Altstriesen

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Altstriesen ist heute die Bezeichnung zweier Straßenzüge in Striesen:

  1. Altstriesen zwischen Alemannenstraße und Rosa-Menzer-Straße (Nr. 19-33, ungerade).[1] Bei diesem Wegeflurstück 49/1 der Gemarkung Dresden-Striesen, welches sich unmittelbar vor den ungeraden Hausnummern 19 bis 33 von Altstriesen befindet, handelt es sich um keinen öffentlich gewidmeten Weg bzw. Straße im Sinne des Sächsischen Straßengesetzes. Der Weg wird auch nicht als separater Straßenabschnitt in der Straßendatenbank geführt.[2]
  2. Ein Teil der Ringstraße in Fortsetzung der Rosa-Menzer-Straße zur Schandauer Straße, wo sie aber nicht durchführend ist (Nr. 2-10, gerade, ehemals Prinzengäßchen/Altstriesener Weg).[1][3][4]

In Adressbüchern gab es bereits ab 1883 die Bezeichnung Altstriesen[5].

Altstriesen lag an der Straße G (zwischen Eilenburger und Merseburger Straße) und wurde 1889 zur Erinnerung an das Wettinfest (800 Jahre Wettiner als Herrscher der Markgrafschaft Meißen) Wettinplatz benannt. 1893 erfolgte die gleichzeitige Benennung der Straße 7 mit Markgraf-Heinrich-Straße (heute Rosa-Menzer-Straße) und die Umbenennung des Wettinplatzes in Markgraf-Heinrich-Platz nach dem Markgraf Heinrich I.[6]

Am 21. März 1921 wurde der Platz umbenannt in Altstriesen.

Das Prinzengäßchen führte südlich Altstriesens von der Geisingstraße etwa parallel der Eilenburger Straße zur Schandauer Straße und erhielt seinen Namen von der Ausspanne und späteren Gasthaus "Sächsischer Prinz".[7] Bei den Straßenumbenennungen 1946 erhielt es den Namen Altstriesener Weg und ist als solcher bis mindestens 1968 im Stadtplan verzeichnet.[8]

[Bearbeiten] Historischer Rundgang durch Altstriesen vor der Zerstörung 1945

dazu weiß Heinz Bergmann ganz viel. Anfragen zur Zeit unter DD 2521598. Eine Stellung in stadtwiki erfolgt später



[Bearbeiten] Geschichten aus Dresden

[Bearbeiten] Altstriesen 1945 vor dem Luftangriff

Ein Rundgang durch den alten Dorfkern anhand von Bildern mit lokalkolorierten Anmerkungen von Heinz Bergmann (Altstriesen 12)


[Bearbeiten] Vorwort

Der nachfolgende Rundgang durch Altstriesen soll einen Eindruck vermitteln, wie es dort vor dem Angriff auf Dresden am 13. Februar 1945 einmal ausgesehen hat und wer dort lebte. Altstriesen gibt es so, wie es einst war, nicht mehr, an der bezeichneten Stelle befinden sich heute Garagen, ein Kindergarten, Neubauten mit ungerader Hausnummer etwa in den ehemaligen Grundstücksgrenzen und Neubauten mit gerader Hausnummer etwa zwischen Prinzengäßchen und Schandauer Straße.

Lediglich die Grundstücke Altstriesen 6 (heute Karosseriebau Thiele, Inhaber Deicke) und Altstriesen 8 nehmen noch die alten Grundstücksgrenzen ein. Auch die Geisingstraße wurde in ihrer Einbiegung nach Altstriesen verlegt und führt durch das Grundstück Altstriesen 4.

Die Beschreibung des Rundgangs vor 1945 wurde anhand von eigenen Erinnerungen, Berichten und Er-zählungen von ehemaligen Bewohner von Altstriesen zusammengestellt. Die Bombennacht des 13. Feb. 1945 legte Altstriesen in Schutt und Asche, nur drei Häuser blieben stehen, die aber den Aufbauplänen weichen mussten. Die Bilder sind Postkarten oder stammen aus Privatbesitz.

Da Altstriesen nach dem Bombenangriff nicht mehr bewohnbar war und kurz danach auch keine Wieder-aufbauinitiativen ergriffen wurden, haben sich die Bewohner von Altstriesen zerstreut auf Dresden, die Umgebung oder gar weit weg. Dadurch wurden Freundschaften und Bekanntschaften auseinander gerissen und zum Teil nie wieder geknüpft. Organisierte Vereinigung von Ausgebombten gab es keine. Über den Angriff auf Dresden liegen für das Gebiet von Altstriesen einige Erlebnisberichte vor.

In den Trümmern regte sich zum Teil neues Leben, man nutzte Gärten, hielt Kleinvieh oder lagerte Mate-rial in den Hofflächen. Die Grundstückseigentümer waren dann später zum Verkauf ihrer Grundstücke an die Stadt gezwungen, da sie die Trümmerberäumung mit eigenen Mitteln nicht durchführen konnten.

So, nun wollen wir mit dem Rundgang beginnen.

[Bearbeiten] Altstriesen 1945 vor dem Luftangriff

Ein Rundgang durch den alten Dorfkern anhand von Bildern mit lokalkolorierten Anmerkungen

von Heinz Bergmann, ehemals Altstriesen 12


Das alte Dorf Striesen (Altstriesen) ist wahrscheinlich eine Niederlassung der Sorben in Form ei-nes Langdorfes (Straßendorf), das um 1000 an einem kleinen Nebenarm der Elbe gegründet wur-de. Der Nebenarm erstreckte sich aus Richtung Tolkewitz kommend in einer kleinen Talsenke an der Nordseite des Dorfes und verlief weiter in Richtung Dresden über die Holbein- und Dürerstra-ße bis zur Pirnaischen Vorstadt und bildete später den Landgraben. An diese Verhältnisse erinnerte noch die Bezeichnung "Am Landgraben" für einen kleinen Weg, der sich durch Gärten von Altstriesen in westliche Richtung über die Spenerstraße zur Tittmanstraße zog und heute nur als Rest noch vorhanden ist. Im Jahre 1876 wurde der Landgraben von Gruna aus über die Lauenstei-ner Straße zur Elbe geführt.

In Striesen wurden die Häuser mit ihren Giebelseiten zur Straße hin gebaut. Das Dorf verfügte ne-ben seiner Straßendorfanordnung über zunächst drei Gassen, die als Eingänge oder Ausgänge dienten: die Geisingstraße (ehemals Grunaer Weg), die Eilenburger Straße, in Richtung Blasewitz die Rosa-Menzer-Straße (Markgraf-Heinrich-Straße) und die Merseburger Straße, die zunächst ei-ne Sackgasse war und erst später als Zugang hinzukam.

In dieser Sackgasse dürfte nicht nur der älteste Stadtteil Striesens, sondern auch eines Allodium zu suchen sein, mit dem 1350 ein Weigand von Nürenberg und ein Dresdner Bürger namens Ulrich Grosse belehnt wurden und das um 1450 wahrscheinlich in mehrere schlichte Güter umgewandelt worden ist, deren Besitzer uns später als ,,die Forwergsleute“ begegnen.

Eine erste Erwähnung Striesens, das auch als Stresen, Stresin, Streußin oder Streiszen geschrieben wird, ist im Lehnbuch Friedrichs des II. (des Strengen), Landgraf von Thüringen und Markgraf von Meißen, im Jahre 1350 zu finden, wonach der Dresdner Bürger Ulrich Große mit einem Vor-werk in Striesen belehnt wurde. "Item contulit Ulrico Grozen, civi Dresdensis, allodrium in Stre-sen" - so lautete der Lehnbucheintrag in Lateinisch. Das genannte Vorwerk soll auf dem Gebiet der Merseburger Straße gelegen haben.

Mitten im Dorf lag der Dorfplatz, auf dem sich neben Gärten auch einige Restgewässer in Form von Teichen befanden, auf denen sich Enten und Gänse tummelten. Es ist der spätere Markgraf-Heinrich-Platz bzw. Altstriesen, und den Enten folgten Gärten, Bäume später Wiesen mit Bänken.

[Bearbeiten] Der Zugang über die Rosa-Menzer-Straße

Wir betreten das Gebiet von Altstriesen (Markgraf-Heinrich-Platz) aus Richtung Wormser Straße auf der alten Markgraf-Heinrich-Straße (Rosa-Menzer-Straße) und finden rechts Grundstücke (Nr. 1 bis 13) mit Grundstücksgrenzen und kleinen Häusern aus der Zeit des Dorfes Altstriesen. Auffällig ist, dass sich die Straße durch die Grundstücke mit den kleinen Häusern verengt, denn hier wurde noch nicht der später aufgestellte Bauplan mit der Festlegung der Striesner Straßenbreite von 20 Ellen berücksichtigt. Auf dem Bild 1 (1910) ist rechts das Haus Nr. 13 zu erkennen, in dem sich ein Schuhgeschäft, kurz vor dem Luftangriff der Uhrmacher Gustav Loose, befand. Zwei Häuser in Richtung zur Nr. 1 sind, wenn auch mit Beschädigung, vom Luftangriff auf Dresden verschont geblieben, aber leider in den 60er Jahren abgerissen worden. In einem der Häuser soll sich ein Brunnen mit Pumpe befunden haben, aus dem sich die Einwohner nach dem Luftangriff mit Wasser versorgten. Da die Wasserversorgung kurz nach dem Angriff noch nicht funktionierte, kamen auch Einwohner aus anderen Straßen zum Wasserholen und mussten 10 Pfennig pro Eimer entrichten. In der Nr. 9 war der Ofensetzer Paul Henke ansässig. Die Häuschen waren zu klein, um Geschäfte auszunehmen.

Ganz links das große Haus (mit Türmchen) auf dem Bild 01 ist die Nr. 1a, in der sich ein Schokoladen-Geschäft von Bruno Clauß, das Seifengeschäft Seibt und der Friseur Louzil befanden. Herr Seibt hatte wirklich nichts anderes als Seife in allen Varianten und Waschpulver. Kinder gingen nicht gern zum Friseur, er hatte eine Haarschneidemaschine, die immer zwickte. Schokoladen Clauß, in Dresden gab es noch mehr Filialen, konnte natürlich gegen Ende des Krieges keine Schokolade mehr verkaufen, er musste sich mit Bonbons und Süßigkeiten über Wasser halten. Über Altstriesen kamen viele Arbeiterinnen und Arbeiter, die in den vielen Zigarettenfabriken weiter östlich arbei-teten, mit dem Fahrrad gefahren. Freitags, am Lohnzahltag, machten sie auf dem Heimweg oftmals bei Clauß Halt, um Süßigkeiten für die Kinder zu kaufen.


Bild 01- Markgraf-Heinrich-Str. 13


Auf der anderen Straßenseite, den kleinen Häusern gegenüber, standen dreistöckige Häuser. In der Nähe noch stehender kleiner Häuser durften laut Striesner Bauregulativ nur dreistöckige Häuser in geschlossener Bauweise errichtet werden, und das war hier vorschriftsmäßig auch geschehen. In diesen Häusern waren auch Geschäfte angesiedelt. Nennenswert ist in der Nr. 8 die "Cigarettenfabrik Hünig", die von Georg Hünig betrieben wurde.

In Richtung Eilenburger Straße stand ein Eckhaus (Eilenburger Straße 3) mit der Gaststätte "Zur Erdkugel", die allgemein "Kuller" genannt wurde. Dort ging es manchmal hoch her. In der "Kuller" wurde manche politische Diskussion geführt. Auch spielte man dort Karten und holte über die Straße Bier. Weiter unten folgt noch ein Bild, auf dem aus der Ferne die "Erdkugel" zu erkennen ist. Das Lokal "Zur Erdkugel" mit Stehbierhalle und als Verkehrslokal der Kommunisten sorgte oft für Spannung auf dem geräumigen Platz. Öfters rauschten die Überfallwagen der Polizei heran, die Beamten sprangen von den Fahrzeugen und schlugen gleich auf alle Anwesenden ein, die fluchtartig in allen Richtungen verschwanden. Viele Demonstrationszüge vom Stahlhelm, dem Reichsbanner (SPD) und der Kommunisten - vorweg mit Frauen und Kinderwagen - gaben sich ihr Stelldichein. Die Nazis mieden den Platz und zogen ihre Parolen brüllend durch die Schandauer Straße, was sich nach 1933 änderte.



Bild 01a - Gaststätte Zur Erdkugel


Die Eilenburger Straße bildete einen weiteren Zugang nach Altstriesen. Bis auf die Nummern 9, 11 und 13 herrschte hier schon eine geschlossene Bauweise vor, da die zuvor hier stehenden kleinen Häuser abgerissen worden waren. Über die Nr. 13 gibt es einiges zu berichten, da hier in unmittelbarer Nähe von Altstriesen ein Handelsgärtner ansässig war. Die anderen bekannten Handelsgärtner befanden sich weiter weg auf der Borsberg- und Geisingstraße. Als die Reihenhäuser auf der Wormser Straße gebaut wurden, verkaufte der Handelsgärtner Friedrich Hermann Walther und Eigentümer der Nr. 13 Land und erwarb das hinten an die Gärtnerei grenzende Grundstück Wormser Straße 74, in dessen Hof sich später die Hutfabrik Karras befand. Um 1912 hat Friedrich Hermann Walther die Gärtnerei, die ihr Gelände zwischen Eilenburger und Wormser Straße hatte, verpachtet und erwarb in Gruna ein Grundstück (Liebstädter Straße 21), wohin er mit seiner Familie zog.

