Waisenhaus

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Zeichnung von Hans August Nienborg, um 1706

1685 richtete der Kunst- und Schönfärber Johann Jacob Grätzel aus Erfurt in seinem Manufakturhause am Jüdenteich "zwei Logis mit eisernem Gitterwerk" ein, worin er aufgefangene Bettelkinder mit Bandwirken beschäftigte und auf seine Kosten unterrichten, kleiden und speisen ließ. Er war bereits in ähnlicher Weise bei der Errichtung des evangelischen und katholischen Waisenhauses in Erfurt tätig gewesen. Am 1. Dezember 1685 reichte er dem Rat einen Bericht ein, worin er bat, seine Anstalt zu fördern und sie dem Kurfürsten und den Ständen als Mittel gegen das Bettelwesen zu empfehlen. Der Rat erstattete am 23. Dezember dem Kurfürsten Bericht, dem er am 21. Januar 1686 einen zweiten mit dem Gesuch um Genehmigung der Vorschläge folgen ließ. Der kurfürstliche Bescheid vom 24. Februar 1686 genehmigte einen Versuch für ein Jahr mit 50 Kindern und gestattete Grätzel eine Kollekte zu veranstalten, unter Kontrolle des Rates. Zugleich unterstützte der Kurfürst und die Kurfürstin das Werk zunächst mit 500 Talern. Die mit dem von Grätzel herumgeschickten Kollektenbuch gesammelten Almosen betrugen über 1000 Taler: die Ausgaben beliefen sich auf 975 Taler 17 Groschen.

Gegen Ende des Probejahres erhielt der Rat die Erlaubnis, montags in der Hofkirche den Klingelbeutel herumgehen zu lassen, bei Hochzeiten und Kindtaufen zu sammeln und Singumgänge der Waisenkinder zu veranstalten. Im folgenden Jahr schritt man zum Bau eines Waisenhauses. Über dem Eingang war das Wort „Tentandam“ in goldener Schrift zu lesen, die Waisenkinder waren in blau gekleidet und die sog. Züchtlinge mussten große hölzerne Klötzer mit Ketten an den Beinen tragen. Jeweils zur Fastenzeit gab es einen Umzug mit den Kindern durch die Stadt, um Almosen zu sammeln.

Im Jahr 1797 befand sich das Waisenhaus (Nr. 384) am Festungsgraben vor dem Seethore und man unterschied zwischen Vorderhaus sowie neuem und alten Hintergebäude, letzteres wurde auch an Kaufleute vermietet.

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