Kurd Kisshauer

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Dr. rer. pol. Kurd Kisshauer (* 29. Dezember 1886 in Berlin; † 14. November 1958 in Frankfurt am Main)[1] war ein Astronom. In Dresden leitete er das Städtische Planetarium. Während der Zeit des Nationalsozialismus arbeitete er als Referent im Amt Rosenberg.

[Bearbeiten] Leben und Wirken

Städtisches Planetarium von Kurd Kisshauer, mit einer Titelgrafik von Kurt Fiedler

Kisshauer wurde als Sohn eines Handelsmanns in Berlin in der Neuen Friedrichstraße 5–8 geboren.[2] Er war schon 1914 Mitglied der Vereinigung von Freunden der Astronomie und kosmischen Physik. Als Amateurastronom machte sich Kisshauer mit Beiträgen für Zeitschriften wie Sirius[3] und Der Straßenastronom einen Namen. In der von Hans-Hermann Kritzinger 1918 in Berlin gegründeten Ingedelia – Internationale Gesellschaft der Liebhaberastronomen wirkte Kisshauer als Sekretär und leitete die Ortsgruppe Berlin. In seiner Funktion als Sekretär der Ingedelia zeichnete er am 21. April 1920 die Urkunde über die Ehrenmitgliedschaft von Albert Einstein gegen. Kisshauer wurde 1920 zeitweise von seiner offiziellen Funktion bei der Ingedelia suspendiert. Seit spätestes 1921 war er Mitglied der Astronomischen Gesellschaft, in der Einsteins Relativitätstheorie kontrovers diskutiert wurde.

Nachdem die Familie von Bülow 1919 vom Schenkungsvertrag mit der Sternwarte Kiel über die fünf Jahre zuvor geschlossene Sternwarte Bothkamp zurückgetreten war, sollte Kisshauer einen Käufer suchen.[4] Vermittelt hatte diesen Auftrag vermutlich Kritzinger, letzter Astronom auf Bothkamp.[5] Kisshauer verfolgte die Verkaufspläne zu Bothkamp bis etwa 1922, als ihn Ernst II. von Sachsen-Altenburg schon auf Jagdschloss Fröhliche Wiederkunft nach Wolfersdorf geholt hatte, wo der Herzog nach seinem Abdanken im Jahre 1918 eine moderne Sternwarte einrichtete.[6] Der Verkauf der Bothkamper Utensilien misslang und sie gingen 1930 in den Besitz des Museums Kiel über. Kisshauer übergab die von ihm angefertigten Zeichnungen des Bothkamper Spektrographen an das Deutsche Museum in München.[7]

Schon in frühen Jahren stand Kisshauer nationalkonservativen Kreisen nahe, so publizierte er in den Jungdeutschen Stimmen, dem Organ des Jungdeutschen Bundes.[8] Von Wolfersdorf wechselte Kisshauer in das nahe Jena, wo er für die Firma Carl Zeiss arbeitete und zu den Zeiss-Planetarien publizierte, darunter beim dortigen Urania Verlag und in der Zeitschrift Die Himmelswelt.[9]. Mit seiner Frau stand er in Verbindung zu Elisabeth Förster-Nietzsche, der Schwester und Nachlassverwalterin des Philosophen Friedrich Nietzsche.[10]

1926 gründete Kisshauer als Direktor und wissenschaftlicher Leiter das Städtische Planetarium in Dresden. Das Projekt wurde seinerzeit von der Güntz-Stiftung unterstützt und realisierte eines der ersten Projektionsplanetarien von Walther Bauersfeld der Firma Carl Zeiss. Kisshauer war im Planetarium Wissenschaftler, Techniker, Lehrer und Unterhalter in einem. Engagiert bemühte er sich um die Popularisierung der Astronomie. Neben seinen Schriften trat er wiederholt im Rundfunk auf. In seinem Buch Der Sternhimmel im Feldglas bezog er sich auf Adolph Diesterweg und schrieb: "Die Astronomie ist eine erhabene, weil erhebende Wissenschaft; deshalb sollte sie keinem Menschen vorenthalten bleiben." Das Dresdner Planetarium stieß anfangs auf großes Interesse, musste wegen fehlender Besucher im Zusammenhang mit der Weltwirtschaftskrise jedoch nach wenigen Jahren wieder geschlossen werden.

Kisshauer kehrte 1930 nach Berlin zurück, wo er die erste Zeit als Kaufmann arbeitete. In jenem Jahr starb der Raumfahrtpionier Max Valier bei einem Triebwerkstest in Berlin und Kisshauer verfasste in der Kölnischen Volkszeitung einen Nachruf. In Berlin veröffentlichte Kisshauer kritische Schriften und hielt Vorträge zur Astrologie. Er wurde weiterhin wiederholt nach Dresden eingeladen, um Vorträge zu astronomischen Themen zu halten, beispielsweise vor dem Dresdner Gewerbeverein.