Bild 02 - Eilenburger Str. 13

Im Gehöft Nr. 13 stand eine große Linde (Bild 2), unter der die Kinder gern lagen und im Geäst die Vögel beobachteten. Die Ehefrau von Hermann Walther zog früh morgens oftmals mit einem Handwagen voller Gemüse zum Altmarkt, wo sie das frische Gemüse schnell an die Stadtkundschaft verkaufen konnte. Dann ging es wieder zurück. War sie sehr müde, so musste ihr Sohn, der sie begleitete, sie im Handwagen sitzend ziehen. Ein Hochgenuss für die Kinder war ein Schmalzbrot von den Eltern und eine frisch aus der Erde im Garten gezogene Porreezwiebel, die im Wasser des Wasserfasses schnell gewaschen wurde.

Um 1900 lebte im Grundstück Eilenburger Straße 13 eine Familie Herrich mit drei oder vier Töchtern. Ihr Vater war Postkutscher, ein damals noch üblicher Beruf, später Briefträger. In den kleinen Dorfhäusern nebenan (Nr. 11) wohnte auch der Schuster Hofmann, der eine kleine Werkstatt hatte. An Winterabenden erzählte er oftmals Geschichten, denen die Kinder in der Werkstatt hockend gern zuhörten. Rechts neben der Nr. 13 wurde später ein großen Haus (geschlossene Bauweise in Striesen) errichtet, in dem sich ein Frisiersalon befand. Auch dieses Haus brannte beim Luftangriff ab.

Im Zweiten Weltkrieg war die Gärtnerei an einen Herrn Frederick Jensen und seine Frau verpachtet, die ein Blumengeschäft auf der Blasewitzer Straße Ecke Augsburger Straße hatten und auch dort wohnten. Auch wohnte zu dieser Zeit in der Nr. 13 Willy Walther, der Sohn von Friedrich Hermann Walther mit seiner Frau und drei Töchtern. Die Jensen wurden auch am 13. Februar ausgebombt und bewohnten anschließend zeitweise das Gewächshaus der Gärtnerei auf der Eilenburger Straße. Der alte Gutshof auf diesem Grundstück fiel auch den Bomben zum Opfer. Im Jahre 1955 verkaufte die Erbengemeinschaft Walther das Ruinengrundstück einschließlich Gärtnerei und die Wormser Straße 74. Gegenüber den kleinen Häusern befand sich das Grundstück Eilenburger Straße 6 mit dem Fischgeschäft Max Wahl und der Schuhfabrik Miersch im Hintergebäude, in dem sich auch weitere Produktionsstätten (Riecke & Heinze und Arthur Malchin & Co.) befanden. Die Altstriesner hatten es oftmals nicht weit zur Arbeit.

[Bearbeiten] Und nun auf den Platz

Wir gelangen nun auf den Platz Altstriesen, der zuerst als Dorfplatz bezeichnet wurde und 1889 den Namen Wettinplatz trug, später Markgraf-Heinrich-Platz und Altstriesen hieß, und biegen am Geschäft Schokoladen-Clauß nach rechts. Auf der Nordseite standen ganz früher kleine Dorfhäuser, die aber am Ende des 19. Jahrhunderts durch vierstöckige Stadthäuser (Wettin-Häuser), 1889), die ersten Häuser in Striesen in geschlossener Bauweise, ersetzt wurden. Die Tagespresse klagte damals: "Noch steht ein Stück vom alten Striesen um den Markgraf-Heinrich-Platz herum, doch seine Tage sind gezählt. Schon beginnt von der Wormser Straße her das neue Striesen vorzudringen." Die Wettin-Häuser wurde beim Angriff auf Dresden zerstört, später die Ruinen gesprengt und der Schutt abtransportiert. Heute stehen fast genau, mit den Rückseiten dem ehemaligen Platz zugewandt, neue Häuser (Altstriesen 19 bis 33) auf den alten Vorderhaus-Grundstücken. In den hinteren Gundstücksgebieten befinden sich die Zugänge zu den jetzigen Häusern.

Bild 03 - Altstriesen, Nordseite

Das Bild 3 zeigt die Wettin-Häuser mit einer Baulücke, in der noch einige alte Häuser (auch Bauerhöfe) zu sehen sind, die auch einst die Nordseite einmal umsäumten. Zwei Häuser aus dieser Zeit stehen hier noch, offenbar wollten die Eigentümer ihre Grundstücke nicht verkaufen. Ganz rechts sieht man das große Haus (mit Türmchen) von Schokoladen-Clauß, weiter rechts die Markgraf-Heinrich-Straße mit vorn rechts der Gaststätte "Zur Erdkugel".

Unser Bild 4 zeigt die Wettin-Häuser (Nr. 21 bis 29) in geschlossener Bauform, rechts ist die oben erwähnte Baulücke zu erkennen, denn das Haus Nr. 31 fehlt noch. Diese Baulücke ist auf dem nächsten Bild (Bild 5) bereits mit dem Haus Nr. 31 geschlossen (um 1912). Dieses, etwas später gebaute Haus verfügte über für die damalige Zeit bereits moderne und auch größere Wohnungen und wurde von "besseren Leuten" bewohnt. Unten in den beiden Geschäften waren ein Tabakwarenhändler (Max Schulze) und die Papierhandlung Karoline Kalibabky zu finden.

Bild 04 - Altstriesen, Nordseite, Wettinhäuser Nr. 21 bis 29

Bei Frau Kalibabky kauften die Altstriesner Schulkinder ihre Hefte und Stifte. Ihre Ladentür war mit einer Klingel verbunden, die durch ein schrilles Klingeln auffiel. Das nahmen die größeren Kinder gern zum Anlass, schnell einmal die Ladentür zu öffnen, ohne selbst einzutreten und nur damit das schrille Klingeln die Ladenbesitzerin erschreckte. Ein derartiges ungebührliches Verhalten konnte natürlich Folgen haben. Frau Kalibabky kannte die meisten Kinder und konnte sich bei den Eltern ob dieses Verhaltens beschweren.

In Altstriesen 33 war die Fleischerei Elsa Dietrich angesiedelt, die von vielen Altstriesnern aufgesucht wurde. Der Vorgänger war der Fleischermeister Max Siegbert Kunze, der auch der Hauseigentümer war. Hier erhielten die Kinder von ihren Eltern auch manches Wiener Würstchen gekauft. Wurstzipfel erbetteln und beim Bäcker Kuchenränder holen - das war für die Kinder eine beliebte Beschäftigung, den kleinen Hunger zu stillen. Später gab es diese begehrten Dinge nicht mehr umsonst, man musste dafür 5 Pfennige bezahlen.

Die zuerst gebauten Wettin-Häuser (Altstriesen 21, 23, 25, und 27) waren mit vorwiegend 3-Zimmer-Wohnungen mit Küche und Korridor ausgestattet. Die Toiletten wiesen bereits eine Wasserspülung auf - ein großer Fortschritt gegen über den Trockenklos (Plumsklos) in den zuvor hier stehenden alten Dorfhäusern und in den Dorfhäusern auf der Südseite. Allerdings befanden sich die WCs außerhalb der Wohnungen auf halber Treppe. Auch ein Bad fehlte noch in den Häusern.

In Altstriesen 25, 4. Etage, wohnte Gertraude Streubel (Jg. 1928) bei ihrer Oma zusammen mit ihren Eltern. Sie ging in die 25. Grundschule am [Pohlandplatz] ([Pohlandschule]), die im Kriege zu einem Lazarett wurde, so dass sie bis Schulende die Junghansschule besuchte (Hans-Schemm-Schule). Sie berichtet: "Am 31.03.1943 kam ich aus der Schule und musste ein Jahr in das Pflichtjahr zum Bauern oder in eine Familie mit wenigstens drei Kindern, denn sonst gab es keine Lehrstelle. Ich wollte zu einem Bauern, doch der Arzt meinte, ich sei noch zu schwach für die Landwirtschaft und meine Oma sagte einfach: Die siehst aus wie eine angeputzte Bohnenstange! Also kam ich zu einer Familie mit drei Kindern. Von morgens 8.00 Uhr bis abends 18.00 Uhr bekam ich 12 Mark im Monat. Ich hatte Glück, die Kinder waren 9 (Jochen), 7 (Anne) und ein Jahr (Christoph) alt. Es war eine sehr nette und anständige Familie. Die Kinder machten zwar mit mir, was sie wollten - ich war ja auch gerade mal 14 Jahre - aber ich lernte etwas für das Leben. Zu Hause waren nämlich Oma und Mutti, und ich war bis dahin ein verwöhntes Einzelkind. Nach einem Jahr konnte ich Brot abschneiden und verschiedenes mehr, was ich dann später in meinem Haushalt gut gebrauchen konnte. Die beiden großen Kinder sind mir allerdings beim Spazierengehen mit Roller oder Puppenwagen davon gefahren. Aber als das Jahr zu Ende war, haben wir alle gemeinsam etliche Tränen vergossen. Ich sollte dort bleiben. Ich wollte aber Technische Zeichnerin werden und kein Dienstmädchen.

Bild 04a - Altstriesen 25. Hinterhaus, Gertraude Streubel

Also fing ich am 1. April 1944 bei Zeiß-Ikon eine Lehre als Technische Zeichnerin an. Wir waren der zweite Jahrgang, in dem auch Mädchen ausgebildet wurden. Dem voraus ging natürlich eine Eignungsprüfung. Ich musste einen Aufsatz mit verschiedenen Wörtern und Begriffen ergänzen, eine Gans und ein Fahrrad zeichnen und einen Würfel aus verschiedenen Teilen wieder zusammen setzen. Das Letzte ging allerdings schief. Trotzdem durfte ich am 1. April 1944 um 7.00 Uhr in der Lehrwerkstatt im Ernemann-Werk am Pohlandplatz zum Appell im Schlosseranzug antreten. Meine Lehre begann.

Mein lieber Paps war Ofensetzer und meine Mutsch im Kriegseinsatz bei der Post als Briefträgerin. Drei Jahre Lehrzeit teilten sich auf in ein Jahr Lehrwerkstatt, das in zwei Halbjahre getrennt wurde, und in zwei Jahre in der Konstruktion. Am 1. April 1944 begann somit das erste Halbjahr in der Lehrwerkstatt mit dem schönen Titel „Eisen erzieht”. Wir waren eine Muster-Lehrwerkstatt und mussten besonders gut sein. 93 Jungen und sieben Mädchen versuchten, ihr Bestens zu geben. Ohne dieses Praktikum hätte ich mir später nicht so gut die Werkstücke vorstellen können, die ich dann zu zeichnen hatte. Auch wir Mädchen mussten feilen, fräsen, bohren und auch schmieden. Am 1. Oktober ging es dann in die Konstruktion. Das Konstruktionsbüro war am Altenberger Platz. Ich landete in der Kinomaschinen-Konstruktion, meine Freundin Uschi in der Kameraabteilung. Wir beide kannten uns schon vor der Lehre aus den Jungmädchen-Nachmittagen, und unsere Mütter kannten sich aus der Mütterberatung."

In der Nr. 25 hatte der Schuhmacher Pfüller seine Werkstatt. Er versprach den Mädchen aus der Umgebung, für sie goldene Schuhe anzufertigen. Daraus wurde aber nichts. Weiterhin war dort ein Geschäft (Bruno Michel) mit Molkereierzeugnissen zu finden. Im zweiten Hintergebäude hatte der Tischler Alfred Gey seine Werkstatt.

Bild 05 - Altstriesen, Nordseite

Die Anschlagsäule vorn auf dem Bild 5 zeigt ein Plakat von der [Hygieneausstellung] 1911 in Dresden. Links unten ist ein kleines Häuschen zu sehen: eine öffentliche Bedürfnisanstalt, die als Erlwein-Bau errichtet wurde. Wenn man also voll des Weines oder des Bieres die gleich gegenüber liegende "Erdkugel" verlassen hatte, so konnte man hier nochmals Erleichterung finden, ehe man den Heimweg antrat. Es war ein einfaches Pissoir. Die Jungs vom Platz versuchten sich hier mit einem besonderen Spielchen, es bereitete ihnen Freude, zum Fenster hinaus zu pinkeln.

[Bearbeiten] Der alte Dorfplatz - der Kern von Altstriesen

Der Platz, um den sich das Straßendorf Striesen gruppierte, hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. An seiner Nordseite floss einmal ein Teil des Elbwassers durch einen alten Elbarm, und bei großem Hochwasser versuchte die Elbe, hier wieder durchzufließen. Als Rest des Elbarm war hier über längere Zeit der Landgraben zu finden, der sich auf dem Platz in kleine Teiche erweitere, auf denen sich allerlei Geflügel tummelte. Im Jahre 1876 wurde der [Landgraben] umgeleitet. Später bot der Platz für Gärten und die Anpflanzung von Bäumen, vor allem Obstbäumen, die zum Teil bis 1945 vorzufinden waren. Auch Pferdewagen wurden auf dem Platz gegenüber den Bauernhöfen abgestellt.

Der Gemeinderat beschloss im Jahre 1873, die Straßen nach amerikanischem Vorbild zu benennen. Die von Nord nach Süd verlaufenden Straßen wurden zunächst mit Zahlen, die von West nach Ost verlaufenden mit Buchstaben bezeichnet. So erhielt der Nordteil des Dorfplatzes den Buchstaben G und die Südseite H. Im gleichen Jahr wurde auch das Armenhaus abgerissen, das auf dem Dorfplatz stand und vom Volksmund Rattenpalais genannt wurde.

