Gasthof „Wilder Mann“

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Dieser Artikel behandelt vorrangig die Geschichte des Gasthofes an der Döbelner Straße 130. 
Ausführliche Informationen zur Geschichte des Weingutes „Wilder Mann“ an der 
Döbelner Straße 108-116 findet man im entsprechenden Artikel zum Weingut.


Gasthof „Wilder Mann“ 2008
die „Trachenberge“ mit Gasthof „Roter Ochse“, Gasthof „Wilder Mann“ und Weingut „Wilder Mann“ (türkis markiert, von links unten nach rechts oben), um 1790
Gasthof um 1892
Ansichtskarte, um 1898
Gasthof um 1912
Gasthof um 1930

Der Gasthof „Wilder Mann“ befand sich an der Döbelner Straße 130 im Stadtteil Trachenberge. Das beliebte Ausflugslokal bestand bis 1940/41, diente anschließend als Reservelazarett der deutschen Wehrmacht, danach als Kreisparteischule der SED und von 1969 bis 2000 als Standort des Fernsehfunks der DDR bzw. des MDR. Nach jahrelangem Leerstand wurde das Gebäude in den Jahren 2007/08 saniert und zu einem Wohn- und Geschäftshaus umfunktioniert.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Geschichte des Weingutes „Wilder Mann“

Als „die Trachenberge“ wurden die gesamten Hänge der Elbtalaue von der Großenhainer Straße bis zum St.-Pauli-Friedhof bezeichnet. Sie gaben der hier im 18. Jahrhundert entstandenen Siedlung ihren Namen.

Ursprünglich bewaldet, eignete sich der gesamte Südhang der Trachenberge aufgrund günstiger klimatischer Bedingungen vor allem für den Anbau von Wein. So war er bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts Mittelpunkt eines großen Weinanbaugebietes, das sich westwärts bis an die Trachauer Geblerstraße und nach Osten hin bis zur Radeburger Straße ausdehnte. Gegen Ende des 16. und mit Beginn des 17. Jahrhunderts erfuhr der Weinanbau einen erneuten Aufschwung, und der noch bewaldete Hang östlich der Großenhainer Straße wurde ausschließlich zur Bepflanzung mit Rebstöcken gerodet.

Zentrum des Weinanbaus war das Weingut „Wilder Mann“ (Standort bis 1933 Döbelner Straße Nr. 108–116). Die Gründung des Gutes fällt etwa in das Jahr 1680, als der Dresdner Bürgermeister und Ratsmann Philipp Strobel (16431702) hier ein Stück Land erwarb und es durch hinzugekaufte Felder und Wiesen erweiterte. Neben der Acker- und Viehwirtschaft wurde vor allem der Weinanbau zum Eigenverbrauch und Ausschank betrieben. Seit 1690 durfte mit Genehmigung des Dresdner Rates nicht mehr nur Wein und Most, sondern auch Bier ausgeschenkt werden.

siehe auch: ausführliche Informationen zur Geschichte des Weingutes „Wilder Mann“

[Bearbeiten] Geschichte des Gasthofes „Wilder Mann“

Nach dem Tode Strobels ging das Weingut an seine Tochter über, die mit Lüder Hildebrand (16611734), einem in der Gunst August des Starken (16701733) stehenden Militär verheiratet war. Im Mai 1710 erhielt Hildebrand, beurkundet vom Kurfürsten, das Vorrecht zum Ausschank Dresdner und fremder Biere, ferner war ihm für sein Haus das Backen und Schlachten sowie das Brennen von Branntwein erlaubt worden. In einer späteren Urkunde wird auch erwähnt, dass er „ein gewisses Gastzeichen zum wilden Mann“ am Ausschank des Weingutes angebracht hatte.

Hildebrand starb im Jahre 1734. Die Eigentümer von Weingut und Ausschank wechselten in häufiger Folge, bis 1762 Johanna Rosine Starcke, Ehefrau des Bergrates Dr. Martin Simon Starcke, in zweiter Ehe mit Carl Hennig von Zittwitz verheiratet, das Weingut Wilder Mann nebst Schankrecht sowie den westlich der Großenhainer Straße gelegenen Weinberg zum „Roten Ochsen“ erwarb.

Da das Weingut durch Steuern und Lasten stark verschuldet war, betrieb sie den während des Siebenjährigen Krieges eingerichteten Schank im Weinberg zum „Roten Ochsen“ weiter, verabreichte daselbst Speisen und beherbergte auch Gäste. Nach vierjährigem Betrieb musste sie um 1766 den Ausschank schließen.

