstraße 10 wohnte.[9] Zum Verhängnis wurde Walter Chrambach, als er mit einem französischen Zwangsarbeiter zusammen musizierte und der in einem Brief schrieb: „Hier bin ich gut aufgehoben; ich habe einen Freund, der anders denkt als die meisten Deutschen.“[10]

Am 15. September 1944 wurde Walter Chrambach von der Gestapo bei einer Wohnungsdurchsuchung verhaftet und zuerst in das Untersuchungsgefängnis in Dresden gebracht, wo er 20 Jahre lang selbst als Verwaltungsbeamter gearbeitet hatte. In der dreimonatigen Untersuchungshaft unterschrieb Chrambach aufgrund von Briefen an seine Brüder, in denen er mit Hitler abrechnete und die die Gestapo bei der Durchsuchung sicherstellte, nach mehreren Verhören eine Erklärung, wonach er Regimegegner sei, was seinem Todesurteil gleichkam. Unmittelbar darauf kam er in das Konzentrationslager Buchenwald, wo er am 11. November 1944 die Häftlingsnummer 13982 erhielt und zuerst im Block 51 untergebracht war. Bereits rund einen Monat später, am 16. Dezember 1944 verstarb er laut dem Totenschein an einer Darmkrankheit. Das makabre Ende: Die Gestapo verschickte seine Asche eingewickelt als Geschenkpaket zu Weihnachten 1944 an seine Familie.

[Bearbeiten] Veröffentlichungen (Auswahl)

[Bearbeiten] Auszeichnungen (Auswahl)

[Bearbeiten] Quellen

[Bearbeiten] Einzelnachweise

  1. Adressbuch Dresden 1913, SLUB Dresden, S. 233
  2. Adressbuch Dresden 1914, SLUB Dresden, S. 207
  3. Adressbuch Dresden 1917, SLUB Dresden, S. 168
  4. Adressbuch Dresden 1918, SLUB Dresden, S. 169
  5. Adressbuch Dresden 1920, SLUB Dresden, S. 161
  6. Adressbuch Dresden 1921, SLUB Dresden, S. 164
  7. Adressbuch Dresden 1923, SLUB Dresden, S. 105
  8. Adressbuch Dresden 1931, SLUB Dresden, S. 158
  9. Adressbuch Dresden 1934, SLUB Dresden, S. 238
  10. Sie kennen mich sicher schon!: Mein Leben mit dem Maler Hänner Schlieke, Gisela Schlieker, Onlinevorschau auf Google Books
  11. Adressbuch Dresden 1916, SLUB Dresden, S. 169

[Bearbeiten] Weblinks

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