Bild 06 - Wettindenkmal

Im Jahre 1889 erhielt die Platzmitte anlässlich des 800ten Bestehens des Hauses Wettin ein Denkmal (Bild 6, Aufnahme nach dem Angriff)) in Form einer aufrecht stehenden Säule. Die Inschrift lautete: "Zur Erinnerung an die 800jährige Jubelfeier des Hauses Wettin. Die Gemeinde Striesen". Das [Wettin-Denkmal] hat den Angriff auf Dresden überstanden, wurde aber später abgetragen. Auch im Jahr 1889 wurde der Dorfplatz, der bis dahin keinen eigenen Namen hatte, in Wettinplatz getauft. Im selben Jahr wurde auch die geschlossene Bauweise in der Straße G genehmigt, so dass am Wettinplatz zunächst vier städtische vierstöckige Gebäude (Wettin-Häuser) errichtet wurden. Dazu mussten die kleinen alten Dorfhäuser auf der Nordseite abgerissen werden. Das lief nicht ohne Widerspruch, denn einige blieben zunächst noch stehen, die Nordseite konnte erst nach 1900 mit vierstöckigen Häusern geschlossen bebaut werden.

Auf dem Platz hin zur Nordseite wurde ein kleiner Gemüsegarten angelegt, dessen Erträge in einer kleinen Marktbude aus Holz auf dem Platz an die Altstriesner verkauft wurden. Die Marktbude ist auf Bildern deutlich zu sehen. Kurz vor dem Angriff wird die Marktbude von einem Kaufmann Leonhardt betrieben. Die Bude steht nun mehr auf dem Fußweg gegenüber den Wettin-Häusern. Die Markthalle war ein beliebter Treffpunkt der Altstriesner, wo man einen Schwatz machen konnte. Ein Teil des angebotenen Gemüses stammte aus dem Garten auf dem Platz. Auch für die Kinder bot sich manche Möglichkeit, um eine saure Gurke aus den Gurkenfässern zu entwenden, die vor der Markthalle im Freien standen und oftmals unbeaufsichtigt waren.

An dieser Stelle sollen auch ambulante Händler erwähnt werden, die in Altstriesen ihre Waren anboten. Sie traten meist mit Pferdefuhrwerken auf und verkauften Gemüse und auch Jungbier, das nach einer gewissen Lagerzeit zu Hause noch schmackhafter wurde. Auch die Eisfabrik Hippe von der Grundstraße kam bis hier mit einem Pferdegespann und verkaufte großem Eisblöcke und Stücke davon, die die Altstriesner in ihre Eisschränke legten, damit sie Esswaren länger lagern konnten. Manch Kind erwischte beim Abhacken der Eisblöcke auf gewünschte Länge ein Stück Eis und lutschte daran.

Gegen Ende des 20. Jahrhunderts erhielt der Platz, der nun den Namen Wettinplatz trug, eine neue Bezeichnung: Markgraf-Heinrich-Platz, die er beibehielt, bis er in den 30er Jahren in Altstriesen erneut umbenannt wurde. Auf dem Platz Altstriesen fand sich vor dem Krieg hin und wieder ein Zirkus ([Zirkus-Scholloni]) ein, der neben dem Wettin-Denkmal sein kleines Zelt aufbaute und die Einwohner, besonders die Kinder, mit seinen Vorstellungen erfreute. Die Darbietungen waren meist artistischer Art, Tiere waren weniger vertreten. Während eines Gastspiels soll auch ein Artist vom Trapez gefallen und tödlich verunglückt sein. Auch Artisten kamen mit Tanzbären und zeigten ihre Künste auf dem Platz.

Auf dem Platz fanden sich auch gelegentlich eine Luftschaukel und ein kleines Karussell, das von Ponys gezogen wurde, zur Belustigung der Kinder ein. Auch veranstaltete die Schalmeienkapelle des Rotkämpferbundes an Sonntagen zwischen 12 und 13 Uhr bis 1933 am Wettin-Denkmal ihre Platzkonzerte, ein Grund für die Kinder, den Kindergottesdienst in der Versöhnungs- oder Erlöserkirche zu schwänzen. Fußballspielen auf dem Platz war für die Kinder wegen der Passanten vor den Wettin-Häusern nicht erlaubt. Wurde trotzdem gespielt, so wurde der Ball vom Polizisten weggenommen. Obwohl es in Altstriesen für die Versorgung der Bevölkerung genügend Einzelhandelsgeschäfte gab, zog es auch Straßenhändler mit ihren Handkarren zum Platz und in die angrenzenden Straßen. Sie boten Obst, Gemüse, Kartoffeln, eingelegte Gurken und andere zeitgemäße Waren an. Feste Verkaufsplätze durften nicht bezogen werden.


Im Sommer des Jahres 1943 entstand eine erhebliche Unruhe auf dem Platz Altstriesen. Bautrupps rückten an, und es regte sich eine emsige Bautätigkeit. Der bis dahin mit Wiesen, Bänken und dem Wettin-Denkmal bebaute Platz Altstriesen wurde vollkommen umgestaltet. Der östliche Teil des Platzes erhielt einen Bunker (Splitterschutzgraben), um die Bevölkerung speziell der kleinen Häuser, die keinen Keller besaßen, im Falle eines Luftangriffs aufzunehmen. Der Bunker war nicht sehr tief und konnte bestenfalls vor Brandbomben und Splittern schützen, einen Volltreffer hätte er nicht ausgehalten. Während des Luftangriffs auf Dresden fanden viele Altstriesner, vornehmlich aus den kleinen Dorfhäusern der Südseite, Schutz vor dem Bombenabwurf.

Im Splitterschutzgraben hatten sich bereits beim ersten Luftangriff am 13. Februar 1945 viele Leute aus der näheren Umgebung eingefunden. Durch die Tage vorher statt gefundene Schneeschmelze stand im Keller das Wasser etwa 10 cm hoch. Jemand hatte sogar seine Ziege mitgebracht, die mitten im Gang stand, der durch eine ständig flackernde Lampe spärlich erhellt wurde. Die Ziege stammte, wie sich später herausstellte, aus dem Gut Müller/Karger, Altstriesen 18. Die Leute aus dem Grundstück waren auch mit im Splitterschutzgraben. Die Bewohner aus den Häusern Altstriesen 4, 8, 10, 12, 14, 16 und weitere hatten ebenfalls Schutz im Splitterschutzgraben gesucht. Der Graben war voll, einige wurden auch abgewiesen. Im Splitterschutzgraben haben die Altstriesner die ganze Nacht verbracht, auch den zweiten Luftangriff nach Mitternacht.

Auf dem westlichen Teil des Platzes wurde ein Wasserbecken errichtet, das Wasser für Löschzwecke bereitstellen sollte. Es fasste rund 2400 Kubikmeter Wasser. Das Wasserbecken erwies sich beim Angriff auf Dresden als nutzlos. Es wurde nach dem Angriff mit viel Mühe wieder entfernt, ebenso wie das Wettin-Denkmal. Man entschied sich für eine damals recht akzeptable Platzgestaltung mit Wiese, Blumen und Bänken. Nach 1965 wurden leider auf dem Platz Unterkünfte - Garagen - für das liebste Kind des DDR-Bürgers, das Auto, errichtet, und vom Platz ist heute nichts mehr zu erkennen.


[Bearbeiten] Weitere Bilder vom alten Dorfplatz (Nordseite)

Das nächste Bild (Bild 7) stammt aus dem Jahre 1897 und zeigt einen Teil der Platzgestaltung. Hier sind stattliche Bäume in größerer Anzahl vorzufinden. Links sieht man das Wettin-Denkmal. Weiter links hat man einen ersten Blick auf die kleinen Häuser aus dem Dorf Altstriesen auf der Südseite, die in den Kriegsereignissen aus dem Jahre 1813 abbrannten, danach wieder in ihren alten Grundrissen aufgebaut wurden und bis zum Luftangriff auf Dresden am 13. Februar 1945 so bestanden haben. Deutlich ist die Bauweise der Häuser mit den Giebelseiten zum Platz bzw. zur Straße als Langdorf oder Straßendorf zu erkennen.

Bild 07 - Altstriesen, Platz mit Bäumen (1897)


Hinter dem linken Baumstamm sieht man an einem Haus (Altstriesen 10) die Aufschrift "Restaurant am Wettinplatz". Der damalige Gastwirt war Bruno Lose, der Nachfolger der Restauration Rückert. Im Jahre 1944 trug das Haus den Namen "[Striesner Ratskeller]", obwohl Striesen gar kein eigenes Rathaus hatte. Man nahm es mit der Bezeichnung nicht so genau.

Bild 7a - Altstriesen 27. Ehepaar Schwarze

Bild 08 - Altstriesen um 1917, links Dorfhäuser der Südseite

Das nächste Foto (Bild 8) ist einige Jahre jünger (1917). Man erkennt, dass sich im östlichen Teil des Platzes Gärten befanden, dann folgte eine Durchfahrt und Zweiteilung des Platzes. Dahinter sind Bäume mit dem nicht sichtbaren Wettin-Denkmal zu sehen. Ganz links sieht man ein Bauerngrundstück (Altstriesen 18) mit einem Taubenschlag. Es ist ein altes Bauerngut. Weiter folgen die kleinen Dorfhäuser mit dem Restaurant in Nr. 10. Auf der linken Seite ganz vorn schaut die Geisingstraße 4 hervor, gleich rechts davon ein Stück des Pultdaches der alten Striesner Schule. Ganz rechts sieht man ein Stück der Merseburger Straße: Zuerst kleine Dorfhäuser, dann aber schon ein großes vierstöckiges Stadthaus Altstriesen 3 mit der Giebelaufschrift Robert Schieberlein, Fuhrgeschäft.

Bild 09 - Altstriesen, Nordseite um 1917

Das nun folgende Foto (Bild 9) stammt auch aus dem Jahre 1917, diesmal mit einem Blick auf die Nordseite des Platzes mit den Wettin-Häusern aus Richtung der kleinen Häuser der Südseite gesehen. Die Markbude (Markthalle August Bär) links, die offenbar auch schon vor dem Bau der Wettin-Häuser in veränderter Form existiert hat, stand bis zum Angriff. In Nr. 23 befindet sich schon ein Bäcker (Weiß-Fein-Bäckerei Robert Lützner (Bild 10), zuvor Weiske. Später übernahm Arthur Troschütz die Bäckerei. Die Bäckerei wurde von Frau Troschütz nach dem Tode ihres Gatten im Jahre 1943 mit Hilfe des Meisters Härtel und des französischen Kriegsgefangenen Robert bis zum 13.02.1945 weitergeführt. Wohnung und Laden befanden sich im Erdgeschoß des Grundstückes Altstriesen 23, Backhaus und Backstube im Kellergeschoß bzw. im Anbau. Im zweiten Hinterhaus war eine mechanische Werkstatt (Schilling) zu finden.

Bild 10 - Altstriesen 23, später Bäckerei Troschütz


Das Leben in einer Bäckerei und der Betrieb einer Bäckerei waren kein Zuckerschlecken, wie Marianne Troschütz, die Tochter von Arthur Troschütz, erzählte. Das Geschäft hatte von Montag bis Sonnabend durchgehend von 6.30 Uhr bis 19.00 Uhr geöffnet. Danach musste der Laden noch gesäubert werden. Erst in den letzten Kriegsjahren wurde von 13.00 bis 15.00 Uhr eine Mittagspause eingelegt. Auch sonntags war der Laden offen, und zwar von 11.00 bis 13.00 Uhr. Troschützens hatten im Jahre 1920 geheiratet, und erst im Jahre 1942 konnten sie sich einen ersten gemeinsamen Urlaub leisten. Tochter Marianne musste vor der Schule kurz nach 6.00 Uhr zu einem Kunden nach Altstriesen 14 Brötchen austragen. Das musste sie ganz heimlich und unauffällig tun, denn vor Ladenöffnungszeit war eine Kundenbelieferung nicht erlaubt. Ihre Tante Marga, die in der Bäckerei den Haushalt führte, trug dann eine größere Runde etwas später aus, bis sich der Lehrling mit dem Fahrrad anschloss, der die weiter entfernten Kunden belieferte. Sonnabends früh hatte dann Marianne alle Kunden zu betreuen. Sie trug die Brötchen in einem Korb aus, aus dem die Kunden sogar ihre Brötchen auswählen konnten.

Weiter rechts in Nr. 27 sieht man ein Schild mit "Konsumverein Vorwärts", später Dresdner Lebensmittelgesellschaft mbH (Konsum). Das Milchgeschäft (Jarzumbek) und die Drogerie Arthur Reinsch waren in der Nr. 29 zu finden.

Auf Bild 10 sieht man das Grundstück Altstriesen 23 mit der Bäckerei Richard Lützner, später Troschütz. Rechts die Toreinfahrt gehörte auch noch zum Grundstück. Wenn man aus dem Grundstück Altstriesen 23 trat und die Straße zum Platz hin überquerte, so gelangte man etwa auf dem Fußweg auf die kleine Markthalle der Familie Leonhardt, in der Gemüse verkauft wurde. Leonhardts hatten hinter ihrer kleinen Markthalle auf dem Platz einen Gemüsegarten. Wir befinden uns jetzt am Ende der Wettin-Häuser. Das große Haus trägt die Nr. 21. Das kleine Haus davor die Nr. 19. In dieses Haus schlug beim Angriff auf Dresden eine Sprengbombe ein, vom Haus blieb nichts übrig als ein großer Trichter. Nach links führt die Straße zu den Nr. 1 bis 17 von Altstriesen und weiter zur Merseburger Straße.