Da der „Rote Ochse“ auch wegen seiner Nähe zu den kurfürstlichen Wildbahnen für einen Ausschank nicht in Betracht kam, erhielt Johanna Rosina von Zittwitz im Jahre 1773 die von ihr am 28. September 1769 beantragten Schankrechte für ein kleines hölzernes Weinberghaus östlich der Großenhainer Straße. Als einen der Gründe für die Schankrechte führte sie an, dass die Pachterträge erheblich stiegen, befände sich der Ausschank statt im abgelegenen Weingut zukünftig an der belebten Landstraße in die Tuchmacherstadt Hayn (heute Großenhain).

Den von ihr diesbezüglich gestellten Antrag hatte der sächsische Kurfürst Friedrich August III. (17501827) am 19. Juli 1773 nur unter der Bedingung genehmigt, dass beide Grundstücke, das Weingut und der neue Ausschank, ständig in „einer Hand blieben“. Anstelle des hölzernen Weinberghauses ließ nun Frau von Zittwitz ein steinernes Gasthofgebäude errichten und schmückte es mit der Figur des Wilden Mannes. Noch bis 1776 besaß sie Gut und Gasthof, dann nennt die Geschichte andere Namen.

Während das Weingut im Jahre 1934 abgebrochen wurde, blieb der Gasthof erhalten. Das repräsentative, seit Jahren denkmalgeschützte und heute sanierte Gebäude ist der „Nachfolger“ des um 1774/75 durch Johanna Rosina von Zittwitz erbauten ersten Gasthofes.

[Bearbeiten] Der Neubau des Gasthofes „Wilder Mann“

Friedrich August Reck (18401896), seit 1873 Besitzer des in den 1770er Jahren erbauten Gasthofes, verkaufte ihn 1893 dem Privatier Gustav Emil Weber (18521932, siehe Bild unten). Dieser ließ das über einhundert Jahre alte Gebäude abreißen und den Gasthof „Zum Wilden Mann“ im „altdeutschen Stile“ neu erbauen (Einweihung 25. Dezember 1894, Kosten 97.000 Mark).

Im Jahre 1898 verkaufte er den Gasthof an Gustav Opitz, der ihn bis 1919 betrieb und danach Gastwirt des Restaurants „Goldenes Lamm“ in Trachau wurde. Gustav Emil Weber besaß außer dem Gasthof (Döbelner Straße 130) u.a. auch die Wohnhäuser Großenhainer Straße 203 (bis zu seinem Tode wohnte er hier) und 205 sowie das Haus Marsdorfer Straße 16.

Am Freitag, 6. Februar 1931, sprach der Ministerpräsident a.D. Dr. Erich Zeigner über das Thema "Justiz und Religion" unter besonderer Berücksichtigung des Gotteslästerungsprozesses[1]. Für das Kulturprogramm sorgte der Vereinigte Männerchor Dresden-Neustadt.

Noch bis 1940/41 war der Gasthof „Zum Wilden Mann“ das beliebte und heute noch von Legenden umgebene Tanz- und Ausflugslokal im Norden Dresdens. Er wurde es nie wieder, sondern war in der Folge Reservelazarett der deutschen Wehrmacht, danach Kreisparteischule der SED, ab 1969 Standort des Fernsehfunks der DDR und nach 1990 der des MDR. Seit 2000, der MDR war nach Leipzig beziehungsweise in die Albertstadt Dresdens umgezogen, stand der Gasthof „Wilder Mann“ ungenutzt und verfiel zusehends.

In den Jahren 2007/08 wurde er unter Beachtung und Einhaltung der Vorgaben des Denkmalschutzes durch die 1989 gegründete Lewerenz Bau KG aus dem westsächsischen Mülsen umfassend saniert. Im August 2008 konnten die Schlüssel an die neuen Nutzer des ehemaligen Gasthofes übergeben werden. Im Erdgeschoss eröffneten eine Bäckerei aus der Gellertstadt Hainichen sowie eine Fleischerei aus Oederan (Sachsen) ihre Filialen. Außerdem entstanden im Obergeschoss acht Mietwohnungen und im ersten Stockwerk richtete der Verband Physikalische Therapie seine Landesgeschäftsstelle ein. Auf dem Hof befindet sich seit November 2007 ein ALDI-Markt.


[Bearbeiten] Quellen

  1. Ausstellung "Das Auge des Arbeiters. Erinnerungsfotografie und Bildpropaganda um 1930", Stadtmuseum Dresden 21. März bis 12. Juli 2015.
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