Als Referent im Amt Rosenberg wurde Kisshauer in naziinterne Konflikte zum Thema Astrologie hineingezogen.[11][12] In den Nationalsozialistischen Monatsheften vom April 1938 stellte er sie als orientalisch und volksschädlich dar, was wiederum der Völkische Beobachter zitierte. 1941 beteiligte sich Kisshauer nach der "Heß-Affäre" an der Absetzung von Karl Heinz Hederichs von der Parteiamtlichen Prüfungskommission zum Schutze des nationalsozialistischen Schrifttums. Von 1941 bis 1943 leitete er die Abwehrstelle gegen Astrologie und Welteislehre im Amt Rosenberg. Führende Nationalsozialisten, darunter Hitler und Himmler, standen der Welteislehre aufgeschlossen gegenüber und versuchten Bezüge zum Germanentum abzuleiten..[13] Alfred Rosenberg setzte Kisshauer im Krieg dazu ein, Astrologen wie Karl Ernst Krafft zur Anfertigung von Horoskopen für die psychologische Kriegsführung zu zwingen. Noch 1944 veranlasste Kisshauer die Besetzung von Lehrstühlen der Theoretischen Physik mit Gegnern von Einsteins Relativitätstheorie.[14]

Nach dem Krieg hielt Kisshauer wieder Vorträge zur Astronomie, z. B. vor der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft und bei verschiedenen Radiosendern. Kisshauer war Mitglied der DEGESA – Deutsche Gesellschaft Schutz vor Aberglauben e. V., wo er seinen Kampf gegen die Parapsychologie fortsetzte.[15] Der britische Publizist Ellic Howe zitierte ihn in seinen Büchern über die Rolle der Astrologie in der Zeit des Nationalsozialismus.[16][17][18]

[Bearbeiten] Kurd Kisshauer anlässlich der Eröffnung des Städtischen Planetariums

"Das Planetarium ist ein Kulturfortschritt höchsten Ranges, verbreitet - frei von aller trockenen Lehrhaftigkeit - lebendiges Wissen, und die Stadt Dresden kann stolz darauf sein, daß auch sie nun ein Planetarium in ihren Mauren birgt und Anteil hat an der schönen Aufgabe, die Menschen zurückzuführen zur Natur und ihrem gewaltigsten Ausdruck, dem Makrokosmos."

[Bearbeiten] Schriften und Vorträge

[Bearbeiten] Quellen

[Bearbeiten] Einzelnachweise

  1. Berliner Geburtsregister Nr. 2276, 31.12.1886, inkl. Nachtrag von Sterbedatum und Sterbeort, via ancestry.com
  2. Berliner Adressbuch, 1886, Seite=508
  3. Sirius. Zeitschrift für Populäre Astronomie, Band 48, 1915
  4. Gudrun Wolfschmidt: Astronomisches Mäzenatentum. BoD – Books on Demand, S. 76, 2009
  5. Sirius, Bd. 54, S. 130, 1921
  6. Felix Lühning: „--eine ausnehmende Zierde und Vortheil“: Geschichte der Kieler Universitätssternwarte und ihrer Vorgängerinnen, 1770-1950: zwei Jahrhunderte Arbeit und Forschung zwischen Grenzen und Möglichkeiten. Band 56 von Sonderveröffentlichungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte, Verlag Wachholtz, 2007
  7. Gerhard Harig, Alexander Mette (Hrsg.): NTM: Schriftenreihe für Geschichte der Naturwissenschaften, Technik und Medizin (Bd. 28). Akademische Verlagsgesellschaft Geest & Portig, 1991, S. 202
  8. K. Kisshauer: Worin liegt die Bedeutung von Marx. In: Jungdeutsche Stimmen, Hamburg, Jg. 2, 1920, S. 15
  9. Die Himmelswelt, Volumes 35-36, 1925
  10. Eintrag in der Archivdatenbank des Goethe- und Schiller-Archivs
  11. Helmut Heiber (u. a.): Akten der Partei-Kanzlei der NSDAP. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 1983
  12. Wilhelm Theodor H. Wulff: Tierkreis und Hakenkreuz: Als Astrologe an Himmlers Hof. Bertelsmann Sachbuchverlag, 1968, S. 105
  13. Gutachten Hugo Koch, RMVP, zu pro-Astrologie-Politik der PPK, Berlin (20. Mai 1941)
  14. Gerd Simon: Chronologie Wagner, Kurt (Physiker) (PDF; 43 kB)
  15. Joachim Friedrich Baumhauer: Johann Kruse und der „neuzeitliche Hexenwahn“: zur Situation eines norddeutschen Aufklärers und einer Glaubensvorstellung im 20. Jahrhundert, untersucht anhand von Vorgängen in Dithmarschen. Band 14 von Studien zur Volkskunde und Kulturgeschichte Schleswig-Holsteins, Verlag K. Wachholtz, 1984
  16. Ellic Howe: Nostradamus and the Nazis: a footnote to the history of the Third Reich. Arborfield, 1965
  17. Ellic Howe: Astrology: a recent history including the untold story of its role in World War II. Walker, 1968
  18. Ellic Howe: Astrology and psychological warfare during World War II., Rider, 1972

[Bearbeiten] Weblinks

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