[Bearbeiten] Altstriesen 1 bis 15 (ungerade Nr.) und Merseburger Straße

Der nordwestliche Ausgang von Altstriesen wurde relativ spät zur Tittmanstraße über die [Merseburger Straße] durchbrochen und bildete lange Zeit eine Sackgasse, in der auch das im Jahre 1350 erstmalig erwähnte [Vorwerk] gelegen haben soll, das dem Dresdner Große übergeben wurde. Lediglich war lange Zeit, bevor eine richtige Straße entstand, nur ein Weg vorhanden, der oft unter Wasser stand, und man musste erst Bretter legen, ehe man ihn benutzen konnte.

Die Häuser Altstriesen 1 bis 17 (ungerade Nr.) hatten keine anderen Häuser unmittelbar gegenüber. Zwischen ihnen und den Häusern mit den geraden Nummern auf der anderen Dorfseite befanden sich die kleinen Gartenanlagen links und rechts des Landgrabens. Diese Häuser glichen im Prinzip denen von der Südseite Altstriesens, ihre Giebelseiten waren zur Straße gewandt. Allerdings fehlten hier die größeren Bauerngüter.

Bild 11- Altstriesen 3 bis 15

Das Bild 11 zeigt eine Reihe der alten Dorfhäuser mit den ungeraden Hausnummern, wahrscheinlich die Nr. 3 bis 15. Das zweite Haus von rechts trägt ein Schild zwischen den Fenstern des Erdgeschosses und der ersten Etage. Es handelt sich offenbar um die Nr. 11 mit dem Elektroinstallateur Edmund Müller, der schnelle Hilfe bei Kurzschlüssen versprach. Das wurde von der Bäckerei Troschütz auch im Bedarfsfall getan. Die Kinder Marianne und ihr Bruder wurden von ihrer Tante Marga zum Elektriker geschickt: "Herr Müller kommen Sie schnell zu uns, Tante Marga hat einen Knall gekriegt!" Diese Geschichte wurde Marianne Troschütz immer wieder aufgetischt. In diesen Häusern arbeitete auch ein Mann, der auf einer Maschine sehr feine Kleider strickte. Frau Troschütz und ihre Schwester Marga trugen ein solches Kleid.

Bild 12 - Altstriesen 3, 4-stöck. Stadthaus

Das Haus Altstriesen 3 war an dieser Stelle von Altstriesen ein Kuriosum, es war nämlich unter den kleinen Dorfhäusern ein allein hoch aufragendes vierstöckiges Haus. Das Haus Nr. 3, wie auch die anderen bis zur Nr. 19, gehörten der Stadt Dresden, die hier offenbar die geschlossene Bauweise beginnen wollte. In Altstriesen 3 (Bild 12) hatte unten der Lebensmittelhändler Karl Neuhäuser seinen Laden, der Kunde beim Bäcker Troschütz war und zu dem auch die Bäckersleute zum Einkaufen kamen. Gegenseitig Kunde sein, so gehörte es sich unter guten Geschäftsleuten. Auch wohnte dort der Fuhrwerksbesitzer Ernst Schmale, der an der linken Giebelseite sein Schild angeschlagen hatte.

In der Nr. 5, wieder ein kleines Haus (Bild 12a), das ängstlich rechts neben dem großen der Nr. 3 stand, war die Fleischerei Hans Möller zu finden, die auch von den Bäckersleuten Troschütz in Kundengegenseitigkeit aufgesucht wurde. In diesem Haus wohnte auch Elisabeth Unruh, eine Schulkameradin von Marianne Troschütz, mit ihrer Mutter.

Bild 12a - Altstriesen 5, Familie Möller

Das einstöckige Haus Altstriesen 5 stand links neben einer Einfahrt in den Hof des Grundstücks, dahinter befand sich ein Schuppen mit dem PKW der Fleischerei und ein quer stehendes Gebäude, als Marstall (Papierrollen-Lager) bezeichnet, mit einer runden Uhr. Gleich rechts vom Grundstück stand das Haus Nr. 7, etwas zurückgesetzt, da sich vor dem Haus ein flacher Geschäftsanbau anschloss. Hinter dem Geschäftsanbau (Fleischerei Möller) befand sich im Erdgeschoss des Hauses eine Küche mit Ausgang in Richtung des Hauses Nr. 5. Die Nummer 5 musste sich etwas ducken, denn links neben ihr stand ein vierstöckiges Haus, sozusagen als Vorbote, wie Altstriesen nach Bauplänen einmal umgebaut werden sollte. Eigentümer der Grundstücke und Häuser von Nr. 1 bis 19 war die Stadt Dresden, die damit ihre Baupläne relativ einfach durchsetzen konnte.

In Nr. 5 wohnte Hans mit Frau Antonie und den Söhnen Günther und Siegfried im Erdgeschoss, in der ersten Etage Agnes Unruh mit ihrer Tochter Elisabeth und weitere Bewohner. Hans Möller ist im Einwohner-Verzeichnis 1935 und 1940 als Fleischer eingetragen und war als Soldat eingezogen. In Nr. 7 wohnte neben anderen Bewohner ein Schuhmacher Henze mit Frau und Schwester.

Bild 13- Altstriesen 1

Auf dem Bild 13 sieht man rechts die Autoreparatur Kurt Gunold im Haus Altstriesen Nr. 1. Links daneben beginnt die Merseburger Straße mit der Nr. 17. Dann folgen die Hausnummern 15 und 13, und es geht um die Ecke auf die Spenerstraße. Weiterhin sind auf dem Bild die Rückfronten der Häuser auf der Wormser Straße zu sehen.

Bild 14 - Blick aus der Merseburger Str. auf Altstriesen 1 und 3 (rechts)

Auf der Merseburger Straße 15 (Bild 14, zweites Haus von links) ist im Adressbuch von Striesen aus dem Jahre 1891 eine Schmiedemeister Märzdorf mit seiner Frau zu finden. Der Schmiedemeister bot seine Dienste für Bauarbeiten, Gasanlagen und Reparaturen an. Das Handwerk wurde in zwei Generationen gepflegt, um 1940 sind die Märzdorfs auf die Blasewitzer Straße gezogen. Das Haus neben Märzdorf, die Nr. 17, hat den Luftangriff auf Dresden überstanden, wurde aber trotz Denkmalschutz und Renovierung in den 1960er Jahren abgerissen. Auf dem Bild sieht man in die Merseburger Straße in Richtung Altstriesen und rechts das große Haus Altstriesen 3, diesmal von der anderen Seite.

Etwas entfernt vom eigentlichen Altstriesen, auf der Merseburger Straße 3, befand sich eine Tintenfabrik, die wieder mit kurzen Wegen für die Mitarbeiter verbunden war.


[Bearbeiten] Der Landgraben

Wenn wir nun uns weiter im Kreise nach links drehen und auf dem Platz bleiben, kommen wir zum Weg "[Am Landgraben]", der von Altstriesen aus in westlicher Richtung zur Spener- und Tittmanstraße führte und heute zum Teil noch erhalten ist. Die Bezeichnung "Am Landgraben" erinnert an den Landgraben (Entwässerungsgraben), der von Leubnitz kam, sich zwischen Seidnitz und Gruna mit dem Prohliser Landgraben (Gerberbach) vereinigte und über den Platz und dann weiter in westliche Richtung über die Haydnstraße bis zur Ziegelei an der Ziegelstraße vor Dresden führte. Dort mündete er in die Elbe. Es ist der Bereich eines alten Nebenelbarms, der sich durch erhöhten Grundwasserstand beim Hochwasser 2002 in Dresden bemerkbar machte.

Links und rechts dieses Weges "Am Landgraben" befanden sich kleine Gärten, und gleich am Anfang des Weges in unmittelbarer Platznähe lag sich das Grundstück Am Landgraben 4, das von einer mit Efeu bewachsenen Mauer umgrenzt war. Für die Kinder Altstriesens war dieses Haus mit Seitengebäude etwas unheimlich, selten war jemand von den Bewohnern zu sehen, und auch in das Grundstück gab es keine Einsicht. Im Haus Am Landgraben 4 wohnten drei ältere Damen, die sich offensichtlich selten draußen sehen ließen. Ihre Namen waren Anna Mailtzsch, Ida Melzer und Anna Kneus.

Bild 15 - Altstriesen, alte Schule am Landgraben

Wenige Meter weiter führte nach links ein Verbindungsweg zur Geisingstraße. Ging man in dieser Richtung auf dem Verbindungsweg, so gelangte man rechts kurz vor der Geisingstraße an das Grundstück Am Landgraben 3 (Bild 15), das die alte Schule von Altstriesen beherbergte. Die linke Ecke des Pultdaches hatten wir bereits auf Bild 8 gesehen. In der Schule, das Grundstück und das Haus gehörten der Stadt Dresden, wohnten Emma Hüttner und der Elektromonteur Helmut Müller mit ihren Angehörigen. Links daneben das rechte Haus des Grundstückes Geisingstraße 4, ein Dreiseitenhof, in dem sich das Fuhrunternehmen Bergt befand.

Das Dorf Striesen hatte ursprünglich kein Schulhaus. Berichten zufolge, unterrichtete ein Lehrer namens Wolf die Kinder in Bauernstuben und später in seiner Wohnung. Für seinen Unterricht erhielt er von den Bauern freie Kost und einige Groschen Schulgeld, das die Kinder mitbrachten. Das erste [Striesner Schulhaus] wurde von der Gemeinde im Jahre 1839 am Landgraben 3 errichtet. Das Schulhaus trug anfangs eine Inschrift: "Kommt Kinder, kommt, lernt Gottes Wort, - hier ist der rechte Ort, - Lernt Lesen, Schreiben, Rechnen auch. - Und Frömmigkeit nach Christen-Brauch."

Bei der Wahl des Schulstandortes entbrannte ein Streit unter den Striesnern. Die einen wollten, dass die Schule mehr in der Geisingstraße in Richtung Gruna steht, damit die Kinder aus Gruna und Seidnitz, die nach Striesen eingeschult wurden, es näher hatten. Die anderen stimmten für den letztendlich gewählten Platz, gegen den der Striesner Kleber, der auch im Gemeindevorstand war, und protestierte. Sein Gut lag dicht hinter der geplanten Schule, die ihm die Aussicht versperren sollte. Klebers Protest hatte keinen Erfolg.

Für den Unterricht wurde Johann Gottfried Müller mit festem Gehalt eingestellt, der vordem als Lehrer in Loschwitz und Blasewitz tätig war. Im Jahre 1866 wurde Müller nach 38jähriger Lehrertätigkeit in den Ruhestand versetzt. Ihm folgte der Oberlehrer Hermann Prüfer. Am 18. Mai 1865 wurde die Gemeinde Gruna, die bis dahin ihre Kinder nach Striesen zum Schulunterricht schickte, ausgeschult. Striesen selbst hatte zu diesem Zeitpunkt 126 Schulkinder, Gruna 43. Im Jahre 1869 bekam die alte Schule Konkurrenz, als auf der Tittmanstraße eine neue Schule gebaut wurde.

Bild 16 - Altstriesen 2 (rechts), links die alte Schule am Landgraben

Einen weiteren Blick (Bild 16) auf die Schule verdanken wir dem Dresdner Maler Julius Otto Fritzsche (1878 bis 1948). Das Bild aus dem Jahre 1936 zeigt den Verbindungsweg vom Weg "Am Landgraben" auf die Geisingstraße stoßend, die hier von der Borsbergstraße kommt und in einem Knick in den Platz Altstriesen einschwenkt. Rechts neben der Schule das Grundstück Geisingstraße 6 mit einem großen Tor. Diese Partie von Altstriesen bildete ein beliebtes Objekt zum Malen für Maler und Kunststudenten, die rasch ihren Zeichenblock auspackten und mit einigen Strichen das ländliche Idyll inmitten einer Großstadt festhielten. Hier stand anfangs der alte Ziehbrunnen, der den Ort mit Trinkwasser versorgte. Der Ziehbrunnen ist noch auf einer Zeichnung von [A. Zingg] aus dem Jahre 1801 zu erkennen.

Der Verbindungsweg stößt gerade auf das Grundstück Geisingstraße 1, dahinter quer stehend die Nr. 3 und nur als Giebelspitze vorhanden die Nr. 5, die als einziges Haus den Luftangriff auf Dresden überdauerte und heute abgerissen ist. In der Geisingstraße 1 wohnte ein Herr Schlechte, der den Kindern der Umgebung bei der Kirschernte eine Handvoll Sauerkirschen überreichte. Auf der linken Seite erkennt man das erste Grundstück von Altstriesen, die Nr. 2 (Flurstück 14, Bewohner Schumann und Gäbert). Aus der Geisingstraße 5 war die Familie Schöne bekannt. Bruno Schöne war Schlossermeister.

Bild 17 - Altstriesen 2 (1937)

Das nächste Foto (Bild 17, 1937) ist von der gleichen Stelle aufgenommen, an der auch der Maler stand, und man sieht, der Maler hat die Verhältnisse gut wiedergegeben. Nur diesmal hängt Wäsche der Familie Müller aus Altstriesen 4 im linken Grundstück (Gartengrundstück).


[Bearbeiten] Die kleinen Dorfhäuser auf der Südseite

Die kleinen Dorfhäuser auf der Südseite des Platzes stammten noch aus den Jahren nach 1813, als im Napoleonschen Krieg das Dorf Striesen bis auf wenige Häuser niederbrannte. Die Häuser wurden damals nach und nach in den alten Grundstücksgrenzen wieder aufgebaut, wozu auch die Sandsteine der Umgrenzungsmauern aus dem Großen Garten verwendet werden durften.

Bild 18 - Altstriesen, Blick aus Westen, links Nordseite

Das Bild 18 zeigt einen Gesamtblick auf Altstriesen aus Richtung Westen. Rechts kommt die Geisingstraße mit einer Kurve herein. Vorn rechts das Grundstück Geisingstraße 4 und links daneben die Nr. 2. Dahinter sieht man mit der Dachseite die alte Schule. Ganz rechts das Grundstück Geisingstraße 1, daneben nach links Altstriesen 2, dann weiter die Nr. 4 (Flurstück 13, Bewohner: Müller, Lehmann, Meier und im Hinterhaus Kohlenhändler Kurt Steglich) und bis zur Nr. 10 (Restaurant, hervortretend) sind die kleinen Dorfhäuser deutlich auszumachen.

Die Nr. 4 hatte einen großen Hof, der bis zum Hinterhaus zum Kohlenhändler Steglich führte und von den Kindern gern als Spielort benutzt wurde. Steglich hatte als Arbeiter einen Polen, der im Hinterhaus wohnte. In der Nr. 4 vorn wohnte auch eine Familie Müller, deren ältester Sohn Johannes (Hans) aus Pappe Flugzeugmodelle baute, mit denen die größeren Kinder spielen konnten. Die kleineren Kinder durften die Modelle nur an der Decke in der Küche hängend bestaunen. Hans sammelte auch Abzeichen des Winterhilfswerks und sprach dazu Leute an, die aus dem Filmtheater Gloria Palast auf der Schandauer Straße nach der Vorstellung nach außen traten und offenbar solche Abzeichen erworben hatten. Auf der linken Seite des Bildes ist die Reihe der Wettin-Häuser gut zu erkennen. Max Müller war zwar Bäcker, hatte aber dort keinen Laden.

Bild 19 - Altstriesen 8 (rechts) und 10

Das Bild 19 zeigt rechts das Grundstück Altstriesen Nr. 8 (Flurstück 11, Bewohner: Liebscher, Günsel, Thalheim). Rechts daneben befand sich eine Stellmacherei mit dem Stellmacher Alwin Emil Richter, Altstriesen 6 (Flurstück 12, Bewohner: Richter, Steglich, Riegel und Riese). Heute ist auf dem Grundstück Nr. 6 der Karosseriebau Thiele (Nachfolger Deicke) zu finden. Man sieht deutlich, dass Holz (Leitern) vom Nr. 6 am Haus Nr. 8 lehnen. Das war auch erlaubt, denn beide Grundstücke gehören dem Stellmacher Alwin Emil Richter.

Neben der Stellmacherei betrieb Herr Richter auch einen Räucherofen, der gern von den umliegenden Bauern genutzt wurde. Dort landete so mancher Schinken nach dem Schlachten im späten Herbst oder im Frühjahr, um mit Buchenspänen geräuchert zu werden. Emil Richter hatte gegenüber in Richtung Landgraben einen Garten, in dem einige alte Obstbäume standen. Herr Richter hatte sich im Garten einen kleinen Bunker gebaut.

Das Haus Nr. 8 war auch im Jahre 1813 abgebrannt und wurde 1818 wieder aufgebaut. Dabei fügte man in den Giebel des Hauses drei Napoleonische Kanonenkugeln ein. Hier wohnten Liebscher, Thalheim und Günsel. Das weiter links stehende Haus gehört bereits zum Grundstück Altstriesen Nr. 10 (Flurstück 10a, Bewohner: Naumann, Marciniak, Birkenbusch).


Bild 20 - Altstriesen 8, Giebel mit Kanonenkugeln

Auf dem nächsten Bild (Bild 20, 1944) ist nochmals die Nr. 8 zu sehen, diesmal ohne anlehnende Hölzer. Vor dem Haus steht Wolfgang Weise, aus dem Fenster schaut Frau Elisabeth Thalheim mit Heinz Bergmann (Altstriesen 12) heraus. Frau Thalheim war als liebe Pflegemutter bekannt, die Kinder tagsüber betreute, während ihre Mütter zur Arbeit waren. Zu ihr gehörten drei Pflegekinder: Wolfgang Weise, der dauernd bei ihr wohnte, und Karlheinz Lose aus der Gaststätte sowie Heinz Bergmann aus Altstriesen 12, die beide nur tagsüber bei ihr waren. Kurt Thalheim arbeitete bei der Lötgerätefirma Barthel auf der Bärensteiner Straße, also nicht weit entfernt. Damals kamen noch die Arbeitsstellen zu den Arbeitnehmern, man hatte kurze Arbeitswege.

Diese drei Grundstücke Altstriesen 6, 8 und teilweise 10 sind auf der nächsten Aufnahme (Bild 21, 1937) sehr gut zu sehen. Sie wurde aus den Wettin-Häusern heraus gemacht. Ganz rechts ist das Haus Landgraben 4 zu sehen, unmittelbar darüber Altstriesen 6 (Stellmacher Richter, heute Karosseriebau Thiele). Die großen Häuser am oberen Bildrand sind links die Ecke Schandauer/Geisingstraße mit der Wettin-Apotheke und ganz rechts die Carlowitzstraße mit dem Reklamebild einer Teekanne an der Hauswand.

Bild 21 - Blick auf Altstriesen 6, 8 und 10 (von rechts)

Das nun folgende Bild 22 zeigt eine ganze Partie der kleinen Häuser. Ganz rechts die Nr. 8 mit den drei Kanonenkugeln, dann die Nr. 10 und der auch zur Nr. 10 gehörende Striesner Ratskeller (Familie Hans Lose). Im Jahre 1886 hieß die Restaurateurin und Eigentümerin noch Antonie Rückert, später wurde die Gaststätte unter dem Eigentum von Antonie Aehlig an Ernst Heinrich Herack verpachtet, ehe sie von Bruno Lose gekauft wurde. Das Bild (eine Postkarte) muss vor dem Krieg entstanden sein, denn im Krieg war Hans Lose eingezogen (und später gefallen), so dass die Gaststätte schließen musste. Die Tür- und Fensterläden waren daraufhin geschlossen. In der Gaststätte ging es im Gegensatz zur Erdkugel gegenüber wesentlich ruhiger und gesitteter zu. In die Gaststube gelangte man von der Straße aus ein oder zwei Stufen nach unten. Über der Gaststätte befand sich ein Saal, in dem auch örtliche Hochzeiten gefeiert wurden.

Bild 22 - Altstriesen 8, 10 (Ratskeller) und 12

Die Gaststätte trug im Laufe ihrer Geschichte verschiedene Namen. Mit "Gasthof Altstriesen" wird sie in einem Bericht zur Einweihung der neuen Schule in der Tittmannstraße 21 (Neustriesen, Straße 4) erwähnt. Am 24. März 1870 erfolgte die Einweihung der Schule. Zu Beginn des Festumzuges zum Schulneubau wurde zu einem Programm in den "Gasthof Altstriesen" eingeladen. Für die Einweihung der neuen Schule gab es sogar ein fein gedrucktes Programmheft. Am nun neuen Schulstandort sang der Altstriesener Gesangsverein "Liederhain", die Weihe nahm der "Consistorialrath Superintendent Dr. Kohlschütter" vor. Später wird die Gaststätte mit Restaurant "Am Wettinplatz", dann bis 1945 als "Striesner Ratskeller" bezeichnet.

Die Erdkugel, genannt Kuller, war nicht geeignet, die Striesner Handwerker und Geschäftsleute zum Stammtisch in seine Räume zu locken. Die sogenannten geschäftlichen Stammtische fanden immer am Mittwoch und am Sonnabend in den Abendstunden im "Striesner Ratskeller" statt. Hier wurden auch öfters die beliebten Schlachtfeste veranstaltet. Über die Straße wurden dann "Gallertschüsseln" (Eisbein) verkauft.

Ganz rechts sieht man einen Baum und einen Eckstein, der am Rande der Fahrbahn stand. Das Gebiet um den Baum und der Eckstein, der auch als schmale Sitzgelegenheit diente, bildete ein beliebtes Spielgebiet für die Kinder der Umgebung. Der Baum, ein Birnbaum, hat den Angriff auf Dresden überlebt. Seine saftigen und wohlschmeckenden Früchte waren in der schlechten Zeit nach dem Krieg stets willkommen. Leider steht der Birnbaum heute nicht mehr.

Weiter links ist das Grundstück Nr. 12 zu erkennen (Flurstück 9, Bewohner: Bergmann, Käppler, Schröder, Pischoff und Pohl). Im Erdgeschoß befand sich im 19. Jahrhundert eine Bäckerei Eduard Wilhelm Michael. Im Jahre 1891 hatte Michael die Bäckerei bereits aufgegeben und als Restaurateur in Dresden auf der Hechtstraße 63 sein Glück gemacht. Die Bäckerei führte der Bäckermeister Schwäbe weiter. Das Grundstück weist eine Besonderheit auf, es hat einen Durchgang zum Prinzengäßchen Nr. 3 (Flurstück 9a, Bewohner: Breiholz, Mende). Gerhard Bergmann war Elektriker und als solcher in der näheren Umgebung mit vielerlei Aufgaben sehr gefragt. Bekannt war auch aus diesem Haus die Familie Schröder, die durch eine große Kinderschar auffiel. Die Familie ist einige Jahre vor dem Angriff weggezogen.

Das Bild 23 (um 1930) ist vor dem Grundstück Nr. 12 aufgenommen. Hier kommt das Ehepaar Lina und Gerhard Bergmann gerade von einem Motorradausflug zurück. Das Motorrad ist ein Renner-Original mit Riemenantrieb. Auf diesem Grundstück stand nach dem Krieg ein kleines Holzhaus, in dem ein Herr Thomas mit seiner Frau wohnte. Eigentümer der Grundstücke waren Franz' Erben in Gaustritz bei Dresden. Der Bauer Franz hatte im 19. Jahrhundert in Altstriesen 16 gelebt und dort ein Gut betrieben. Vor dem Haus Nr. 12 lag ein größerer, gepflasterter Hof, zu dem man über ein Tor von der Straßenseite aus eintreten konnte. Vom Eingangstor aus gesehen, stand das Haus rechts. Auf der linken Seite befanden sich ganz flache und hintereinander liegende Gebäude. Das erste war ein Waschhaus, dann folgten aus Holz errichtete Außen-Trockenklos, typisch für viele Häuser der Südseite. Den Plumps-Klos folgten Schuppen, dann die Gärten.

Bild 23 - Ehepaar Bergmann vor Altstriesen 12 (um 1930)

In den Grundstücken hinter den Häusern waren Gärten anzutreffen, auch beachtliche Obstanpflanzungen mit alten Bäumen, zum Teil, wie hier in Altstriesen 12 (Bild 24), nur kleine Hausgärten. Auf Bild 25 hat sich gerade eine Kindergruppe aus der Umgebung im Grundstück Prinzengäßchen 3 (mit Durchgang zu Altstriesen 12) fotografieren lassen. Dort wohnte auch eine Familie Mende, deren Nachfahren auf der Hüblerstraße am Schillerplatz heute ein Blumengeschäft betreiben. Den Grundstein dafür legte nach 1945 Frau Mende, die kleine Blumensträuße aus dem Garten Prinzengäßchen am Schillerplatz verkaufte.

Bild 24 - Altstriesen 12, Hausgärten
Bild 25 - Kinder in Altstriesen 12 mit Durchgang zum Prinzengäßchen 3

Man sieht auch die rückwärtigen Giebel von Altstriesen 12 und links daneben der Nr. 10. Am rechten Bildrand, links neben dem Baumstamm, sind das linke Abschlußhaus der Nordseite, die Nr. 21, und links daneben das kleine Haus Nr. 19 zu erkennen. Dahinter sieht man gerade noch das Hochhaus auf der Wormser Straße.

Bild 25a - Altstriesen 12, Familie Bergmann Weihn. 1944
Bild 25b - Schuleinf 1944 von Heinz Bergmann
Bild 25c - Blick über den Platz, Lina Bergmann mit Sohn Heinz (stehend)
Bild 25d - Altstriesen 12, Ehepaar Bergmann im Garten

Gerade herüber von Altstriesen 12 steht hier Lina Bergmann (Bild 25c) mit Sohn Heinz (stehend) im Jahre 1941/42. Der Blick schweift über den unbebauten Platz in Richtung Schokoladen-Clauß und "Zur Erdkugel". Rechts neben der Frau ist sehr klein die öffentliche Bedürfnisanstalt zu sehen und ganz rechts, etwas unscharf die linke Kante des Hauses vom Lebensmittelhändler Kurt Büttner. Der Platz ist hier noch unbebaut, man hatte eine freie Sicht.

Das nächste Bild (Bild 26) zeigt die Grundstücke Altstriesen 12 (rechts mit der Laterne davor) und 14 (Fuhrunternehmen Kurt Kugler, Lehmann, Wendschuch, Loose, Schröter). Der hintere Teil dieses Grundstücks erhielt beim Angriff einen Sprengbombentreffer. Kurt Kugler betrieb ein Fuhrunternehmen, fuhr aber zum großen Teil Asche aus den Aschengruben der Umgebung ab. Dazu hatte er einen Traktor mit Anhänger. Auf dem Grundstück hinten konnte er gut umlenken. Seine Frau, Martha Kugel, war auch eine gute Seele der Gegend.

Bild 26 - Altstriesen 12 (rechts) und 14
Bild 27 - Altstriesen Nr. 16, linke Seite

Im nun anschließenden Grundstück Nr. 16 (Flurstück 7, Bewohner: Weichold, Harnack, Zachmann, Müller) befand sich die Autowerkstatt Max Kurt Weichold (Bild 28). Das Haus links hat 1813 die Feuersbrunst überdauert, den Angriff auf Dresden 1945 hat es aber nicht überlebt. Der Kraftfahrzeugmeister Kurt Weichold wohnte im Erdgeschoß des rechten Hauses nach dem Krieg noch einige Jahre, baute einen Teil der Garagen zur Nutzung durch Mieter wieder auf und betrieb eine Zeit lang eine Autoreparatur und ein Fuhrunternehmen. In den 60er Jahren musste er das Grundstück, wie auch die anderen Anlieger, laut Aufbaugesetz an die Stadt verkaufen, denn das alte Striesen sollte nicht wieder so aufgebaut werden, wie es einmal war.

Bild 28 - Altstriesen 16, Autoreparatur Weichold
Bild 28a - Altstriesen 16 Luftschutzübung 1934

Kurt Weichold betätigte sich auch sportlich, nicht in Striesen selbst, sondern in einer Sportgruppe in der Stadt, zu der auch Willy Wabnik gehörte. Willy Wabnik zählte zu einem Kuriosum. Er war Polizist und auch als Verkehrsregler in der Innenstadt eingesetzt. Willy Wabnik war nicht zu übersehen, seine Körpergröße erreichte ungefähr 2 Meter. Schon von weitem konnte man ihn sehen, und nicht nur im Dienst, sondern auch als Privatmann. Auf den Straßen, Plätzen, in Geschäften - überall fiel er durch seine enorme Körpergröße auf und ragte aus der Menschenmenge heraus. Seinen Arbeitsplatz hatte Wabnik unter anderem am Altmarkt, genau auf der Kreuzung Wilsdruffer Straße/Schlossstraße. Dort stand er auf einem mobilen weißen Podest und regelte den Verkehr per Handzeichen.

Bild 28b - Weichold in seiner Sportgruppe mit großem Wabnik

Bild 28b zeigt den großen Wabnik inmitten einiger Sportkameraden beim Freiluft-Training des DAC 1914 (die Jahreszahl gehört zum Sportclub). Bequem konnten sich seine Kameraden unter seine ausgestreckten Arme stellen, so auch Kurt Weichold.

Bild 29 - Altstriesen Südseite


Das Bild 29 stellt nochmals einen Überblick über die Südseite mit den Grundstücken Altstriesen 16 (links) bis 10 (rechts) dar. Auch das Wettin-Denkmal ist gut zu sehen. An der Gaststätte steht noch der Name Bruno Lose.


Bild 30 - Blick auf Altstriesen 16, Wettindenkmal
Bild 31 - Kino Gloria-Palast, Schandauer Str.

Auch einen Überblick, jedoch bis zur Schandauer Straße vermittelt das Bild 30 (1937), aufgenommen aus den Wettin-Häusern. Links steht das Wettin-Denkmal, weiter nach oben rechts das Grundstück Nr. 16, die Autowerkstatt Weichold. Es war einmal ein bäuerlicher Dreiseitenhof (Bauer Franz), dessen Aufbau noch gut erkennbar ist. Dahinter sieht man die Rückfront einer Partie der Schandauer Straße (Nr. 5 bis 9b). Ganz links erkennt man die gegenüberliegende Seite der Schandauer Straße. An der hierher gewandten Straßenseite befand sich das Kino "[Gloria-Palast]", das noch als Gasthof "[Zum Sächsischen Prinzen]" im Bild 31 dargestellt ist. Die Umgestaltung zum Kino erfolgte im Jahre 1926. Die Gemeinderatsversammlungen der Landgemeinde Striesen fanden, so berichtet es die Überlieferung, offenbar aus praktischen Gründen in einer Verbindung des Angenehmen mit dem Nützlichen in der Küche des Gasthofes "Zum Sächsischen Prinzen" statt.

Bild 32 - Altstriesen Löschwasser-Becken auf dem Platz (1944)

Bild 32 (1944) zeigt einen Blick aus dem Fenster (erste Etage) des Grundstückes Altstriesen 27 zum Platz Altstriesen mit dem [Löschwasserbecken], in dem sich bereits Wasser befindet. An den Seiten des Beckens sind noch Baueinrichtungen zu erkennen. Hinter dem Becken sind die kleinen Häuser von Altstriesen zu sehen. In Bildmitte (mit der Esse dahinter) das Grundstück Altstriesen 12, rechts daneben der Striesner Ratskeller (Altstriesen 10) und weiter rechts der schon erwähnte Birnbaum. Ganz links auf dem Bild sieht man ein Stück des Podests vom Wettin-Denkmal.

Bild 33 - Altstriesen, Nr 16, rechts Löschwasser-Becken

Das Bild 33 zeigt einen Blick aus demselben Fenster auf den Platz Altstriesen mit dem Löschwasserbecken. Hinter dem Becken sind wieder die kleinen Häuser von Altstriesen zu sehen. Ganz rechts mit der Esse dahinter das Grundstück Altstriesen 12, links daneben Altstriesen 14 und weiter links Altstriesen 16 mit der Autoreparatur Weichold. In Bildmitte sieht man das Wettin-Denkmal.

Bild 34 - Altstriesen 18, Gut Müller Karger

Als nächstes kommt Bild 34 mit Altstriesen 18 (Flurstück 6, Bewohner: Milchhändler Müller, Fiedler, Karger). Das Grundstück bewirtschaftete um 1886 ein Milchhändler Löwe, es gehörte Gottlieb Heinrich Strohbach in Röhrsdorf. Johann Heinrich Fiedler (1845 bis 1923) aus Niederfrankenhain (Thüringen) kaufte das Grundstück und bewirtschaftete es. Das Grundstück war für eine Gutswirtschaft eigentlich zu klein, so dass Tiere auch in anderen Gütern stehen mussten. So standen zum Beispiel 18 Pferde in Altstriesen 18, und 14 Pferde im Gut Geisingstraße 10.

Das Grundstück Nr. 18 war bis 1945 ein Bauerngut, das von den Familien Müller und Fiedler bewirtschaftet wurde. Johann Heinrich Fiedler (1845 bis 1923), der Begründer der Familie Fiedler in Dresden, stammte aus Niederfrankenhain, (Thüringen) und war als junger Mann aus Thüringen nach Dresden gekommen. Er wohnte mit seiner Frau Maria Auguste geb. Hegewald zunächst in Altgruna 4 und hatte vier Kinder (3 Söhne, eine Tochter). Johann Heinrich Fiedler hatte das Gut Altstriesen 18 im Jahre 1885 übernommen, aber von den Vorbesitzern keine Felder mehr erhalten, denn diese wurden von ihnen spekulativ als Bauland veräußert. So mussten die Fiedlers Felder zum Teil fernab von Striesen pachten. Die Fiedlers bestellten Felder im Ostragehege, später auch noch kleinere Felder zwischen den Fabriken im Striesner Osten. Auf dem Gut gab es Kühe, Kälber, Schweine und Pferde. Es war ein Dreiseitenhof mit einem Taubenschlag in der Hofmitte. Auf dem Hofgelände lebten neben den Tauben auch eine Hauskatze und ein Hofhund in vertrauter Gemeinsamkeit. Das Grundstück war für eine Gutswirtschaft eigentlich zu klein, so dass Tiere auch in anderen Gütern standen. So hatten standen einige Pferde Geisingstraße 10 bei Richard Friedrich Fiedler.

Hier wohnte auch der bekannte Heimatkundler Dr. Alfred Fiedler, ein Enkel von Johann Heinrich Fiedler. Die Familie Fiedler zog noch vor dem Luftangriff auf Dresden nach Klotzsche. Im Hof des Grundstücks stand ein großes Taubenhaus. Auch hier regte sich nach dem Angriff wieder Leben. Im hinteren Teil wurden Hühner und Schweine gehalten. Wie in allen kleinen Dorfhäusern ging man hier noch auf das Plumsklo. Müller/Fiedler hatten gegenüber ihrem Grundstück auf dem Platz einen Garten mit alten Obstbaumbeständen. Kinder konnten aus dem Garten, auf einer Kiste stehend, ohne Eintritt das Geschehen auf dem Platz verfolgen, wenn der Zirkus da war.

Alfred Fiedler erinnert sich an die damaligen Verhältnisse: "Nur bescheiden und doch lebensvoll hatte sich in dem Dreiseitenhof Altstriesen 18 die Landwirtschaft noch erhalten. Er gehörte meinem Großvater Heinrich Fiedler. Als er ihn um 1885 übernahm, gehörten dazu keine Eigenfelder mehr; die hatten die Vorbesitzer hübsch für sich behalten, um mit ihnen, wie schon erwähnt, zu spekulieren. Er vermochte nur Pachtfelder zu erwerben, und sie wurden innerhalb der ehemaligen Flur bei der regen Bebauung mit Wohngebäuden(nicht nur in offener Bauweise, sondern gar und erstmalig schon 1889 mit den am Dorfplatz errichteten Wettin-häusern in geschlossener Bauart) von Tag zu Tag seltener. Dass er schließlich gar in Loschwitz Felder pachtete, noch weiter entfernt gar am Dresdner Schlachthof, ferner die Wiesen zu Hosterwitz nutzte, rentierte sich schließlich nur, indem alles, was vom Hof geliefert wurde, unmittelbar seine Abnehmer fand.

Hier gab es also noch Kühe, Kälber und Schweine im Stalle, aber auch Pferde. Sie spielten in dem am Ort sich vollziehenden Strukturwechsel von bäuerlicher Wirtschaft zu Fuhrwesen, darin bei der rege vorangehenden Errichtung von Wohnbauten eine bemerkenswerte Rolle. Nicht weniger als 12 füllten den Stall im Wohnhaus, den Stall in der Scheune und das dahinter liegende Stallgebäude. Es war ein Bereich vollen Lebens vom frühen Morgen an bis in die Nacht hinein. Meine Eltern hatten hier im Erdgeschoß des Vorderhauses ihre kleine Wohnung, bestehend aus einem schmalen dunklen Küchenraum, einer Schlafkammer und einer sog. guten Stube, die nach der nahezu unverständlichen Mode der Zeit auch in kleinbürgerlichen Kreisen eine gute Stube sein musste, die trotz beengter Wohnweise recht eigentlich nur zu Festtagen, besonders nur zur Weihnachtszeit, genutzt wurde. Aber das war mir als Kind kein kritischer Umstand. Denn was gab es nicht alles gleich zu erleben, wenn ich aus den steingefliesten Hausflur in den Hof trat. Wenn nichts anderes, so nahm hier der unmittel bar vor dem Hause stehende Taubenschlag linker Hand mit seinen zahlreichen Inwohnern meine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch.

Wo gab es auch einen solchen Taubenschlag gleich wieder! Er ruhte auf einem festen Pfosten und den im oberen Teil abgehenden Streben und stieg bis über die untere Kante des Wohnhausdaches hinaus. Vom Flurfenster des ersten Stockes konnte man bequem in die einzelnen Wohnungen der Tauben hineinschauen, von denen der ganze Schlag, ein großer bedachter Würfel, jeweils auf jeder Seite 12 aufwies. Hier saß das meist immer beschäftigte Taubenvolk auf kleinen Vorbrettchen vor der Tür ihrer Wohnzellen, sonnte, schnäbelte, zankte sich und gurrte oder flog hinab zum Wasserbecken, das unweit des Schlages stand und sein Wasser aus der neben dem kleinen Vorgärtchen des Hauses stehenden Schwengelplumpe erhielt. Diese war ebenso wie der Taubenschlag ein beliebtes Motiv der gern sich einfindenden Maler und zeichnenden Schulklassen, die es natürlich auch auf die Tauben abgesehen hatten. Außer ihnen, im Höchstfalle 48 Paaren im Haupttaubenschlag, gab es noch andere, die ihre Wohnstatt gegenüber an Nachbars Hauswand in Form eines einfachen Kastens hatten. Ein solcher befand sich auch neben dem Eingang zum Stall im Scheunengebäude. Im übrigen hing auch einer für 2 Paare über der hinteren Haustüre, der einmal gar Lachtauben beherbergte."

Bild 35 - Altstriesen Südseite, links Schmiede Niederschuh Nr. 24
Bild 35a - Altstriesen 18, Frau Fiedler

Im Bild 35 sind die kleinen Häuser der Südseite und links vorn Altstriesen 24 (Schmiede Niederschuh), Nr. 22 (Flurstück 4, Bewohner: Kambach) und Nr. 20 (Flurstück 5, Bewohner: Watzky, Türke, Schröder, Garten und Sandvoß) zu erkennen. Herr Türke hatte in einem Stall eine Fahrradreparatur eröffnet. Im Giebel dieses Hauses waren auch drei Kanonenkugeln gut sichtbar eingemauert.

Paul Kambach war ein Rohproduktenhändler, zählte aber unter den Einwohnern als Lumpenhändler. Er betrieb in seinem Grundstück drei Wäschemangeln, genannt Rolle, die von den Frauen aus Altstriesen zum Glätten der Wäsche benutzt wurden. Er wohnte mit seiner Tochter nach dem Angriff auch auf dem Grundstück einige Jahre und hatte dazu das Erdgeschoß notdürftig ausgebaut. Jahre noch vor dem Luftangriff suchten die Briefmarken sammelnden jungen vom Platz beim Lumpenhändler im Altpapier nach Postsendungen, auf denen sich noch die Briefmarken befanden. Auch alte Geldscheine aus der Inflationszeit waren bei den Jungen beliebte Suchobjekte. Kambach ließ sie großzügig gewähren.

Bild 36 - Altstriesen 24, Schmiede Niederschuh
Bild 36a - Frau Sidonie Niederschuh mit Tochter Brigitte

Altstriesen 24 (Flurstück 3, Bewohner: Niederschuh, Wünsche, Glaser) war die Dorfschmiede (Bild 36, 1931), die als solche auch bis zum Angriff ihren Bestand hatte. Das Bild 36 zeigt Willi Niederschuh, den Dorfschmied, mit Sohn Kurt. Die Familie zog nach dem Angriff nach Schmiedeberg. Neben der reinen Schmiede wurde hier auch Karosseriebau betrieben, bei Bedarf geschweißt und vor allem für die Bauern die Pferde beschlagen. Dazu gab es auch ein richtiges Schmiedefeuer, das von den Kindern bestaunt werden konnte.

Von den Grundstücken Altstriesen 26 (Flurstück 2, Bewohner: Schröder, Richter, Cerny) und Nr. 28 (Flurstück 1, Bewohner: Flügel, Pfeifer, Hertel, Richter) sind leider keine Aufnahmen vorhanden. In der Nr. 26 wohnte eine weitere kinderreiche Familie Schröder, die acht Kinder hatte, und eine Frau Cerny, die ehemals ein Handarbeitsgeschäft betrieb. Das Haus Nr. 26 hatte vorn einen kleinen Vorbau mit Tür und Fenstern, in dem sich der Laden befand. Später konnte man dort einen Malermeister vorfinden. Der Vorbau vor dem Haus mit dem Laden ist auf einem Bild des Malers F. Rohland aus dem Jahre 1929 gut zu erkennen (Bild 37). An milden Sommerabenden saßen die Bewohner gern auf den Bänken vor ihren Häusern und pflegten einen ausgiebigen Dorfschwatz, der auch den Zusammenhalt der Anwohner festigte.

Bild 37 - Altstriesen 26, Maler F.Rohland (1929)

Das Haus Altstriesen 28 grenzte mit einer Seite unmittelbar an das Prinzengäßchen. Im Frühjahr konnte man weißen und blauen Flieder sowie Goldregen bewundern. Hinten im Hinterhaus wohnte der Rentner und Möbelpolierer Otto Flügel mit seiner Tochter Ida, die Wäsche mit Monogrammen bestickte. Frau Klara Zimmermann konnte feine Korbflecht-Arbeiten durchführen und Korbstühle reparieren. Der Versicherungsvertreter Bruno Hertel besaß zwei Flügel, von denen er einen aus Gründen der Deckenbelastbarkeit verkaufen musste.

[Bearbeiten] Das [Prinzengäßchen]

Dann folgte der Ausgang des Prinzengäßchens zum Platz. Von dort konnte man zur Schandauer Straße durchlaufen und zum Kino "Gloria-Palast" gelangen. Es war ein feines Kino, das im Jahre 1926 aus dem Gasthof "Zum Sächsischen Prinzen" durch einen Umbau entstand und bei den Striesnern sehr beliebt war. Viele können sich noch erinnern, als Kind dort die ersten Bekanntschaften mit dem Kinofilm gemacht zu haben. So auch Renate Petermann aus Altstriesen 30, die sich mit 14 Jahren und dem Hut der Mutter auf dem Kopf in Filme für 16 Jahr einschmuggelte.

Der Gasthof "Zum Sächsischen Prinzen" war das älteste Lokal in Striesen, das der Hofuhrmacher Johann Heinrich Naumann und seine Nachfolger betrieben. Die Erlaubnis für den Ausschank des Dresdener Stadtbieres stammt vom 2. April 1756. Der Gasthof, der anfangs eine einfache Schenke war, lag günstig an der Straße in Richtung Osten und Pillnitz und wurde von den "gemeinen Dresdner Klassen" gern aufgesucht. Im Jahre 1889 wurde der Gasthof um einen prächtigen Ballsaal ergänzt, so dass nunmehr auch größere Feste gefeiert werden konnten. In einer Werbung im Dresdner Anzeiger empfiehlt der Gasthof seine "geräumigen Restaurations- und Gesellschafts-Lokalitäten zur geneigten Berücksichtigung" mit fein dekoriertem Ballsaal und alle Sonntage mit starkbesetzter Ballmusik. Ausspannungen und Stallungen waren auch vorhanden, es brauchte niemand zu Fuß erscheinen.

Im Jahre 1926 erfuhr der Gasthof eine nachhaltige Veränderung, aus dem Ballsaal wurde ein Kino. Dazu musste umgebaut werden. Nunmehr trug der Gasthof die Bezeichnung "Gloria-Lichtspiele". Anfangs zeigte man noch Stummfilme, die von einer Musikkapelle klanglich begleitet wurden. Der Kinosaal zeichnete sich durch eine auffallende Ausstattung mit Lüstern, Vorhängen und Verzierungen aus und hatte auch einen Rang. Zu den Pächtern oder Kinobetreibern gehörte auch die jüdische Familie Gottfeld. Der Vater wurde im Krieg verhaftet. Neuer Pächter bis zum Angriff auf Dresden war die Firma Rumrich & Dietze von den Stephenson-Lichtspielen aus Leuben.

Im Prinzengäßchen 1, Erdg., wohnte die Familie Wünsche, die drei Kinder hatte. Der Jüngste Sohn Harald war der Freund von Heinz Bergmann aus Altstriesen 12. Beide spielten oft miteinander und sind mit auf Bild 25 (vorn) zu sehen. Der Angriff hat beide getrennt, sie haben sich nicht wieder gesehen.

[Bearbeiten] Nun zurück auf den Platz

Über ein Stück Prinzengäßchen gelangte man auch zum Grundstück Nr. 30 (Flurstück 75, Bewohner Futtermittelhändler und Fuhrunternehmer Otto Petermann, Gebler, Auras). Bild 38 (1935) zeigt ein Teil dieses Grundstückes mit dem Gang vom Platz zum Haus und Hof. Links das Haus mit der Aufschrift Möbel war eine Scheune des Petermannschen Gutes, die an ein Möbelgeschäft vermietet war und als Möbellager diente. Das Bild 39 (Anfang der 30er Jahre) zeigt einen Blick aus dem Grundstück zum Platz, wo man ganz in der Ferne die Wettinhäuser sieht. Der ältere Mann ist der alte Ringel, der gelegentlich bei Petermanns den Rasen mit der Sense schnitt. Die Grundstücke Nr. 28, 30 und 32 gehörten F. Karl Petermann, Elisenstraße 6, und seinen Brüdern.

Bild 38 - Altstriesen 30 - Gut Petermann

Die Familie Petermann war eine alt eingesessene Familie in Altstriesen, die in den geschichtlichen Nachweisen schon frühzeitig erwähnt wird. In den Wochenblättern der Kreuzkirche ist der Tod eines Johann Petermanns am 27. Dezember 1735 im Alter von 73 Jahren vermerkt. Ihm folgten wiederum ein Johann Petermann und ein Johann Gottfried Petermann.

Am 2. April 1756 wurde dem Hofuhrmacher Johann Heinrich Naumann und seinen Nachfolgern vom Kurfürsten Friedrich August die alleinige Erlaubnis erteilt, auf seinem Gute Dresdner Stadtbier zu verzapfen und zu "verschänken". Bis dahin kamen die Striesener offenbar ohne Wirtshaus aus, und sie brauten selbst Bier, das nach alten Dorfgesetzen im Reiheausschank ausgegeben wurde. Dieser hier genannte Petermann könnte der zuletzt erwähnte Johann Gottfried Petermann gewesen sein, dem am 18. Juni 1776 ein Sohn Johann Gottlieb Petermann geboren wurde. Seine Frau Anna Maria Hennig stammte aus Blasewitz.

Einen weiteren Hinweis findet man im Zusammenhang mit Kampfhandlungen zwischen der französischen Armee Napoleons und der russischen Armee im Jahre 1813. Dort heißt es: Einen Vorgeschmack auf die anstehenden Kampfhandlungen erhielten die Striesner am Sonntag Nachmittag, dem 23. August 1813, als vom Petermannschen Schankgute her der Ruf erschallte: "Die Kosaken kommen". Man rannte zur Pillnitzer Straße und sah aus Richtung Seidnitz kommend einige Reiter in blauen Uniformen, auf die ein französischer Posten schoss. Die Reiter verschwanden daraufhin rasch wieder. Am nächsten Morgen zogen sich Truppen der Verbündeten auf den Höhen von Räcknitz und Zschertnitz zusammen. Einige Striesner flüchteten nach Dresden, aber vergebens, die Stadttore waren schon geschlossen. Es ergaben sich Kampfhandlungen, durch die Altstriesen, auch die Petermannschen, Besitzungen, bis auf ein Haus abbrannte."

Nach dem Krieg 1813 wurden auch die Petermannschen Besitzungen wieder aufgebaut. Das Haupthaus wurde 1822 erbaut. Später erhielt das Grundstück die Nummer 30 (Brandkat.-Nr. 25) von Altstriesen und einen Torbogen, dessen Schlussstein das Jahr 1834 anzeigte. Der Wiederaufbau der Altstriesner Häuser nach dem Napoleonschen Krieg erfolgte Haus für Haus über eine länger Zeit, wobei auch Steine aus der Ummauerung des Großen Gartens verwendet werden durften. Das Wohnhaus von Altstriesen 30 bestand nachweislich zum großen Teil aus solchen Sandsteinen. Im Geschäfts- und Adressbuch 1886 ist Johann Friedrich Petermann als Guts- und Lohnfuhrwerksbesitzer in Altstriesen aufgeführt. In einer Anzeige empfiehlt er, unmittelbar neben dem Gasthof "Zum Sächsischen Prinzen" gelegen, einem geehrten Publikum von hier und Umgebung seine eleganten Wagen für Spazier-, Hochzeits-, und Kindtauffuhren zur gefälligen Benutzung an und verspricht billigste Preise und prompte Bedienung.

Johann Friedrich Petermann hatte mit seiner Frau Anna Maria 11 Kinder, von denen aber nur sechs das dritte Lebensjahr erreicht haben. Nach einem Reitunfall im Jahre 1901 hat seine Frau Maria die Gutswirtschaft aufgegeben und ein Fuhrgeschäft gegründet. Ein Stück Feld an der Gottleubaer Straße wurde an die Kirche verkauft, die den Striesener Friedhof somit bis zum Landgraben erweitern konnte. Später hatte Ernst Otto Petermann, im Erdgeschoß mit seiner (zweiten) Frau Maria und den Kindern wohnend, im Grundstück ein Futtermittelgeschäft.

In der zweiten Etage wohnte Margarete Petermann, die ledig war. Sie durfte ihre Liebe nicht heiraten, weil ein Fischhändler von der Schandauer Straße nicht standesgemäß für die Familie war. Abends lief sie durch die Petermannschen Grundstücke, um eine Petroleumlampe für die Außenbeleuchtung in Betrieb zu setzen. Ihr Erscheinung war bekannt: Pepita-Rock und -Tuch sowie hohe Schnürschuhe und Henkelkorb zum Einkaufen.

Bild 39 - Altstriesen 30 mit Ausgang zum Platz
Bild 39a - Altstriesen 28

Das Bild 40 zeigt einen Blick aus einiger Entfernung aus dem Prinzengäßchen aus Richtung Schandauer Straße auf Altstriesen 32 (Flurstück 73, Bewohner: Lebensmittelhändler Büttner, Bittner, Mertig) mit einem Colonialwarenladen, dem späteren Lebensmittelhändler Büttner. Links steht das Haus Altstriesen 28, das schon erwähnt wurde.

Bild 40 - Blick aus dem Prinzengäßchen auf Altstriesen 32 (Kaufmann Büttner)

Zum Petermannschen Grundbesitz gehörten die Grundstücke Altstriesen 28, 30 und 32. Das Haus Nr. 30 war nur teilunterkellert. Der vordere Keller war ein Gewölbe. Es wurde zur Einlagerung von Kartoffeln, Gemüse, Nahrungsmittel und Obst benutzt, da es ja noch keine Kühlschränke gab. In den Gärten hinter den Häusern wuchs sehr viel Obst an, das auch an die Hausbewohner 28, 30, 32 verschenkt wurde. Ein Teil wurde eingekellert und befand sich in Stiegen und Kisten.

Das Grundstück Altstriesen 32 wies einen Laden auf, der anfangs vom Ehepaar K. Hünig betrieben wurde und dann vom Schwiegersohn Kurt Büttner übernommen bis zum Luftangriff als Lebensmittelladen betrieben wurde. Zum Laden gingen von außen seitlich am Haus einige Stufen empor, ehe man in den Laden eintreten konnte. Es war ein typischer Tante-Emma-Laden, in dem es für die damalige Zeit nahezu alles zu haben war. Interessant für die Kinder waren die großen Gläser mit den Bonbons darin und einem Stöpsel-Deckel zum Verschließen. Für wenige Pfennige konnte man sich ein großes Vergnügen leisten.

Vor dem Laden stand seitlich in einem kleinen Häuschen eine große Wäschemangel, die auch an die Büttners vermietet war. Für etwa 25 Pfennig die Stunde konnten die Altstriesner Frauen ihre Wäsche mangeln. Hinter der Nr. 32 erstreckte sich bis zur Eilenburger Straße ein großer Garten, den Büttners als Wäschetrockenplatz benutzten und auch vermieteten. Dort standen auch die Wagen von Büttners, die man auch mieten konnte. Im Haus Nr. 32 wohnte auch der Ofensetzermeister Hugo Eichler, der neben und hinter dem Haus Materialien für das Ofensetzen gelagert hatte.

Bei Büttners konnte man auch Leiter- und Tafelwagen ausleihen. Davon machte auch der Bäcker Troschütz gelegentlich Gebrauch, wenn er etwas zu transportieren hatte, denn er hatte kein Auto. Es war ein typischer Tante Emma-Laden, wie eben zu dieser Zeit vorwiegend vorzufinden. Auf dem Bild ist noch ein Ladenschild mit dem Namen K. Hünig zu erkennen, es waren die Schwiegereltern von Kurt Büttner. Sein altes Ladenschild trug noch die Aufschrift "Gemischtwaren", das neue "Obst, Gemüse und Feinkost". Beim Kaufmann Büttner gab es fast alles, zumindest das, was im Krieg zu haben war. Auch Gemüse führte der Kaufmann, das er draußen in Kisten zeigte. Der Laden hatte kein Schaufenster. Über ein Paar Stufen gelangte man seitlich vom Haus in den Laden. Darin standen auch große Gläser, in denen sich Bonbons befanden und die zu rufen schienen: Kauf mich, kauf mich. Ein Stundenlutscher kostete 10 Pfennig. Oben and er Decke hing ein Holzpantoffel.

Hinter dem Ladentisch, der einmal im Verkaufsraum um die Ecke ging, standen Behälter mit Senf, Öl, Kübel mit Zucker, Rosinen und Mehl. Alles wurde in Tüten abgefüllt und abgewogen. Rechts neben dem Verkaufsraum befand sich die Küche, in der sich Büttners, die etwas über 50 Jahre alt waren, aufhielten, wenn kein Kunde im Laden war. Eine Ladentür mit Klingel zeigte es an, wenn Kunden kamen. Weiterhin war Spiritus in Flaschen zu haben, da einige Striesner auf Spirituskochern kochten. Natürlich konnte man auch Bier kaufen. Rechts neben dem Büttner-Laden war eine große Mangel in einem kleinen Haus anzutreffen. Dort konnten die Altstriesner Hausfrauen ihre Wäsche mangeln.

Hans Petermann aus Altstriesen 30 erinnert sich, wie er zusammen mit Walter Richter aus Altstriesen 32 für das Bauerngut Fiedler/Müller mit dem Handwagen in den Häusern der Umgebung Küchenabfälle als Viehfutter gesammelt hat. Für das Sammeln gab es dann zum Schlachtest umsonst einen Krug Wurstbrühe mit Wellfleischstücke. Weiterhin konnte man sich 10 bis 20 Pfennig verdienen, wenn man beim Ofensetzer Eichler aus Altstriesen 32 Pferdefuhrwagen mit Sand, Lehm- und gebrannten Ziegeln entlud und die Materialien in den Schuppen trug. Durch das Anfassen der Ziegel wurden oftmals die Hände wund. Das Geld kam in die Sparbüchse.

Bild 41 - Altstriesen, Pissoir auf dem Platz (Erweinbau)

Weiter voranschreitend, kommen wir an der öffentlichen Bedürfnisanstalt (Bild 41) vorbei, die leicht erhöht stand, weswegen alte Altstriesner auch von "auf der Brücke" sprachen, überqueren die Eilenburger Straße und sind damit einmal um den Platz herum, so dass wir uns wieder an der "Erdkugel" bzw. Schokoladen Clauß befinden.


[Bearbeiten] Die Geisingstraße - ein weiterer Zugang nach Altstriesen

Bereits auf der [Geisingstraße], die einen alten Verbindungsweg nach Gruna darstellte, war von der Borsbergstraße kommend die ländliche Idylle Altstriesens erkennbar. Die Geisingstraße bildete über Jahrhunderte hinweg seit der ersten urkundlichen Erwähnung des Dorfes Striesen im Jahre 1350 einen Zugang zum eigentlichen Dorf Striesen. Von Dresden erreichte man auf der nach Pillnitz führenden Straße, wenn man den Rampischen Schlag verlassen und ein flachwelliges Hügelland durchquert hatte, nach einer Stunde die Geisingstraße, den früheren Grunaer Weg, in den man links abbiegen musste. Um weiter nach Pillnitz zu gelangen, musste man das Dorf durchqueren und über die heutige Eilenburger Straße weiter reisen, die damals etwa am Polandplatz erst auf den Vorgänger der Schandauer Straße stieß. Der Weg durch das Dorf störte den kurfürstlichen Hof auf seinem Weg zur Sommerresidenz. Deshalb wurde eine Straße angelegt, die an der Geisingstraße geradeaus führte und den Bogen durch das Dorf umging. Der Knick in der Schandauer Straße/Borsbergstraße dort erinnert noch heute an die Verlegung der Landstraße. Die Geisingstraße war auch für die Kinder aus Gruna und Seidnitz der Schulweg, da sie in die Altstriesner Schule bis zum Jahre 1865 gingen.

Bekannt als Bildmotiv ist die Vorderfront des Grundstücks Geisingstraße 10 mit dem großen Torbogen und links davon dem Wohnbauernhaus (Bild 42). Das Grundstück war ein altes Bauerngut, das jahrelang von der Familie Richard Friedrich Fiedler, verwandtschaftlich verbunden mit Fiedler, Altstriesen 18, bewirtschaftet wurde.

Bild 42 - Geisingstraße 10
Bild 42a - Gut Geisingstr. 10 (Walter Fiedler)
Bild 42b - Gut Geisingstr. 10


Fast gerade herüber befand sich die Firma Spalteholz (Geisingstraße 9, 11 und 13), eine bekannte Holzhandlung, mit ihren großen Gelände, das sich weit in das Prinzengäßchen bis fast zum Petermannchen Gut hinein erstreckte. Das gelagerte Holz gab dem Feuersturm beim Luftangriff reichlich Nahrung und sorgte für eine rasche Brandausbreitung in den umliegenden Grundstücken. Im Grundstück Geisingstraße 13 wohnte die Familie Spalteholz, sicher befand sich dort auch das Büro.

Vor Spalteholz war auf der Geisingstraße 15 Heizungsbau Thiers zu finden, dem auch die Schandauer Straße 1a gehörte. Das Grundstück Nr. 15 lief hinter dem Grundstück Schandauer Straße 1a, in dem sich die Wettin-Apotheke befand, um die Ecke entlang zur Schandauer Straße. Die Firma Thiers gibt es seit 1872, sie wurde vom Schmiedemeister Ernst Friedrich Thiers gegründet. Damals hieß die Geisingstraße noch Straße 6a. Neben dem Zentralheizungsbau befasste sich die Firma auch mit dem Gewächshausbau.

Bevor die Geisingstraße langsam abfallend in einer Rechtskurve nach Altstriesen einmündete, ging rechts das Prinzengäßchen - offenbar ein alter Weg zum Gasthof "Sächsischer Prinzen" - ab. Auch auf der Geisingstraße fand man eine derartige ländliche Bebauung vor, wie sie unser Bild 42 mit der Nr. 10 im Vordergrund zeigt. Rechts anschließend folgen weitere Grundstücke mit den Nr. 10, 8, 6 und 4, nach links die 12. In der Geisingstraße 12 wohnte eine Familie Albert Hentsch. Albert Hentsch war Autosattler und sicherlich für die Firma Kreß, Autoreparatur gleich um die Ecke auf der Borsbergstraße 39, tätig. In der Geisingstraße 8 war die Autolackiererei Paul Stiller zu finden.

In der Geisingstraße 6 wohnte die kinderreiche Familie Friedrich Lieder. Dort sind auch beim Angriff viele Menschen durch Bomben mit Brandgel (Vorläufer von Napalm) umgekommen. Die Geisingstraße 4 war auch ein ehemaliger Bauernhof, in dem sich bis zum Angriff auch das Fuhrunternehmen Bergt befand. Auch in der Geisingstraße 4 wurden die Ruinen weiter bewohnt. Die Familien Klauschenz und Furchbrich bauten sich in diesem Grundstück links und rechts die Erdgeschosse der abgebrannten Häuser aus und wohnten längere Zeit darin. Auf dem Hof lagerte eine Gerüstbaufirma ihre Gerüste.

Das Haus Geisingstraße 2 mit den Bewohnern Mehnert lag versteckt hinter dem ehemaligen Schulhaus Am Landgraben 3. In der Geisingstraße 2 wohnte bis zum Luftangriff auf Dresden das ältere Ehepaar Alfred Mehnert. Herr Mehnert war vom Beruf Elektrotechniker. Das Haus war alt und dringend sanierungsbedürftig.

Bild 42c - Geisng 2, Ingeborg Mehnert

Das Erdgeschoß war schon nass und nicht mehr bewohnbar, weswegen auch der Sohn von Mehnerts mit Familie im Jahre 1936 ausgezogen war. Das Haus selbst hatte keinen Keller. Den Luftangriff auf Dresden erlebten die Mehnerts in einem Gartenhäuschen nebenan. Da es nach dem Angriff auch noch lange überall brannte, verbrachten die Mehnerts drei Tage im Gartenhaus. Erst dann wagten sie sich, das Grundstück zu verlassen und auf die Wittenberger Straße zu ihrem Sohn zu laufen.

Das Bild 43 von der Geisingstraße stammt vom Maler Böhling aus dem Jahre 1931. Rechts auf dem Bild sieht man die Geisingstraße Nr. 7 und dahinter die Nr.5, die den Angriff (heute abgerissen) überstand. Die Nr.5 gehörte dem Schlossermeister Bruno Schöne, der auch dort wohnte. Rechts am Zaun beginnt das Prinzengäßchen, das nach weiter rechts verlief. In Bildmitte ist das auf der linken Seite stehende Grundstück Nr. 6 gut zu erkennen. Etwa in Höhe des Prinzengäßchens stehen heute neue Häuser mit den ungeraden Altstriesner Hausnummern.

Bild 43 - Geisingstraße in Richtung Altstriesen, Maler Böhling 1931
Bild 44 - Geisingstr. 10, Blick wie Bild 43
Bild 45 - Die alte Schule am Landgraben als Ruine
Bild 46 - Blick wie Bild 43, nach 1945


Gegenüber dem Haus mit der Wettin-Apotheke befand sich im Eckgrundstück Borsbergstraße und Geisingstraße die Autoreparatur [Leonhard Kreß]. Leonhard Kreß mietete im Jahre 1931 eine der leer stehenden Hallen vom ehemaligen Pferdebahnhof. Kreß, geboren 1891, stammte aus der Nähe von Lohr/Main und hatte Erfahrungen und Ausbildungen an verschiedenen Stellen erworben, so als Lehrling bei Opel in Rüsselsheim und in den Adlerwerken. Im Jahre 1920 km er nach Dresden, wo er 1911 schon einmal war, und eröffnete ein Motorradgeschäft. Im Jahre 1928 folgte auf der Steinstraße eine Werkstatt für Motorräder und Autos. Das Ladengeschäft befand sich in der Dresdner Innenstadt auf der Grunaer Straße. Im Jahre 1935 verabschiedete sich dann auch die Firma Naumann und Leonhard Kreß war alleiniger Gewerbemieter des Grundstückes Borsbergstraße 39, das aber immer noch der Dresdner Straßenbahn gehörte.

Bild 47 - Hanomag Kreß und Tankstelle, Borsbergstr. 39

Im Jahre 1936 vergrößerte er die Firma durch die Anmietung weiterer Hallen und des Wohnhauses auf dem Grundstück und schuf damit eine moderne Auto- und Motorradwerkstatt. In dieser Zeit erhielt er die Generalvertretung für die Marke Hanomag. Später kam noch die VW-Vertretung hinzu. Die Firma Leonhard Kreß wurde auch kurz als Hanomag-Kreß bezeichnet, da es auf der Karcherallee noch eine andere Firma Kreß gab, die DKW-Autos reparierte und deshalb zur Unterscheidung von Hanomag-Kreß DKW-Kreß hieß.

Die Gebäude fielen dem Luftangriff am 13. Februar 1945 auf Dresden zum Opfer. Nach dem Angriff war die Firma Kreß vorübergehend in Obercarsdorf, ehe sie den Betrieb nach einem beginnenden Aufbau an der Borsbergstraße wieder aufnehmen konnte.


Bild 49 - Altstriesen, Flurplan

Damit ist der Rundgang durch Altstriesen mit Abstechern in die Zugangswege beendet. Wo früher die alten kleinen Dorfhäuser standen, befinden sich heute Garagen und ihre Zufahrten sowie ein Kindergarten. Damit ist von Altstriesen nichts übrig geblieben als einige von Beton überdeckte Grundmauernreste. Traurig, aber wahr!


[Bearbeiten] Ende des Rundgangs

Redaktionsschluss: 12.10.2018 (Bergmann)












[Bearbeiten] Quellen

  1. a b Altstriesen auf openstreetmap.org
  2. GIS-Team der Landeshauptstadt Dresden, Geschäftsbereich Stadtentwicklung, Bau und Verkehr - Amt für Geodaten und Kataster, Abt. Geoinformation
  3. Altstriesen auf google-maps
  4. Themenstadtplan Dresden
  5. Adressbücher von 1922/23 und 1943/44
  6. Adolf Hantzsch: Namenbuch der Straßen und Plätze Dresdens. Baensch, Dresden 1905.
    Schriftenreihe Mitteilungen des Vereins für Geschichte Dresdens, 17/18.
  7. Vergessene Dresdner Orte auf deutsches-architektur-forum.de
  8. Themenstadtplan Dresden
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